Referendum über Verfassungsänderung: Rückschlag für Boliviens Präsident
Keine dritte Amtszeit für Evo Morales: Hochrechnungen in Bolivien sagen keine Mehrheit für eine Verfassungsreform voraus.
Wie auch immer das Ergebnis lauten wird, das Image des unschlagbaren Morales hat schon jetzt schwere Kratzer erlitten. Lange Zeit hatte es nach einem klaren Sieg der Befürworter der Verfassungsänderung ausgesehen. Nach einer Reihe von Korruptions- und Vetternwirtschaftsskandalen drehte sich der Wind. In den letzten Umfragen lagen Befürworter und Gegner mit jeweils 40 Prozent gleichauf. Das Zünglein waren die 20 Prozent der Unentschlossenen.
Als ginge es um seine Wiederwahl hatte Morales seine Landsleute gewarnt: „Die, die für das Ja sind, sind auf der Seite des Volkes. Die, die für das Nein sind, sind auf der Seite des nordamerikanischen Imperium. Ja bedeutet Nationalisierung und Industrialisierung. Nein bedeutet Privatisierung und die Auslieferung der natürlichen Ressourcen an die transnationalen Unternehmen,“ sagte er zum Abschluss seiner Kampagne und machte die Abstimmung damit ebenfalls zu einer über seine Politik.
Dabei hatte sich Evo Morales die Sache sicher einfach vorgestellt. Noch bei der letzten Präsidentschaftswahl am 12. Oktober 2014 hatte er mit über 61 Prozent der Stimmen seine dritte Präsidentschaftswahl in Folge gewonnen. Nicht zuletzt die brummende Wirtschaft hatte im zum Sieg verholfen.
Und während nahezu alle Nachbarstaaten in der Region mit wirtschaftlichen Problemen kämpfen, schreibt Bolivien seit Jahren schwarze Zahlen, wächst das Bruttoinlandsprodukt jährlich an die fünf Prozent. Bisher hat das Gas- und Erzexportland den Einbruch der Rohstoffpreise gut verkraftet.
Zuvor war Morales 2005 und 2009 ebenfalls mit großem Vorsprung siegreich. Dass er bereits zum dritten Mal in Folge das Präsidentenamt innehat, verdankt er der neuen Verfassung von 2009. Mit ihr, so die juristische Interpretation, gründete sich die Republik Bolivien als plurinationaler Staat neu und Morales zweite Amtszeit wurde als seine erste eingestuft.
Skandale und Skandälchen
Morales Erfolgsgeschichte und seiner Fortsetzung über das Jahr 2020 hinaus steht eigentlich nur die Verfassung im Weg und die sollte geändert werden, solange der Rückenwind anhielt. „Sind sie mit der Reform des Artikels 168 der politischen Verfassung des Staates dahingehend einverstanden, dass die Präsidentin oder Präsident und die Vizepräsidentin oder Vizepräsident des Staates zwei Mal in unmittelbarer Folge wiedergewählt werden können?,“ lautete die Frage, über die am Sonntag 6,5 Millionen BolivianerInnen abstimmten.
Auch wenn seine Person nicht zur Abstimmung stand, drehte sich das ganze Referendum doch ausschließlich um ihn. Und weil dem wahlkampferprobten Morales ein konkreter Gegner fehlte, richteten sich alle Skandale und Skandälchen gegen ihn und seine Partei. So warfen in den letzten Wochen die Berichte über verschwundene staatliche Gelder und Unregelmäßigkeiten bei einem indigenen Entwicklungsfonds immer wieder das Licht auf die mutmaßliche Korruption in der Regierungspartei Movimiento Al Socialismo (MAS).
So wurde bekannt, dass der Junggeselle Evo Morales 2007 Vater eines gemeinsamen Sohnes mit der damals unbekannten Gabriela Zapata hatte. Diese wurde wenig später, ohne die notwendige berufliche Qualifikation, die leitende Angestellte der bolivianischen Filiale der chinesischen Firma CAMC Engineering. Diese erhielt wiederum Aufträge im dreistelligen Millionendollarbereich vom bolivianischen Staat. Evo hatte Beziehung und Vaterschaft eingeräumt, jedoch habe er Gabriela Zapata seit Jahren nicht gesehen. Prompt tauchte ein Foto auf, das die beiden beim Karnevalfeiern im vergangenen Jahr zeigt.
Dass Morales und seine MAS ihren Zenit in der WählerInnengunst jedoch nicht erst seit Sonntag überschritten haben, zeichnete sich bereits bei den Gouverneurs- und Kommunalwahlen im März 2015 ab. Damals setzten sich in acht der zehn größten Städte die KandidatInnen der Opposition durch. Die empfindlichsten Schlappen gab es ausgerechnet in den MAS-Hochburgen La Paz und El Alto.
Doch gerade El Alto, die zweitgrößte Stadt des Landes war wenige Tage vor dem Referendum ein sprichwörtlicher Brennpunkt. Bei einer Demonstration, angeblich aufgebrachter Eltern, gegen die katastrophalen Zustände an den örtlichen Schulen, kam es im Rathaus von El Alto zu schweren Ausschreitungen. Feuer wurde gelegt; sechs Menschen kamen ums Leben. Inzwischen deutet vieles darauf hin, dass sich frühere Angestellte der Ratsverwaltung unter die ahnungslosen Eltern gemischt hatten, brutal ins Rathaus eindrangen, es verwüsteten und in Brand steckten.
Vermutet wird, dass Unterlagen und Dokumente vernichtet wurden, die die mutmaßlichen korrupten Machenschaften des vorherigen MAS-Bürgermeisters hätten belegen können. Einer von inzwischen sechs verhafteten Verdächtigen steht auch mit dem MAS eng in Verbindung. Wie viele „Ja“-Stimmen das alles gekostet haben könnte, bleibt der Spekulation überlassen. Es hat jedoch sicher dazu beigetragen, dass zahlreiche, der bis zuletzt Unentschlossen, ihr Kreuz beim „Nein“ machten.
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