Judith Poppe über Netanjahus gescheiterte Regierungsbildung: Aus der Zauber
Vielleicht wäre es anders gekommen, wäre der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Bob-Marley-Fan. Möglicherweise hätte er sich ein Abraham Lincoln zugeschriebenes Zitat, das Marley in seinem Klassiker „Get Up, Stand Up“ verewigt hat, zu Herzen genommen: „You can fool some people sometimes, but you cannot fool all the people all the time.“
Nach dem ergebnislosen Versuch, eine Koalition zusammenzuzimmern, musste Netanjahu das Mandat zur Regierungsbildung wieder abgeben. Trotz des Korruptionsverfahrens, das gegen ihn läuft, weigerte er sich zurückzutreten und zwang die Israelis zu drei Neuwahlen in kurzer Folge. Der Zauberer, wie er in Israel oft genannt wird, konnte sich bis zuletzt noch aus jeder Bedrängnis befreien. Jetzt jedoch scheint es sich endlich ausgezaubert zu haben.
Zu oft hat er einstige Verbündete und Kooperationspartner betrogen und damit verschlissen. Benny Gantz zum Beispiel, ehemals Generalstabschef von der Mittepartei Blau-Weiß. Oder Gideon Sa’ar. Als der frühere Likud-Abgeordnete bei den internen Parteiwahlen Netanjahu herausforderte, brandmarkte ihn der Chef kurzerhand als Betrüger. Die Liste der von Netanjahu Verstoßenen ließe sich fortsetzen.
Trotzdem ist das Ende der Ära Netanjahu noch immer nicht garantiert. Auch für das gegnerische Lager ist die Mission, eine Regierung zu bilden, alles andere als ein Kinderspiel. Als hilfreich könnte sich jetzt Netanjahus schamloser Opportunismus erweisen. In einem seiner letzten Manöver hätte er beinah Mansour Abbas, den Vorsitzenden der islamisch-konservativen Partei Ra’am, für seine Regierungskoalition gewinnen können. Gescheitert ist die Kooperation an den ultrarechten Hardlinern von der Partei Religiöser Zionismus. Das jahrzehntelange Tabu, arabische Parteien an einer Regierung zu beteiligen, war damit aber gebrochen.
Dem Anti-Netanjahu-Block kommt dies jetzt zugute. Denn ohne die Unterstützung arabischer Parteien werden die Netanjahu-Gegner*innen auf keine Mehrheit kommen. Der Zauberer hat sich selbst überlistet.
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