piwik no script img

Reform des SexualstrafrechtsBundestag ringt um „Nein heißt Nein“

Alle bekennen sich zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung. Die Koalition hat allerdings Probleme mit der Konsequenz.

Ist Po-Grapschen in Zukunft straftbar? Foto: dpa

Berlin taz | Noch bestehen gute Chancen, das Prinzip „Nein heißt Nein“ im Strafgesetzbuch zu verankern. Bei einer Bundestagsdebatte im März bekannten sich alle Fraktionen dazu – nur verstehen sie teilweise etwas anderes darunter.

Eindeutig ist die Position von Grünen und Linken. Beide Fraktionen haben eigene Gesetzentwürfe eingebracht. Danach sollen sexuelle Handlungen gegen den erkennbaren Willen des Opfers stets strafbar sein.

Auch die SPD ist für „Nein heißt Nein“ und einen „lückenlosen Schutz vor sexualisierter Gewalt“, betonte die Abgeordnete Mechthild Rawert. Zugleich erklärte der rechtspolitische Sprecher der SPD, Johannes Fechner, der Gesetzentwurf von Justizminister Maas sei „hervorragend“.

Der Minister ist in dieser Debatte die Schwachstelle der SPD. Nachdem er anfangs gar keine Lücken im geltenden Gesetz erkennen konnte, betont er nun schon seit Monaten, „Nein heißt Nein“ wäre für das deutsche Strafrecht ein so dramatischer Paradigmenwechsel, dass eine entsprechende Änderung in dieser Wahlperiode nicht mehr möglich wäre. Er verweist dabei auf eine Expertenkommission, die eine Reform des Sexualstrafrechts vorbereitet, ihren Bericht aber erst im Herbst vorstellen wird.

Die Vorfälle von Köln

Die CDU – insbesondere ihre rechtspolitische Sprecherin Elisabeth Winkelmeier-Becker – hat Maas lange Druck gemacht. Nach den Vorfällen von Köln hat der CDU-Parteivorstand sogar beschlossen: „Für den Straftatbestand muss ein klares ‚Nein‘ des Opfers ausreichen, auch wenn nicht zugleich der Tatbestand der Gewalt oder Nötigung vorliegt.“ Das war ein klares Bekenntnis zu „Nein heißt Nein“. Einen Tag später ließ Fraktionsvize Thomas Strobl allerdings via FAZ erklären, das Ganze sei „nicht wortwörtlich zu nehmen“, man habe nur eine „griffige Formulierung“ gesucht.

Ähnlich diffus argumentierte im Bundestag der CSU-Mann Alexander Hoffmann. Einerseits bekannte er sich zum Prinzip „Nein heißt Nein“. Dann aber warnte er davor, dass es bei Situationen ohne Zeugen oft zu Einstellungen und Freisprüchen kommen könnte. Die Union sei für eine gesetzliche Regelung, „die Frauen Mut macht, Anzeige zu erstatten“ – indem der übergangene Wille allein eben doch nicht genügen soll.

An einem anderen Punkt wird es aber wohl sicher noch zu einer Änderung des Regierungsentwurfs kommen. So soll das überraschende Begrapschen von Frauen, etwa an der Brust oder zwischen den Beinen, strafbar werden.

Bisher gab es hier zwei Probleme. Zum einen gelten Überraschungsakte nicht als sexuelle Nötigung, weil das Opfer gar keinen entgegenstehenden Willen äußern konnte. Diese Lücke will bereits der Regierungsentwurf schließen. Zum anderen sind bisher laut Gesetz aber nur sexuelle Handlungen „von einiger Erheblichkeit“ strafbar.

Hier will die Koalition nun ein neues Delikt einführen, das vermutlich „tätliche sexuelle Belästigung“ heißen wird. Nach den bisherigen Diskussionen würde das Delikt mit Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden. Zugleich müsste der Bundestag dann aber auch die Erheblichkeitsschwelle streichen.

Eine konkrete Formulierung für die neue Strafvorschrift soll das Justizministerium erarbeiten, das zu dieser Nachbesserung auch grundsätzlich bereit ist. Ein entsprechender Entwurf liegt bisher aber noch nicht vor.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Inwiefern diese Anpassung des Strafrechts künftig, solche Vorfälle wie in Köln verhindern helfen sollen ist mir absolut unklar! Denn die Täter haben sich ja noch nicht mal von der Tatsache, dass sie sich in einem öffentlichen Raum bewegen, ja selbst von Polizeikräften vor Ort, abhalten lassen. Was soll denn bitte bei solcher Abgebrühtheit eine Gesetzesänderung bewirken? [ironie]Wahrscheinlich würde glatt die Einführung der Vollverschleierung im öffentlichen Raum mehr bringen. [/ironie]

     

    Wer Vorfälle wie in Köln verhindern will muss die Polizeipräsenz deutlich erhöhen und die eingesetzten Kräfte entsprechend im Umgang mit solchen Situationen schulen. Es wird wahrscheinlich die Zahl der Anzeigen steigen, was sich sicherlich politisch trefflich ausschlachten lässt, indem man Erfolge aus statistischen Zahlen ableitet. Das dies kaum Stichhaltig sein dürfte interessiert Politiker ja ohnehin nicht. Aber die Situation wird kein Stück besser, wenn bei der Zahl der Sicherheitskräfte nicht nachgebessert wird.

     

    Die Begründung der Gesetzesänderung mit dem Verweis auf Köln kommt einem Alkoholverbot gleich um das Rauchen zu reduzieren. Kurz und knapp, dieses Gesetz geht am Ziel vorbei, weil es mit dem als Änderungsintention zugrunde gelegten Vorfall (Köln) rein überhaupt nichts zu tun hat. Hier hat NICHT das Strafrecht versagt, sondern der Staat in seiner Verantwortung die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten.