Regierungsbildung in Israel: Netanjahu vor dem Aus
In Israel nimmt eine neue Regierung Formen an. Regierungschef Benjamin Netanjahu könnte erstmals seit 2009 in die Opposition geschickt werden.
Nach einer offiziellen Verkündung des Bündnisses mit Bennett müsste Lapid zunächst Staatspräsident Reuven Rivlin informieren und hätte dann sieben Tage Zeit für die Vereidigung der Regierung im Parlament. Dafür ist eine einfache Mehrheit der 120 Abgeordneten in der Knesset notwendig. Rivlin hatte am 5. Mai Lapid mit der Regierungsbildung beauftragt. Das Mandat gilt nur noch bis Mittwoch um Mitternacht.
Falls eine solche Regierung zustande kommt, wäre die Ära Netanjahu beendet. Der heute 71-Jährige ist seit 2009 Ministerpräsident. Zuvor stand der Politiker bereits in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre an der Spitze der Regierung.
Netanjahu warf Bennett nach dessen Mitteilung am Abend vor, er habe sein Wahlkampfversprechen gebrochen, keine Koalition mit Lapid zu bilden. Der Likud-Vorsitzende warnte vor einer „gefährlichen linken Regierung“ und rief zur Bildung einer „guten rechten Regierung“ auf.
Bennett sagte zuvor, es sei deutlich geworden, dass die Bildung einer rechten Regierung derzeit unmöglich sei. Die einzigen Optionen seien eine fünfte Wahl oder eine Einheitsregierung mit Lapid. „Die politische Krise in Israel ist weltweit beispiellos“, sagte Bennett. Er warf Netanjahu eine zerstörerische Spaltungspolitik vor.
Duldung durch arabische Abgeordnete
Bei der Parlamentswahl am 23. März war Lapids Zukunftspartei, angesiedelt in der politischen Mitte, zweitstärkste Kraft hinter Netanjahus Likud geworden. Die vierte Wahl binnen zwei Jahren ergab erneut keine klaren Mehrheitsverhältnisse. Weil Netanjahu mit der Bildung einer Regierung scheiterte, beauftragte Staatspräsident Rivlin Lapid.
Netanjahu hatte am Wochenende weiter gegen seine Ablösung gekämpft. Am Sonntag bot er Bennett sowie seinem Erzrivalen Gideon Sa’ar von der rechtsorientierten Partei Tikva Chadascha (Neue Hoffnung) noch eine Koalition mit Rotation der drei im Amt des Ministerpräsidenten an.
Lapids Zukunftspartei führte am Sonntag Koalitionsgespräche mit Sa’ars Tikva Chadascha. Sie hat bereits Vereinbarungen mit der linksliberalen Meretz-Partei, der Arbeitspartei sowie der ultrarechten Partei Israel Beitenu von Ex-Außenminister Avigdor Lieberman getroffen.
Lapid will mehrere kleine Parteien hinter sich versammeln, die im politischen Spektrum weit auseinander liegen. Es würde sich dabei vermutlich um eine Minderheitsregierung handeln, die von arabischen Abgeordneten geduldet wird. Die Parteien eint vor allem die Ablehnung Netanjahus, gegen den ein Korruptionsprozess läuft.
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