piwik no script img

Regierung stellt Klimaprogramm vorCO2 sparen à la Dänemark

Auch Dänemark arbeitet daran, seinen CO2-Ausstoß zu senken. Kritiker:innen monieren, dass die Regierung dafür teilweise arg kreativ wird.

Teil des Dänischen Klimakonzepts: Tanken in Deutschland Foto: Sven Hoppe/dpa

Stockholm taz | Dänemark hat ehrgeizige Klimaziele. Der CO2-Ausstoß des Landes soll bis 2030 gegenüber 1990 um 70 Prozent reduziert werden. Spätestens 2050 will Dänemark „klimaneutral“ sein. Das beschloss ein einiges Parlament Ende vergangenen Jahres.

Um Nägel mit Köpfen zu machen, wurden die jeweiligen Regierungen verpflichtet, jährlich eine „Fortschrittsbilanz“ vorzulegen und darin Rechenschaft abzulegen, was sie schon getan haben und weiterhin zu tun gedenken, um dieses Ziel zu erreichen.

Die amtierende sozialdemokratische Minderheitsregierung wollte ihre Bilanz bis zum Ende des 1. Halbjahres 2020 vorlegen und ein wenig verspätet präsentierte sie ihr „Klimaprogram 2020“ in dieser Woche. Fazit: Es bleibt noch viel zu tun. Ausgehend vom Basisjahr 1990 hatte Dänemark bis 2018, dem letzten Jahr, für das die Zahlen schon vorliegen, eine Reduktion von 29 Prozent geschafft. Hinter dieser Reduktion steht vor allem eine Umstellung der Energieproduktion weg von fossilen und hin zu nachhaltigen Quellen: Der CO2-Ausstoß in diesem Sektor fiel um 65 Prozent.

Mit dem, was schon an Plänen und Gesetzesvorlagen in den Bereichen Wohnen, Industrie und Energie angestoßen worden sei, sei man zwar auf dem richtigen Weg, meint die Regierung: Allerdings gebe es noch einen Klimagasausstoß von rund 16 Millionen Tonnen CO2, der ebenfalls verschwinden müsse. Vor allem die Sektoren Landwirtschaft und Straßenverkehr seien da noch größere Baustellen. Im Transportsektor müsse man zusätzlich rund eine Million Tonnen CO2 einsparen.

Tanken in Deutschland als Teil des Plans

KritikerInnen warfen der Regierung gleich reichlich geschönte und überoptimistische Zahlen vor. Und als der TV-Sender TV2 nachhakte und die Zahlen zum Straßenverkehr etwas genauer erklärt haben wollte, stellte sich heraus, dass ein Teil der CO2-Rechnung mit Hilfe des deutschen Nachbarlandes aufgehen soll. Man rechne damit, dass kräftig erhöhte dänische Kraftstoffsteuern dazu führen würden, dass die DänInnen zum Tanken ihrer Benzin- und Dieselfahrzeuge verstärkt auf deutsche Zapfsäulen ausweichen würden, ließ das Finanzministerium wissen. Ganze 16 Prozent der noch offenen CO2-Reduktion im Straßenverkehr wolle man so erreichen.

„Und wie helfen wir bitte dem Klima, wenn wir südlich der Grenze tanken“, fragt Tommy Ahlers, klimapolitischer Sprecher der liberalen „Venstre“? Sein Kollege Ruben Kidde von den linksliberalen „Radikalen“ empört sich über diese „kreative Buchführung“ und erinnert Klimaminister Dan Jørgensen an sein Versprechen, dass „es natürlich gar nichts bringt den Klimagasausstoß ins Ausland zu verlegen“. Man müsse „zutiefst besorgt“ sein darüber, wie ernst eine Regierung das Klimathema eigentlich nehme, wenn sie mit solcherlei Tricks arbeiten wolle, meint Mai Villadsen, Klimasprecherin der linken „Einheitsliste“.

Die Regierung habe offenbar alles mögliche zusammengekehrt, nur um eine Reduktionszahl formal abhaken zu können, kritisiert auch Brian Vad Mathiesen, Professor für Energieplanung an der Universität Aalborg: „Wir brauchen doch nicht so etwas, sondern politische Initiativen, um zu wirklichen Einsparungen zu kommen.“ Und wie tragfähig seien eigentlich derartige Rechenkunststücke, wenn Deutschland seine Spritsteuer auch und noch kräftiger erhöhen werde und deutsche Autofahrer deshalb verstärkt in Dänemark tanken würden, statt umgekehrt?

Dänemarks Klimagesetz schreibt vor, dass das Parlament über die jährliche Klimabilanz der Regierung abstimmen muss. Angesichts recht vielstimmiger Kritik an ihrem „Klimaprogramm 2020“, die sich nicht nur an der Aufforderung „Dänen, tankt in Deutschland!“ festmacht, dürfte es der Regierung von Mette Frederiksen so einfach nicht gemacht und sie vom Folketing vermutlich zum Nachsitzen verdonnert werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Der Trick, im Ausland zu tanken, hätte ja Zweifels ohne auch von Hr. Scheuer kommen können.

    • @Henning P.:

      Den gibt es schon, seit es Tankstellen gibt. Deutsche tanken auch gerne dort, wo es billiger ist (z.B. Luxemburg).