Kommentar Regionalwahl in Katalonien: Gewählt. Verzockt?

Nach der Wahl fühlen sich die Separatisten und ihre Gegner als Sieger. Miteinander reden wollen sie nicht. So verzocken sie das ganze Land.

Am Balkon hängt die estelada, die Unabhängigkeitsfahne der Katalanen

Bei der Unabhängigkeitsfrage sind die katalanischen Wähler gespalten. Foto: ap

Katalonien hat für die Unabhängigkeit gestimmt. So feiern es die Separatisten. Denn die beiden Listen, die für die Loslösung der nordostspanischen Region von Madrid eintreten – „Gemeinsam für das Ja“ (JxS) rund um den bisherigen katalanischen Regierungschef Artur Mas und die linke Kandidatur der Volkseinheit (CUP) – stellen zusammen 72 Abgeordnete im künftigen Autonomieparlament. Die absolute Mehrheit liegt bei 68.

Damit könnten sie ihren Fahrplan, der eine Republik Katalonien für 2017 vorsieht, umsetzen. So bekräftigten sie es in der Wahlnacht.

Madrid gibt sich betont gelassen. Denn das Ganze hat einen Schönheitsfehler. Die Wahl, die ganz bewusst von den katalanischen Nationalisten zur Volksabstimmung über die Zukunft Kataloniens umfunktioniert wurde, brachte zwar die Mehrheit im Parlament, jedoch nicht die der Wählerstimmen. Beide separatistischen Kräfte zusammen kommen auf knapp 48 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Bei einem Plebiszit für eine so wichtige Entscheidung wie die Unabhängigkeit einer Region vom Mutterland wären aber über 50 Prozent notwendig. Grund genug sich an einen Tisch zu setzen und endlich zu reden.

Doch einen ernsthaften Dialog und mutige Lösungsvorschläge, wie sie eigentlich nötig wären, wird es auch weiterhin nicht geben. Denn noch vor Weihnachten wird in Spanien das Parlament gewählt. Der Streit über Katalonien wird auch diesen Urnengang überschatten. Denn die gegenseitige Schuldzuweisung nutzt sowohl den Separatisten in Katalonien als auch dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy.

Mit Fahnen – egal ob in den Farben der Unabhängigkeit, oder in denen des großen, einheitlichen Spaniens – lassen sich geschickt andere Themen verdecken. Sparpolitik, Arbeitslosigkeit, der Ausverkauf des öffentlichen Bildungs- und Gesundheitswesens, Armut, Korruption ...

Artur Mas, ein Anhänger der gleichen neoliberalen Austeritätspolitik wie Rajoy, hat dies am Sonntag vorgemacht. Je mehr Zeit verstreicht, um so mehr wird sich die Lage zuspitzen. Diejenigen, die auf eine einseitige Erklärung der Unabhängigkeit und damit auf ein völlig unkontrollierbares Szenario drängen, werden weiteren Zulauf erhalten. Rajoy und Mas haben, um ihre eigene politische Karriere zu retten, das Ruder freiwillig aus der Hand gegeben. Sie sind dabei, ein ganzes Land zu verzocken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.