Regierungsbildung in Spanien: Sánchez verliert zweites Votum
Dem Premier fehlt erneut die Unterstützung der linken Podemos-Partei. Pedro Sánchez muss sie überzeugen – sonst gibt es Neuwahlen.
Die Sozialisten hatten die Parlamentsneuwahl am 28. April zwar gewonnen, die absolute Mehrheit aber deutlich verpasst. Der einzig mögliche Bündnispartner wäre die linksalternative Unidas Podemos (UP) mit ihren 42 Abgeordneten gewesen – doch Sánchez war es nicht gelungen, eine Koalition auszuhandeln. UP-Chef Pablo Iglesias hatte auf einen Ministerposten verzichtet, um die Verhandlungen zu erleichtern. Doch er wollte fünf UP-Minister und einen stellvertretenden Ministerpräsidentenposten für Sozialpolitik für die Nummer zwei der Partei, Irene Montero.
Sánchez bot zum Schluss drei Minister an. Kurz vor der Parlamentssitzung willigte UP ein, verlangte allerdings das Arbeitsministerium. Sánchez weigerte sich strikt. „Wir verzichten auf das Arbeitsministerium, wenn wir die Verantwortung für die Beschäftigungpolitik bekommen“, bot Iglesias schließlich an. Auch dies ohne Erfolg. Die UP-Abgeordneten enthielten sich, mit dem Ziel, die Verhandlungen nach der gescheiterten Sitzung erneut aufzunehmen.
Die PSOE-Unterhändler werfen UP vor, „unzulässige“ Forderungen zu stellen und den „Großteil der Staatsausgaben kontrollieren“ zu wollen. UP-Verhandler entgegneten, keine „Dekoration“ in der Regierung sein zu wollen.
„Sie werden es bitter bereuen, diese historische Chance vertan zu haben“, warf der katalanische Unabhängigkeitspolitiker Gabriel Rufian dem Premier Sánchez vor. Rufian, dessen Republikanische Linke Kataloniens (ERC) sich der Stimme enthielt, hatte die letzten beiden Tage versucht, zwischen PSOE und UP zu vermitteln. Er scheiterte. Auch andere kleinere Regionalparteien, die sich enthielten, bedauerten das Scheitern der Verhandlungen.
Der Abgeordnete Joan Baldoví warnte davor, dass im Falle von Neuwahlen die drei Rechtsparteien PP, Cs und Vox eine Mehrheit erreichen könnten. Baldoví ist von der Linkspartei Compromis, die in der Region Valencia zusammen mit der PSOE regiert. „Nutzen wir den Sommer, denn viele Menschen wollen eine Regierung, deren Ministerpräsident Sie sind“, richtete er sich an Sánchez.
Jetzt wird der spanische König Felipe VI. erneut alle Parteien zu Gesprächen laden, um dann eventuell einen neuen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vorzuschlagen. Das dürfte erneut Sánchez sein – wenn er sich mit UP geeinigt hat und so glaubhaft versichern kann, dass eine weitere Wahl im Parlament erfolgreich sein wird. Die Frist für eine erneute Abstimmung läuft am 23. September aus.
Gibt es bis dahin keine Regierung, muss der Monarch laut Verfassung das Parlament auflösen und Neuwahlen anberaumen. Diese würden dann am 10. November stattfinden. Es wären die vierten Wahlen in nur vier Jahren
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen