Refugee-AktivistInnen und Verbündete: „Die Bewegung ist keine heile Welt“
Aktivistin LaToya Manly-Spain kämpft gegen die Unterdrückung der Frau. Gespräch über Verbündete, weiße Privilegien, Machtverhältnisse und Solidarität.
taz: Frau Manly-Spain, wie verbinden Sie feministische Kämpfe mit antirassistischen Kämpfen?
LaToya Manly-Spain: Die Unterdrückung der Frau steht nicht allein da. Ich sehe sie als Teil der ganzen Unterdrückungen in der Männerwelt, der patriarchalen Welt. Für mich als schwarze Frau sind all diese Unterdrückungen ein Anliegen, mein Kampf ist verbunden mit dem Kampf gegen Kapitalismus, Neoliberalismus, Imperialismus. So lange das alles besteht, ist es nicht möglich, die Unterdrückung von Frauen zu beenden.
Ist es manchmal schwierig, dafür zu sorgen, dass feministische Anliegen nicht untergehen zwischen all den anderen Kämpfen?
Klar. Alles, was wir in der großen Welt sehen und bekämpfen, begegnet mir auch in der Bewegung wieder. Seien es weiße Privilegien oder ungleiche Machtverhältnisse. Die Bewegung ist keine heile Welt. Das erfordert sehr viel Selbstreflexion und es ist ein Prozess. Man muss hart arbeiten und gucken, dass man diese Strukturen nicht reproduziert.
Das hat sich auch bei der Refugee-Conference auf Kampnagel gezeigt. Aktivistinnen haben dort eine Bühne besetzt, weil sie nicht genug zu Wort kamen.
Ja, aber es war kein Eklat…
… wie die taz behauptet hatte.
Es war viel mehr ein starkes Signal. Sexismus gibt es in der Gesellschaft und in der Bewegung, da muss noch viel gegen gemacht werden. Ich fand es schön, dass die Frauen so viel Mut hatten, das zum Thema zu machen.
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. Sie ist in Sierra-Leone geboren und wohnt seit 1994 in Hamburg.
Das haben nicht alle so empfunden.
Aber alle Frauen, glaube ich. Und auch viele Männer. Die, die das nicht gut fanden, sind, glaube ich, eine Minderheit.
Was war die Kritik der Frauen?
Ein Punkt war das mit dem Women‘s Space.
Die International Conference of Refugees and Migrants fand mit 2.000 TeilnehmerInnen am vergangenen Wochenende in der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel statt. Die Frauen bekamen einen extra Bereich, einen Women's Space, zugewiesen.
Aus Protest enterten am Samstag etwa 120 Frauen die Hauptbühne und besetzten mit den Worten „Women's Space ist überall“ die Bühne. Frauen müssten überall Gehör finden, so ihre Forderung.
Ein Schutzort für Frauen auf der Konferenz, den Männer nicht betreten durften, der allerdings weit abgeschieden hinter den anderen Gebäuden auf Kampnagel lag.
Das war von UnterstützerInnen organisiert, die viel Kontakt mit Refugee-Frauen in Unterkünften haben. Die Frauen dort beschweren sich häufig, dass sie keinen geschützten Raum haben. Nur bei so einer Konferenz kommen Aktivistinnen, die seit Jahren kämpfen und die nicht woanders sein wollen als die Männer. Wir wollen im gleichen Raum agieren wie sie. Aber das ist immer ein Problem, wenn man mit kolonialen Gedanken jemandem helfen will, und nicht die Frauen selbst fragt, was sie brauchen.
Waren denn keine Refugee-Frauen dabei, als das entschieden wurde?
Nicht viele, eine oder zwei vielleicht. Ich selbst war dagegen, den Women‘s Space dort zu machen, wo er war. Ich finde, wir Frauen haben so lange gekämpft, wir wollen nicht wieder nach hinten geschoben werden. Letztlich war es dann einfach für eine andere Zielgruppe.
Wie meinen Sie das?
Es gibt eine Lücke zwischen den neu ankommenden Frauen und denen, die hier schon lange leben. Da müssen die länger hier lebenden Migranten oder anerkannten Flüchtlinge eine Brückenfunktion übernehmen, damit es nicht zu solchen Missverständnissen kommt. Das hat in dem Fall nicht so gut geklappt.
Eine Refugee-Frau sagte auf der Konferenz: „Wir wollen nicht unterstützt werden. Jeder soll seinen Kampf kämpfen, und wenn wir uns auf Augenhöhe begegnen, kämpfen wir zusammen.“ Was sagen Sie dazu?
Es gibt da verschiedene Ansichten. Die eine Seite sagt, man kann die Kämpfe nicht vermischen. Unser Kampf ist unserer und euer ist eurer. Denn wegen der ungleichen Machtverhältnisse werden die UnterstützerInnen immer dominant wirken. Gleichzeitig ist es so, dass man nicht alleine lebt. Man kann auch nicht alleine die globalen Probleme lösen. Da ist die Frage, wie Solidarität aussehen kann. Ich glaube schon, dass es möglich ist, gute Kollaborationen zu machen. Aber es braucht Ehrlichkeit und man muss am Anfang klar machen, wofür man steht. Ich sage auch lieber Verbündete als UnterstützerInnen oder Supporter.
Warum?
Supporter hört sich an, als würde jemand Hilfe brauchen, der nicht allein stehen kann. Da ist was Paternalistisches in dem Wort, was ich nicht mag.
Wie ist das bei Verbündeten?
Da ist ein Ziel, man klärt: Was ist euer Anliegen? Also, Rassismus, Klasse, Kapitalismus. Dann ist klar: Der eine kämpft für das, ich für das und zusammen sind wir stark. Mit Supportern ist manchmal nicht klar: Werden die Refugees supportet oder wird ein Kampf unterstützt?
Was ist der Unterschied?
Manchmal wird es so stark auf Personen fokussiert, dass man vergisst, um welche Sache es geht. Wenn man Refugees unterstützt, ist das eher humanitäre Hilfe. Wenn ich als Verbündete handele, habe ich bestimmte Forderungen und Richtlinien. Dann muss man gucken: Sind meine und deine Forderungen gleich? Wenn das so ist, kann etwas wie die Sache mit dem Women‘s Space nicht passieren. Aber wenn man personenbezogen arbeitet, passiert es leicht. Dann kann man sagen: Die Frauen im Camp haben sich beschwert, dass sie keinen Ort haben. Aber dann ist man wieder bei Sozialarbeit.
Wie kann Solidarität unter Verbündeten aussehen?
Wenn ich einen Kampf gegen Anti-Black-Rassismus führe, können meine Verbündeten fragen: Was brauchst du? Aber sie können nicht die Richtung bestimmen.
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