Regierungskrise in Nordirland: Kontrolle verloren
Nordirlands pro-britische Regierungsministerin Foster tritt zurück. Sie verspielte das Vertrauen ihrer Partei, weil sie zu viele Fehler gemacht hat.
D ie Democratic Unionist Party (DUP) hätte viele Gründe gehabt, um ihre Parteichefin Arlene Foster schon längst in die Wüste zu schicken. Da wäre zum Beispiel „Cash for Ash“, jenes Programm, das die nordirische Premierministerin 2012 ausgeheckt hatte, als sie noch Unternehmensministerin war: Unternehmen und Bauern erhielten für jedes Pfund, das sie für erneuerbare Energie ausgaben, einen Zuschuss in Höhe von 1,60 Pfund. Je mehr man heizte, desto mehr Geld floss – und die Leute heizten auf Teufel komm raus.
Man hätte sie auch wegen ihrer Haltung während der Krawalle der pro-britischen Banden feuern können. Die liefern sich seit Wochen Scharmützel mit der Polizei, und Foster schürte die Gewalt, indem sie die Legitimität der Polizei in Frage stellte. Damit versuchte sie, den Boden gutzumachen, den sie verloren hatte, weil sie das Nordirlandprotokoll im Brexit-Vertrag nicht verhindert hatte, so dass zwischen Nordirland und Großbritannien nun eine Zollgrenze besteht.
Aber das konnte sie gar nicht verhindern, weil sich in London niemand für Nordirland interessiert. Aber man benötigte einen Sündenbock, denn die DUP steht mit dem Rücken zur Wand. Die sozialen Veränderungen wie das Recht auf Abtreibung und gleichgeschlechtliche Ehe, die nun in Nordirland nach sanftem Druck aus Brüssel und London gelten, machen der Partei Angst. Sie hat die Kontrolle über das Land verloren. Noch ist sie die größte Partei, aber bei den nächsten Wahlen in einem Jahr wird sich das wohl ändern. Nun hat Arlene Foster wegen wachsenden Widerstands gegen sie in ihrer eigenen Partei ihren Rücktritt angekündigt.
Unvorstellbares Szenario
Nächsten Montag ist der 100. Jahrestag der Teilung Irlands. Damals hat man die Grenze so gezogen, dass die pro-britischen Protestanten eine bequeme Zweidrittel-Mehrheit hatten und die pro-irischen Katholiken in Schach halten konnten. Diese Mehrheit ist nun dahin, und im nächsten Jahr könnte Sinn Féin, der ehemalige politische Flügel der Irisch-Republikanischen Armee (IRA), stärkste Kraft werden.
Für die Unionisten ist das ein unvorstellbares Szenario, und sie reagieren, wie sie es immer tun: die Politiker mit Megafonrhetorik, die Hardliner an der Basis mit Gewalt. Unter Fosters Nachfolger wird sich daran nichts ändern.
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