Regierung im Kosovo: Eine Polizistin wird Präsidentin
Mit der Wahl von Atifete Jahjaga wird eine Verfassungskrise beigelegt. Ihr gescheiterter Vorgänger verfügte nicht über das notwendige Quorum.
SPLIT taz | Das Parlament im Kosovo hat zur Überraschung zahlreicher Beobachter am Donnerstag die 35-jährige Polizistin Atifete Jahjaga zur neuen Präsidentin gewählt. Die Wahl war notwendig geworden, weil der am 22. Februar gewählte Bauunternehmer und Milliardär Behgjet Pacolli vom Verfassungsgericht Ende März abgesetzt wurde. Das Gericht sah in der Wahl Pacollis Verfahrensfehler, da die Opposition die Abstimmung verlassen hatte. Damit war das erforderliche Quorum nicht erreicht.
Mit der Entscheidung des Verfassungsgerichts wurde eine Verfassungskrise ausgelöst, die Ministerpräsident Hashim Thaci in eine schwierige Lage brachte. Die mühsam gebildete Koalition aus seiner "Demokratischen Partei Kosova", Vertretern von Minderheiten und Splittergruppen sowie der Partei Pacollis, AKR, drohte zu platzen. Für die Wahl der als "Polizeigeneralin" titulierten Jahjaga sprachen sich auch Teile der Opposition aus.
Die Kandidatin erhielt 80 der insgesamt 120 Stimmen im Parlament. Nur die Gruppe "Selbstbestimmung" stimmte dagegen, weil eine Kungelei der Wahl vorausgegangen sei. Jahjagas gescheiterter Vorgänger Pacolli sagte in einem Interview, die Entscheidung für die junge Frau sei in der US-Botschaft gefallen.
"Das klingt ja nach amerikanischem Zeichentrickfilm", erklärte dagegen Vizeministerpräsident Bujar Bukoshi gegenüber der taz. Der Wahl Jahjagas seien umfangreiche Beratungen vorausgegangen. "Sie ist eine gute Wahl, sie ist kompetent, hat sich als Polizeichefin bewährt", erklärte Bukoshi.
Jahjaga sagte nach der Wahl, sie sei politisch nicht festgelegt, vertrete aber die Interessen des souveränen und unabhängigen Landes. Sie wolle alle Bürger ohne Ansehen ihrer Ethnizität, Religion, Rasse oder Geschlecht gleichermaßen vertreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr