Referenden in Mississippi und Ohio: Für Streikrecht und Selbstbestimmung
Zwei konservative Gesetzesinitiativen gegen Gewerkschaften und Abtreibungen werden abgelehnt. Die politische Stimmung in den USA scheint sich zu drehen.
WASHINGTON taz | Die republikanische Partei hat in zwei Bundesstaaten der USA schwere politische Rückschläge erhalten: In Ohio brachten die WählerInnen ein gewerkschaftsfeindliches Gesetz zu Fall, das Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst verunmöglichen sollte.
Mehr als tausend Kilometer weiter südlich, im konservativen Mississippi, lehnten die WählerInnen es ab, einen Fötus vom Moment der Empfängnis an als "Person" zu betrachten und damit jede Form von Schwangerschaftsabbruch - auch in Fällen von Vergewaltigung und Inzest - zu verbieten.
Für die vielfach totgesagten Gewerkschaften ist das Abstimmungsergebnis von Ohio der größte Erfolge seit Jahrzehnten. Fast zwei Drittel der WählerInnen lehnten das Gesetz "SB-5" ab.
Der erst im November gewählte republikanische Gouverneur John Kasich wollte mit dem Gesetz das Recht der mehr als 350.000 LehrerInnen, Feuerwehrleute, PolizistInnen, Krankenschwestern und anderer BeamtInnen auf kollektive Interessenvertretung radikal beschneiden, Streiks verbieten und Arbeitsgerichte abschaffen. Kasich behauptete, das Gesetz würde Steuern sparen und würde den Bundesstaat attraktiver für InvestorInnen machen.
Harold Schaitberger, Chef der Internationalen Feuerwehrgewerkschaft, nennt das Ergebnis von Ohio eine "Kehrtwende". Nach Einschätzung von GewerkschafterInnen könnte es in anderen US-Bundesstaaten, wo andere republikanische Gouverneure in den vergangenen Monaten ähnliche Gesetze wie Kasich gemacht haben, zu vergleichbaren Reaktionen kommen. In Wisconsin etwa bereitet die linke Opposition ein Abwahlverfahren vor, um den dortigen Gouverneur Scott Walker abzusetzen.
Seit Occupy neue Aufmerksamkeit
In Ohio hatten alle Gewerkschaften, zusammen mit der demokratischen Partei, eine wochenlange Kampagne gegen "SB-5" durchgeführt. Parallel dazu verschob sich im gesamten Land die Stimmung. Seit dem Beginn der Occupy-Bewegung Mitte September in New York genießen die Themen von sozialer Ungerechtigkeit, die zuvor völlig aus der Debatte verschwunden waren, wachsende Aufmerksamkeit.
Überraschender ist der Wahlausgang im tiefen Süden. In dem Bundesstaat, wo Politik und Religion besonders eng verzahnt sind, hatten sämtliche Meinungsumfragen einen Sieg der LebensschützerInnen vorausgesagt. Doch 55 Prozent der WählerInnen lehnten "Initiative 26" ab.
Sie beinhaltet, dass eine menschliche Eizelle vom Moment der Befruchtung an eine "Person" sei und dass sie von diesem Moment an sämtliche Rechte einer Person habe. Ziel des Referendums war es, Abtreibung zu verbieten. Zugleich richtete sich die Initiative gegen Abtreibungspillen sowie alle möglichen Verfahren zur künstlichen Befruchtung.
"Die Botschaft von Mississippi ist klar", sagt Nancy Keenan, die Chefin von Pro-Choice America, "ein Gesetz, das Politikern erlaubt, tiefer in private und medizinische Entscheidungen einzugreifen, inklusive in das Recht jeder Frau, eine sichere und legale Abtreibung zu wählen, ist inakzeptabel."
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