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RedewendungenEinige meiner besten Freunde sind fein mit dem Wort „lecker“

Wenn der Herzensmensch bei Wohlfühltee Allergiepickel kriegt, sollte man die Wortwahl überdenken. Ein Plädoyer gegen bekloppte Kommunikationshülsen.

‚Wohlfühltee‘?!? (Keine Angst, die Fliege hat überlebt)

A nlässlich einer Diskussion darüber, wer welche Wörter oder Redewendungen nicht ausstehen kann, fragte ich mich, was denn mir selbst „so richtig auf den Wecker geht“, um hier bereits die erste Redensart zu nennen. Zum Beispiel das meist von Jüngeren verwendete „Ich bin fein damit“. Damit bin ich ums Verrecken nicht fein, weil: Das ist kein Deutsch.

Doch was triggert mich daran bloß derart wutbürgerhaft: Sind es Ageismus und unterbewusst verwurzelte Misogynie, dieselbe, die auch dazu führt, dass ich von jener Frauenstimme, die die Berliner Yorck-Kino-­Werbung spricht („… weirde Filme, cute Filme, ach, schau doch einfach alle Filme …“) mittlerweile krasse Allergiepickel bekomme? Denn, „Hand aufs Herz“, was ist so schlimm daran, dass irgendwas kein Deutsch ist? Ist doch gut, weil es ja sonst bedeuten würde, dass Hitler gewonnen hätte.

Auch deshalb habe ich im Grunde gar nichts gegen Anglizismen, „im Gegenteil, einige meiner besten Freunde sind …“, hahaha, auch so eine bekloppte Kommunikationshülse. Erstaunlich viele Leute cringen extrem auf das Wort „lecker“. Früher war bei uns zu Hause das Wort tabu, weil auch meine Mutter es verabscheut. „Lecker“ ist für sie und ihresgleichen mit schon fast pestbeulenartiger Gänsehaut verbunden, so als hätte jemand vor ihnen mit langen Fingernägeln auf einer Tafel gekratzt oder am rauen Parkastoff geleckt.

Dieser Effekt stellt sich wiederum bei mir angesichts des Satzes ein: „Ich wünsche meinem Herzensmenschen eine traumschöne Zeit.“ Wer „Herzensmensch“ sagt, trinkt auch „Wohlfühltee“ oder entführt Gesundheitsminister. So jemand ist nicht zu trauen. Pathos ist bombastbeladener Gefühlsersatz für Leute, die als sensibel gelten wollen, ohne es zu sein.

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Davon geht mir doch „das Messer in der Tasche auf“, übrigens ebenfalls ein Ausdruck, der so bescheuert ist, dass ich verstehen würde, dass anderen da das Messer in der Tasche aufgeht. Denn wenn einem das Messer in der Tasche aufgeht, ist das – ein weiterer schlimmer Halbsatz – „ein klassisches Eigentor“: Es drohen Verstümmelungen im Genitalbereich bis hin zur Kastration, sodass wir auf einmal völlig andere Sorgen hätten als kleinmütiges Nölen über Wörter, die wir nicht lecker finden. Das wird uns dann „ganz sicher eine Lehre sein“.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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9 Kommentare

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  • Im Niederländischen besitzt "lekker" eine deutlich umfassendere Bedeutung. Nach der Montage des neuen Spülkastens über meinem Klo meinte der Installateur zu mir "jetzt kannst du wieder lekker pupen". Recht hatte er, auch wenn ich lecker bisher immer mit einer anderen Körperöffnung assoziiert hatte.

  • "weil: Das ist kein Deutsch" ?



    Wie wäre es mit: weil das kein Deutsch ist oder denn das ist kein Deutsch?



    Die Kombination von "Sinn" und "machen" treibt mir des Zornes Röte auf die Wangen.

  • „Lecker“? Gerne!

  • Ich sag nur Waldbaden

  • Das hab ich ja in 54 Jahren nicht gehört, dass jemand ein Problem mit dem Wort "Lecker" hat! Sachen gibt's! :-D

  • Meine aktuell persönliche Augenpest beim Lesen ist die gerade so populäre Phrase von einer als irgendwas ´gelesenen´ Person. Das korrekte Wort ist ´wahrgenommene´ ! Zeitungen und Eingeweide kann man Lesen, Leute nimmt man wahr.



    Auch das pathologische Verwenden von Anglizismen, die dann jedes mal erklärt werden müssen, weil nicht selbsterklärend, ist grausig, obwohl das Deutsche ja eine perfekte Selbsterklärendwortbildungsfähigkeitssprache ist. Mir scheint dass das Englische benutz wird um einen deppert klingenden Begriff ´hype´ klingen zu lassen.



    Aber dumbblabbering wäre ´ein zu weites Feld´

  • Dem Autor sei in vielem zugestimmt, und das Sprachgefühl seiner Mutter sei gepriesen. "Lecker" finde ich auch schlimm, und auch die Assoziationen dazu stimmen.



    Ergänzend seien noch die "verkrusteten Strukturen" genannt. Die einzig sinnvolle Verwendung des Ausdrucks ist wohl, wenn man "beim Italiener" (grenzwertig!) bestellt: "Einmal lecker Lasagne bitte, aber oben mit verkrusteter Struktur!"



    Und eine neue und furchtbare Sprachpest ist es, die Antwort auf eine sogenannte offene Frage mit "Genau!" zu beginnen. Oft z.B. in Radiointerviews zu hören. "Wozu ist das gut?" - "Genau! [...]" -- Sollte man einer solcherart eingeleiteten Antwort grundsätzlich mit Zweifel begegnen? "Genau!"

  • Der Artikel und die ganze Serie ist fein!

    Darauf ein dreifach kräftiges: "Weiter so!"

  • "Lecker" weckt einfach durch seine Phonetik die Assoziation, dass man das gelungene Mahl goutiert, in dem man durch besonders feuchte Aussprache von ganz hinten im Hals darauf auswirft.