Reform der EU-Zollunion: Auf dem Weg in die Neuzeit
Einfacher, sicherer und vor allem digital sollen Zollangelegenheiten in der EU künftig abgewickelt werden. Eine KI soll den Handel überwachen.
„Dies ist die größte Reform seit der Gründung der Zollunion“, sagte Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni am Mittwoch in Brüssel. Der Italiener pries eine „wegweisende, datengesteuerte Vision“, die den Zoll „einfacher, intelligenter und sicherer“ machen soll. Statt wie bisher auf dem Papier sollen Waren künftig digital angemeldet werden.
Das klingt gut, hat jedoch auch Kehrseiten. So will die EU-Kommission eine neue Zollbehörde gründen, die eine EU-Zolldatenplattform steuern soll. Damit wird eine zentrale, mit „Künstlicher Intelligenz“ versehene Überwachung des Handels eingeführt, die für Klimaschutz, aber auch für Sanktionen und Strafverfolgung genutzt werden kann.
Außerdem könnten Import-Produkte im Online-Handel teurer werden. Brüssel will nämlich künftig auch auf Warensendungen im Wert von unter 150 Euro Zoll erheben, wenn sie aus Ländern außerhalb der EU kommen. Mit den neuen Abgaben auf günstige Waren will die EU-Kommission nach eigenen Angaben „Betrügern“ das Handwerk legen.
Drohendes Eigenleben
Bei bis zu 65 Prozent der Päckchen mit Ziel EU gäben die Absender den Warenwert zu niedrig an, um Importzöllen zu entgehen, erklärte die Behörde. „Uns geht es nicht darum, das Online-Shoppen teurer zu machen“, sagte Gentiloni. Der Zoll auf die Päckchen werde nur einen geringen Betrag ausmachen. Dennoch: Die Reform hat ihren Preis.
Kritiker fürchten, dass die EU eine Art „Frontex für den Zoll“ schaffen könnte – also eine neue, rigide Grenzschutzbehörde, die den Handel erschwert und verteuert. Gentiloni beteuerte zwar, es gehe nur darum, Daten mit den EU-Staaten zu teilen. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass die Digitalisierung ein Eigenleben entwickelt.
Überblick statt Flickenteppich
Rückendeckung bekommt die Kommission von den Grünen im Europaparlament. Die Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, Anna Cavazzini, begrüßte den Vorschlag. Derzeit sei das europäische Zollsystem ein Flickenteppich. Daher fehle ein Überblick, welche Waren in die EU gelangen und welche sie verlassen.
Der Vorstoß erlaube es, die Probleme des europäischen Zollsystems anzugehen, so Cavazzini. Ein gut aufgestellter Zoll sei Voraussetzung für den Green Deal und fairen Wettbewerb. „So können auch unsere neuen europäischen Regeln für entwaldungsfreie Lieferketten und gegen Produkte aus Zwangsarbeit effektiv durchgesetzt werden.“
Zustimmung kommt auch vom europäischen Verbraucherverband BEUC. Die neuen Regeln könnten dabei helfen, den Verkauf von gefährlichen Produkten über das Internet einzudämmen. Allerdings müssten die Zollbehörden in den EU-Ländern dafür auch besser ausgestattet werden. Bisher seien sie mit dem Online-Versand hoffnungslos überfordert.
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