Kommentar Kosovo: Zeichen des Aufbruchs
Die neue Frau an der Spitze beweist: Alte und muslimisch geprägte Frauenbilder sind von der herrschenden politischen Klasse des Kosovos längst über Bord geworfen worden.
A uch wenn es nicht stimmen sollte, dass der US-Botschafter bei einem Treffen mit den Parteiführern des Landes einen Umschlag hervorzauberte, um dann den Namen der künftigen Präsidentin zu verkünden, die Geschichte hat ihren Charme.
Sie verweist auf den ungebrochenen Einfluss der USA im Kosovo. Und auch darauf, dass mit der Polizistin Atifete Jahjaga eine Frau Präsidentin wird, die mit der Nato-Intervention 1999 ihre Berufsausbildung erfahren hat und die als Frau in der von internationalen Institutionen geförderten Kosovo-Polizei bis zur Generalin aufsteigen konnte. Jahjaga könnte als Produkt der westlichen Intervention in dieser doch recht konservativen Gesellschaft angesehen werden.
Aber so einfach ist das natürlich nicht. Frauen haben schon in der Kosova-Befreiungsarmee gekämpft, wie die ehemalige Vizeaußenministerin. Man kann Ministerpräsident Thaci und den Seinen nachsagen, was man will: dass sie alten und muslimisch geprägten Frauenbildern anhängen, aber nicht. Junge Frauen haben die Universitäten erobert, im Ausland ausgebildete Professorinnen besetzen zunehmend den Lehrkörper. Die traditionelle Männergesellschaft Kosovos wird durcheinandergewirbelt.
ERICH RATHFELDER ist Korrespondent der taz für das ehemalige Jugoslawien. Er lebt und arbeitet im kroatischen Split.
Zu einem sich bildenden neuen Selbstverständnis in der Gesellschaft gehört auch das Verhalten des Verfassungsgerichts. Dieses hat den erst am 22. Februar gewählten Präsidenten Pacolli abgesetzt. Der Vorgang ist umso bemerkenswerter, als es sich bei Pacolli um den reichsten Albaner handelt, der seine Milliarden als Bauunternehmer in der Schweiz und im Russlandgeschäft gemacht hat.
Man kann also im Kosovo das Präsidentenamt nicht kaufen. Das ist gut so und schafft für das vor allem von serbischer Seite mit Korruptionsvorwürfen überschüttete Land Sympathie und Respekt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben