Regierungserklärung vor Nato-Gipfel: Merz wagt ein bisschen Kritik an Israel
Der Kanzler stellt sich im Iran-Israel-Konflikt klar an die Seite Israels, ermahnt Netanjahus Regierung aber auch zur Waffenruhe in Gaza – mehr nicht.

Der Kanzler redet im Bundestag, kurz vor seiner Abreise zum Nato-Gipfel. Die 32 Mitglieder werden dort mehrheitlich beschließen, künftig 5 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Militärisches auszugeben. Laut Merz ist das auch geboten. Man habe es mit einer neuen Realität zu tun, in der es gelte, die eigenen Interessen zu vertreten.
Und er betont: „Wir müssen gemeinsam so stark sein, dass niemand es wagt, uns anzugreifen.“ Als Bedrohung nennt Merz zum einen Russland. Der russische Präsident, Wladimir Putin, so die Überzeugung des Bundeskanzlers, verstehe nur die Sprache der Stärke und man müsse befürchten, „dass Russland den Krieg über die Ukraine hinaus fortsetzen wird.“ Deshalb, und nicht etwa, weil man den USA und ihrem Präsidenten einen Gefallen tun wolle, habe man sich auf das neue Ziel geeinigt. Eine vorauseilende Begründung, die während der Debatte vielleicht einmal zu oft von anderen Unionspolitikern wie Fraktionschef Jens Spahn wiederholt wird.
Sowohl AfD als auch Linke kritisieren das 5-Prozent-Ziel, für die Linke spricht Fraktionschef Sören Pellmann gar von „Rüstungswahnsinn“.
Mahnung für Waffenstillstand in Gaza
Eine Bedrohung für Europa und die ganze Welt sei laut Merz aber auch der Iran. Im gegenwärtigen Konflikt, der vor 12 Tagen mit israelischen Angriffen auf iranische Atomanlagen begann, stellt er Deutschland klar an die Seite Israels. Israel habe ein Recht, seine Existenz und die Sicherheit seiner Bürger zu verteidigen, betont Merz. Das Mullah-Regime wolle Israel hingegen auslöschen, so der Kanzler. „Unsere Staatsräson ist die Verteidigung des Staates Israel in seiner Existenz“.
Merz begrüßt zugleich die Vorschläge der US-Regierung für einen Waffenstillstand und fordert vom Iran und Israel, diesen zu folgen. Gleichzeitig appelliert er auch an die Regierung Netanjahu, jetzt sei auch der Moment gekommen, einen Waffenstillstand in Gaza abzuschließen. Er erlaubt sich sogar, „kritisch nachzufragen, welches Ziel Israel im Gazastreifen erreichen will“ und mahnt einen menschenwürdigen Umgang mit Menschen im Gazastreifen an.
Doch Taten will Merz den Worten dann doch nicht folgen lassen: Eine Aussetzung oder Annullierung des Assoziierungsabkommens der EU mit Israel, wie sie eine Mehrheit der EU-Länder wollen, lehnt er ab. Das Abkommen gewährt Israel Zugang zum Binnenmarkt und zu EU-Programmen, verpflichtet es aber auch zur Einhaltung der Menschenrechte.
Zur Einhaltung des Völkerrechts mahnt der Fraktionsvorsitzende der SPD, Matthias Miersch. Gerade die liberalen Demokratien hätten ein „Rieseninteresse“, dass nicht das Recht des Stärkeren, sondern Regeln für alle gelten. Israel oder die USA nennt er dabei nicht explizit. Dass deren Raketenangriffe auf den Iran im Einklang mit dem Völkerrecht stehen, ist mindestens umstritten.
Bei der Wirtschaft hört der Schmusekurs auf
Auch Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann fordert eine Rückkehr zur Diplomatie. Gleichzeitig äußert sie Unverständnis für den Vorstoß einiger, meist älterer SPD-Genoss:innen, die in einem Manifest Gespräche mit Putin fordern.
Und auch an der Union dürften ihre Grünen, die beim Thema Verteidigung eher Team Merz sind, noch genug zu kritisieren finden. Der Kanzler kündigte an, sich in der EU für weniger Regulierung und mehr Handelsabkommen einzusetzen – Abkommen, „die nur noch der Zustimmung der EU-Kommission bedürfen.“ Also TTIP, ohne dass Bundesrat und Bundestag gefragt werden. Soviel exekutive Stärke dürfte vielen dann doch nicht gefallen.
Nach dem Nato-Gipfel wird Merz weiter zum Treffen der EU-Staatschef:innen nach Brüssel reisen. Diese werden vor allem darüber reden, wie sie die von Donald Trump angedrohten Zölle abwehren. Merz hofft im Zollstreit auf eine Lösung bis Anfang Juli. „Falls nicht, sind wir darauf vorbereitet, mit einer ganzen Reihe von Optionen“, bemüht er sich um Schärfe. Beim Thema Wirtschaft endet der Schmusekurs mit Trump offenbar.
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