Regierungsbildung in Israel: Erfolgloses Puzzlespiel
Für Premier Benjamin Netanjahu wird es langsam eng. Er hat große Probleme, eine Regierung zu bilden. In der kommenden Woche läuft die Frist aus.
Vor drei Wochen hat Staatspräsident Reuven Rivlin den amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mit der Regierungsbildung beauftragt. Doch der kann mit seinem rechtskonservativ-religiösen Block nicht die benötigten 61 Sitze zusammenbringen. Verhandlungen über eine Einheitsregierung mit Netanjahus Herausforderer, dem ehemaligen Stabschef und Vorsitzendem der Partei Blau-Weiß, scheiterten, denn Benny Gantz schließt eine Regierung mit Netanjahu als Premier wegen Korruptionsvorwürfen aus.
Einer Einheitsregierung unter Gantz kann wiederum Netanjahu nicht zustimmen. Für ihn geht es nicht nur um seinen Posten als Ministerpräsident, sondern auch um die Frage, ob er die nächsten Jahre im Gefängnis verbringen muss.
Im Dezember wird Generalstaatsanwalt Mendelblit entscheiden, ob es wegen Korruptionsskandalen in drei Fällen zu einer Anklage kommt. In diesem Fall könnte Netanjahu eine Gesetzesänderung Immunität verschaffen. Ob er die Reform durchbringt, wenn er nicht selber die Regierung stellt, ist fraglich.
Rolle des Königsmachers
So kommt Avigdor Lieberman, Chef der rechtskonservativen Partei Israel Beitenu, erneut die Rolle des Königsmachers zu. Bereits nach den letzten Wahlen hat er eine Regierungsbildung aus Netanjahus rechtskonservativem und religiösen Block verhindert.
Sowohl für eine rechtskonservativ-religiöse Regierung unter Netanjahu als auch für ein Mitte-Links-Bündnis unter Gantz könnten seine Sitze das Zünglein an der Waage sein. Doch Lieberman weigert sich sowohl mit den Orthodoxen, die für eine Regierung unter Netanjahu notwendig sind, als auch mit den arabischen Parteien, die für ein Mitte-Links-Bündnis unter Gantz benötigt werden, eine Regierung zu bilden.
Am kommenden Mittwoch läuft Netanjahus Frist für die Regierungsbildung aus. Staatspräsident Reuven Rivlin könnte das Mandat um zwei Wochen verlängern, doch wahrscheinlicher ist, dass der Auftrag zur Regierungsbildung an Gantz fallen wird.
Ob Lieberman eine Minderheitsregierung unter Gantz, von außen unterstützt von der Gemeinsamen (Arabischen) Liste, tolerieren würde, ist unwahrscheinlich. Doch Netanjahu bereitet sich vor und versucht sowohl eine Meuterei innerhalb des Likud als auch eine erfolgreiche Regierungsbildung durch Gantz zu verhindern.
Ein Manöver unter vielen
Dazu ließ er am vergangenen Mittwoch die Mitglieder seines rechten Blocks Loyalitätserklärungen unterschreiben, dass sie einer Regierung unter Gantz nicht beitreten werden.
„Falls eine Minderheitsregierung mit der Unterstützung der (arabischen) Joint List oder Teilen dieser, vereidigt werden sollte, werden wir dieser Regierung auf keinen Fall beitreten“, heißt es laut Ynet und Haaretz in dem Dokument: „Wir verpflichten uns, nur einer Koalition, angeführt von Ministerpräsident Netanjahu beizutreten […].“ Sämtliche Parteien seines Blocks unterzeichneten – mit Ausnahme von Ayelet Shaked und Naftali Bennett von der Partei Yamina, die darauf verwiesen, dass ihre Loyalität keiner Unterschrift bedürfe.
Diese Loyalitätsbekundung ist nur eins von vielen Manövern eines bedrängten Ministerpräsidenten. In einer Generalversammlung des Likud ließ er in der vergangenen Woche erneut darüber abstimmen, dass er Parteichef bleiben wird. Als er auf dem Weg dorthin die Nachricht erhielt, dass nur wenige hundert Mitglieder anwesend seien, erschien er erst gar nicht persönlich. Netanjahu wurde im Amt bestätigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht