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Regierungschef Alex SalmondSchottlands „Braveheart“ tritt ab

Alex Salmond machte aus der belächelten Idee von Schottlands Unabhängigkeit eine echte Bewegung – auch wenn die Schotten den letzten Schritt nicht mitgingen.

Klug, schlitzohrig und strategisch brillant, so beschreiben Medien und Parteifreunde Alex Salmond. Bild: dpa

EDINBURGH dpa | Weniger Politiker stehen so eindeutig für ein politisches Programm wie Alex Salmond. Sein Name ist in Großbritannien beinahe ein Synonym für die Nationalbewegung in Schottland. Der 59-Jährige hat in den vergangenen zwei Jahren schier Unglaubliches geschafft: Aus einer Volksabstimmung, die ein Großteil der Briten für eine Schnapsidee hielt, machte er eine echte Bedrohung für die mehr als 300 Jahre alte Union von Engländern und Schotten.

Mit der Niederlage ist der Traum von der Unabhängigkeit vorerst ausgeträumt. In die Zukunft unter dem Dach des Vereinigten Königreichs werden andere Schottland führen. Nach sieben Jahren als Schottlands Ministerpräsident und 20 Jahre, nachdem er den Vorsitz der Nationalpartei SNP übernommen hatte, hat ein müde klingender Alex Salmond seinen Rücktritt angekündigt. Im November wird ein Parteitag einen Nachfolger wählen für den Mann, den einige für den begabtesten britischen Poliker seiner Zeit halten.

„Es war die Ehre meines Lebens, Schottland als Erster Minister zu dienen“, sagte Salmond am Freitag in Edinburgh. „Aber wie ich während der Kampagne für das Referendum oft gesagt habe, geht es dabei nicht um mich oder die SNP. Es ist wichtiger als das.“ Partei, Parlament und das Land würden von einer neuen Führung profitieren.

Image als Polterer

Klug, schlitzohrig und strategisch brillant, so beschreiben Medien und Parteifreunde ihn. Salmond kann reden und hat Witz. Der leicht untersetzte 59-Jährige mit der hohen Stirn gilt aber auch als Polterer. Wie bei vielen seiner Landsleute schlägt Salmonds Herz für Golf und Pferderennen. Sein Privatleben um seine kinderlose Ehe mit Gattin Moira hält er weitgehend abgeschirmt von der Öffentlichkeit.

Salmond studierte an der schottischen Elite-Universität St. Andrews. Anschließend arbeitete er unter anderem als Banker und beschäftigte sich vor allem mit der für Schottland so wichtigen Ölindustrie. In dieser Zeit wuchs für Salmond die Überzeugung, dass es starke wirtschaftliche Argumente für eine Unabhängigkeit gibt – den Beweis dafür wird er nun nicht erbringen müssen.

Am Silvestertag 1954 in Linlithgow bei Edinburgh auf die Welt gekommen, wuchs Salmond in einer christlich orientierten Beamtenfamilie auf. Zur SNP kam er in den frühen 70er Jahren, als es für die Partei nicht viel zu holen gab. 1979 war die Nationalpartei auf zwei Sitze im Londoner Parlament geschrumpft. Salmond arbeitete an den Wurzeln und holte 1987 das Direktmandat in seinem Wahlkreis.

Aus welchem Holz der Schotte geschnitzt ist, bekamen die Londoner Herren wenig später zu hören. In Westminster wurde Salmond gleich für eine Woche aus dem Parlament ausgeschlossen, weil er Finanzminister Nigel Lawson bei seiner Budget-Rede unsanft ins Wort fuhr.

Höhenflug für die Unabhängigkeitspartei

1990 übernahm der so Gestählte den Vorsitz der SNP, deren erklärtes politisches Ziel stets die Unabhängigkeit Schottlands war. Nach mehreren Führungskämpfen und einem Rücktritt übernahm Salmond das Amt 2004 erneut – und führte die Partei zu einem nicht gekannten Höhenflug. 2007 wurden die Unabhängigkeitspartei stärkste Kraft und Salmond Ministerpräsident in der schottischen Regionalregierung.

Vier Jahre später reichte es – dem Frust über die Sparpolitik der Tories in Westminister sei dank – sogar zur absoluten Mehrheit. Statt sich auf dem Erreichten auszuruhen, erkannte Salmond die Chance für das große Ziel seiner Partie. Eine „historische Möglichkeit“, nannte er das Referendum in den vergangenen Monaten immer wieder.

Die Schotten haben diese Möglichkeit nicht ergriffen. Umsonst war Salmonds unermüdliches Werben trotzdem nicht. Der „YES“-Kampagne gelang es, in London blanke Panik auszulösen und der Regierung das Versprechen maximaler Eigenständigkeit für Schottland zu entlocken.

Jetzt ist Premierminister David Cameron an sein Versprechen gebunden – so gesehen hatte Salmond Erfolg, dessen ist er sich auch bewusst. „Wir haben jetzt die Möglichkeit, Westminster unter Druck zu setzen – wegen des 'Eids', den sie abgelegt haben, künftig bedeutende Kompetenzen an Schottland abzugeben“, stellte Salmond am Freitagabend fest. „Das bringt Schottland in eine sehr starke Position.“

Ganz zurückziehen will Salmond sich nicht, als Abgeordneter im Regionalparlament will er weiter Politik machen – die erste Reihe aber anderen überlassen. „Meine Zeit als Anführer ist fast vorbei“, sagte er mit leicht geröteten Augen. „Aber für Schottland geht die Kampagne weiter. Und der Traum stribt nie.“

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3 Kommentare

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  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Von einer Schnapsidee zu einer Bedrohung. Das schaffen nur Agitatoren, aber keine Staatsmänner.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @774 (Profil gelöscht):

      Das Prinzip des Selbstbetimmungsrechts der Völker ist keine Schnapsidee sondern vielmehr die Grundlage eines demokratischen Europas.

    • @774 (Profil gelöscht):

      Dass der "Großteil der Briten [die Volksabstimmung] für eine Schnapsidee hielt", macht sie nicht zu einer solchen.

       

      Und wenn man sich angesichts neoliberalen Sparwahnsinns überlegt, von den Wahnsinnigen unabhängig zu werden, ist das sogar ziemlich rational.

      Dann allerdings das Pfund behalten zu wollen oder der Eurozone beizutreten - das war tatsächlich eine Schnapsidee.