Reform für staatsfernes ZDF gescheitert: Fernsehen beschäftigt Karlsruhe
Die Ministerpräsidenten lassen ein Reformpaket für mehr Staatsferne des ZDF scheitern. Nun kündigt Rheinland-Pfalz für die SPD ein eigenes Normenkontrollverfahren an.
Am Ende war selbst Roland Koch für so etwas wie die Frauenquote, doch es hat alles nichts genützt: Die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) konnte sich gestern nicht auf einen Vorschlag von Rheinland-Pfalz (SPD) und Hessen (CDU) zur Reform des ZDF-Staatsvertrags einigen. Der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck kündigte daher an, dass das Land Rheinland-Pfalz wegen der Besetzung der Gremien beim ZDF einen Normenkontrollantrag beim Bundesverfassungsgericht (BVG) einreichen werde. Er erwarte, dass "sich diesem Antrag weitere Länder anschließen werden", sagte ein reserviert dreinblickender Beck, der auch Vorsitzender des ZDF-Verwaltungsrats ist, nach der Konferenz.
Damit ist Beck nun zu dem Schritt gezwungen, den er nach Kräften vermeiden wollte, um den grundsätzlichen Einfluss der Länder in den ZDF-Gremien und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt nicht zu riskieren. Auch das ZDF bedauerte "das Scheitern der Initiative zur Änderung des ZDF-Staatsvertrags", sagte sein Sprecher Alexander Stock. Der "sich jetzt abzeichnenden Gang nach Karlsruhe" sei aber "ein konsequenter Schritt, nachdem sich andere Lösungswege nicht ergeben" hätten.
Der Verwaltungsrat des ZDF hatte im November auf Betreiben der Unionsparteien die Verlängerung des Vertrags von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender verhindert. Drahtzieher war Hessens Ministerpräsident Roland Koch, der angeblich auch auf Betreiben der Bundeskanzlerin agierte. Seitdem wird öffentlich über Staatsferne beim ZDF diskutiert, protestierende Mitarbeiter verwahrten sich mehrfach gegen den Vorwurf, ein "Regierungssender" zu sein.
Das von Hessen und Rheinland-Pfalz für die Ministerpräsidentenkonferenz geschnürte Kompromisspaket sah eine Verkleinerung des ZDF-Fernsehrats von derzeit 77 auf 69 Mitglieder vor, hierzu sollte die Zahl der Parteienvertreter und der Vertreter des Bundes in dem Gremium deutlich reduziert werden. Der aktuell 14-köpfige Verwaltungsrat sollte um zwei Mitglieder aus dem Fernsehrat aufgestockt werden, so dass die sechs gesetzten Landesregierungsvertreter nicht mehr allein eine für wichtige Entscheidungen laut ZDF-Staatsvertrag vorgeschrieben Dreifünftelmehrheit hätten verhindern können. Zudem sah der Kompromiss vor, Muslimen und Sinti und Roma Sitze im ZDF-Fernsehrat zu geben. Außerdem sollte eine neue Gender-Regelung jeweils wechselnde Besetzungen der Fernsehratsposten durch Frauen und Männer zwingend vorschreiben.
Doch die Mehrheit der unionsregierten Länder lehnte das Paket ab. "Wir gehen davon aus, dass die ZDF-Gremien verfassungsgemäß besetzt sind", sagte Sachsen Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) nach der MPK. "Wir verschließen uns nicht der Optimierung des ZDF-Staatsvertrags." Doch das Reformpaket hätte man ohne "tiefergehende Diskussion" nicht akzeptieren können. Es sei aber eine "erhebliche Frage, ob es richtig ist, jetzt ein Normenkontrollverfahren anzustrengen", kritisierte Tillich seinen Amtskollegen Beck.
Der sorgt nun für das zweite Normenkontrollverfahren in Sachen ZDF - auch Grüne und Linke werden via Bundestag das Bundesverfassungsgericht anrufen. Die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Tabea Rößner, forderte Beck auf, sich dieser Klage anzuschließen. "Karlsruhe wird sowieso entscheiden, zwei Verfahren sind Geld- und Zeitverschwendung", so Rößner zur taz. Sie rechnet nun mit vielen Unterstützern der Klage aus SPD und CDU, die die heutige Entscheidung der Ministerpräsidenten abwarten wollten.
Beck schloss eine Gemeinschaftsklage gestern weiterhin aus. Die SPD-Klage werde sich "deutlich von der Position der Grünen unterscheiden", da er "eine gewisse öffentliche Verantwortung beim ZDF bei gleichzeitig deutlicher Rücknahme der Politik für nötig halte".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe