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Regierungsbildung in ThüringenHeimlich aus dem CDU-Schlamassel

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Die Thüringer CDU macht einen Fehler nach dem anderen. Beschlüsse der Bundespartei sind nicht hilfreich. Jetzt ist stiller Trotz angesagt.

Wählt jemand heimlich die neue Regierung in Thüringen? Mike Mohring und Mario Voigt von der CDU Foto: Martin Schutt/dpa

D ie Thüringer CDU hat ein bemerkenswertes Talent. Wenn man denkt, dass sie schon bis zum Hals im Mist steckt und es kaum noch schlimmer kommen kann, reitet sie sich noch tiefer rein. Gerade hat sie den nächsten Schritt gemacht – einen ziemlich großen. Und eine Umkehr ist vorläufig nicht in Sicht. Bodo Ramelow hatte der CDU ein Angebot gemacht, das sie eigentlich nicht ablehnen konnte:

Der Landtag solle sich mit Stimmen von Rot-Rot-Grün und CDU auflösen, dann CDU-Frau Christine Lieberknecht zur Übergangs-Ministerpräsidentin wählen, die dann Neuwahlen vorbereiten solle. Ein durchaus listiges Angebot, weil die Umfragen für die Linkspartei gerade sehr gut, für die CDU aber miserabel aussehen. Für die CDU also eine fette Kröte.

Aber das Angebot hätte den Thüringer ChristdemokratInnen einen Ausweg aus der Sackgasse gewiesen, in der sie durch einen fatalen Beschluss des Bundesparteitags steckt – nämlich, dass eine Zusammenarbeit nicht nur mit der AfD, sondern auch mit der Linkspartei grundsätzlich untersagt sei.

Und es hätte den dramatischen Fehler, den die CDU vor zwei Wochen machte, als sie gemeinsam mit der AfD den FDP-Mann Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten wählte, zwar nicht getilgt, wäre aber zumindest ein Weg aus dem Schlamassel gewesen, in dem der Thüringer Landtag seither steckt. Doch die CDU hat es verbockt.

Sie taktierte und zögerte, auch als die Linkspartei signalisierte, sie sei bereit, den Christdemokraten in Sachen Wahltermin etwas entgegenzukommen, ihnen also die Chance gab, das Gesicht zu wahren. Am Mittwochmorgen zog Lieberknecht ihre Bereitschaft zurück – und gab ihren ParteifreundInnen ganz offen die Schuld daran.

Die Thüringer CDU ist also jetzt nicht nur eine Partei, die kopflos und führungslos irrlichtert, heillos zerstritten ist, die gemeinsame Sache mit der AfD macht und die Neuwahlen aus Angst um die eigenen Mandate partout nicht will – sie verhindert auch, dass mit einer CDU-Frau an der Spitze das ganze Thüringer Drama ein Ende findet. Das dürfte bei potenziellen WählerInnen nicht gut ankommen.

Allerdings trägt die Bundespartei mit ihrem Beschluss einen gehörigen Anteil an dem Dilemma. Als Ausweg bleibt nun eigentlich nur noch, dass vier CDU-Abgeordnete still und heimlich für Ramelow stimmen, egal was der Parteitagsbeschluss vorschreibt. Das aber hätte man gleich haben können – und wäre dann zumindest nicht ganz so tief in den Mist ­marschiert.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

8 Kommentare

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  • 4 Stimmen von der CDU werden nicht reichen. Dann besteht die Gefahr, dass die AfD mit ihrer Fraktion, außer 4 Stimmen, Bodo Ramelow wählt.



    Durch die geheime Wahl wird man nie heraus finden, wer ihn letztlich tatsächlich gewählt hat.

  • Die AfD ist seit geraumer Zeit eine in ihren Grundzügen faschistische Partei, dass sie dabei ein kleines bürgerliches Feigenblatt trägt, ist geradezu folgerichtig.



    Wenn die CDU ihren Parteinamen ernst nimmt, ist sie den zwei wichtigsten christlichen Geboten verpflichtet, der Gottesliebe und der Nächstenliebe.



    Eine Zusammenarbeit der CDU mit der faschistischen AfD schließt sich somit aus.

  • Ich denke, die CDU sollte sich klarmachen, was der klare, faktische Unterschied zwischen der CDU und der AfD ist: Auch die CDU hat inzwischen begriffen und akzeptiert, dass wir in einer _diversen_ Gesellschaft leben, in der es unzählige Vorstellungen, Wünsche und Lebensentwürfe gibt (auch wenn die CDU und vor allem CSU damit lange Schwierigkeiten hatte). Die AfD jedoch träumt von einer _homogenen_ Gesellschaft; sie will diese Unterschiede bekämpfen (man könnte auch "ausrotten" schreiben).



    Dass (inzwischen wohl große) Teile der AfD ganz klar demokratie- und menschenfeindlich sind, braucht man dann schon nicht mehr erwähnen. Der Beschluss der Union, auf keinen Fall mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten ist von daher tragisch, dass Bodo Ramelow eher Sozialdemokrat als Sozialist ist und überhaupt keine Gefahr für die Demokratie oder den Kapitalismus darstellt. Dem ganzen Drama kann ich aber auch etwas Positives abgewinnen: Vermutlich fliegt die FDP in Hamburg aus der Bürgerschaft. Und auf die Kommunalwahl in Bayern bin ich auch schon gespannt!

  • Gibt es da nicht irgend eine Regelung, dass sich eine Regierung in einer bestimmten Zeit finden muss, sonst gibt es irgendwann automatisch eine Neuwahl? Es kann ja nicht sein, dass man jetzt theoretisch 5 Jahre warten müsste. Wer kennt sich da aus?

    • 6G
      68514 (Profil gelöscht)
      @Michi W...:

      Warum sollte alles so genau vorgeschrieben sein? Ist es in einer Demokratie denn nicht eine Selbstverständlichkeit, daß das Wohl des Landes im Mittelpunkt steht und nicht die eigenen Pfründe? Hier liegt ja auch der Unterschied zwischen dem Bürgertum, das aktiv und eigenverantwortlich am Gemeinwesen teilnimmt und dieses mitgestaltet, und dem Bürgertum, das vorrangig die eigenen Interessen im Blick hat und denen das Gemeinwesen und soziale Belange völlig egal sind. Und ich bin mir sicher, daß die Bürger mit Interesse am Gemeinwesen eine deutliche Mehrheit besitzen.

  • Die CDU wird nur noch aus nostalgischen und sentimentalen Gründen gewählt.



    Von Merkel hört und sieht man nichts und der Rest der CDU-Granden bilden ja offenbar ein Kasperltheater.

    Ich würde die Merkel ja auch wählen - wenn ich könnte.



    Aber wirklich wählen kann ich ja nur zwischen sPd EST und Cdu HOLERA.

  • Danke für die klaren, sachlichen, korrekten und leicht nachvollziehbaren Mitteilungen. Nicht erstaunlich, dass die immer noch merkelwillfährigen Medien, allen voran die ARD, meinen, sie müssten die Tatsachen ein wenig verdrehen, wie das Merkel, die ja auch in der DDR groß geworden ist, wesentlich besser als Mike Mohring, ein dilettatischer Anfänger, kann. Da waren nicht die Parteifreunde von Lieberknecht schuld, da heißt es sehr subtil, R2G und die CDU hätten sich nicht auf einen gemeinsamen Termin für Neuwahlen einigen können. Ist ja nicht falsch, nennt aber den Verursacher des Dilemmas nicht und trägt damit wenig zur Lösung bei. Kein Arzt kann sinnvoll therapieren, wenn er eine unkorrekte Diagnose hat.

    [...]

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    • @Sarg Kuss Möder:

      Fragt sich nur, auf welcher Seite von 150...

      Machen Sie mal langsam mit den Verschwörungstheorien, die kennen wir ja eh alle schon zur Genüge.