Neue Sprache, neue Medien, neuer Quatsch: Safe voll schwänz!

Meine alten Eltern haben Probleme mit Anglizismen und Podcasts, ich mit Abkürzungen und Listen. Und jetzt? LMAA?

Ein Mann steht neben einer Bank mit der Aufschrift "LOL".

Kommunikation auf der Frankfurter Buchmesse: Dort war man schon 2013 am Puls der Zeit Foto: dpa | Daniel Reinhardt

Einer der Lieblingsaufreger meines Vaters sind überflüssige Anglizismen. Er hat in der Schule in den 50er Jahren kein Englisch gelernt und es sich erstaunlicherweise – im Gegensatz zu den meisten anderen seiner vielen Fähigkeiten – nicht später selbst angeeignet.

Von den Theaterstücken im Schauspielhaus oder von seiner Tageszeitung fühlt er sich mittlerweile dauerdiskriminiert. Sein Problem sind nicht Wörter wie Team oder Job, meine Eltern sagen auch selbst zappen, weil es seit dem Kabelfernsehzeitalter wirklich etwas anderes bedeutet als umschalten. Aber durch die inflationäre Verwendung von Begriffen, die wir genauso gut in unserer eigenen Sprache sagen könnten, wie Meeting, Screen oder Body, klingt es auf Englisch wohl einfach cooler.

Meine Mutter fragte mich neulich, was eigentlich Podcast bedeutet. Seit Jahrzehnten hört sie dieselben Radioprogramme, entweder live (ein praktischer Anglizismus) oder aus der Mediathek. Doch seit einiger Zeit gibt es keine Sendungen mehr – jetzt ist alles Podcast. Ich fürchte, falls sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk damit bei jungen Hörern anbiedern möchte, kann er sich die Mühe sparen.

Bei seinen Enkelkindern stört es meinen Papa glücklicherweise nicht, wenn sie etwa das schöne deutsche „abkacken“ durch das Denglische „ablosen“ ersetzen. Doch wenn er in seiner Übersetzungs-App „stalk“ eingibt und ihm als deutsches Wort dafür „stalken“ angezeigt wird, flippt er aus.

Interessant, dass wir die Sehnsucht haben, alle Fragen in überschaubaren Listen abzuarbeiten

Erst bei Unterhaltungen mit meinen Eltern merke ich, wie viele englische Wörter ich selbst ständig in meine Sprache einwurste. Trotz leidlicher Englischkenntnisse komme ich bei der Bedeutung der vielen neuen Anglizismen selbst überhaupt nicht hinterher und bei den Abkürzungen bin ich ohnehin raus. Wenn ich endlich kapiert habe, dass „ASAP“ „as soon as possible“, also auf Norddeutsch „fix“ bedeutet (was kürzer ist als die Abkürzung), schreibt der nächste schon LMK unter seine Nachrichten, was „let me know“ bedeuten soll, also: „Sach’ an“.

Am liebsten würde ich dann mit der einzigen mir aus Kindertagen bekannten Abkürzung kontern: LMAA! (Kleiner Tipp: Es steht nicht für „London Maritime Arbitrators Association“). Funfact (ein großartig furchtbarer Ausdruck): Neulich wollte ich etwas wie „Die 10 safe wichtigsten Englischen Abkürzungen, die Du unbedingt kennen musst“ lesen und bei Punkt 1 stand: RSVP, von „répondez s’il vous plaît “ (um Antwort wird gebeten) – ha, ha.

Das ist überhaupt auch so eine behämmerte Mode, in Überschriften ständig eine Liste unentbehrlicher Hacks (Argh!) anzukündigen. Ich klicke auf nichts mehr mit Zahlen im Titel. Beim letzten Mal, als ich eine Liste mit fünf vermeintlich genialen Tricks geöffnet habe, wie man irgendwas im Wald findet (Zunderschwamm oder Kienspan oder so ein Hippiegedöns), stand auf Punkt 1, dass ich mir die Zeit nehmen solle, in die Natur zu gehen, und bei Punkt 2, dass ich dabei sehr achtsam sein müsse, und Punkt 3 lautete, dass ich Geduld bräuchte. Meine Geduld mit dem Artikel war da aber schon vorbei.

Interessant, dass wir einerseits die Sehnsucht haben, alle Fragen in überschaubaren Listen mit 5 bis 20 Punkten abzuarbeiten und es andererseits einen Markt gibt für unzählige Podcasts, in denen Leute stundenlang herumlabern. Am Schlimmsten finde ich, wenn es gleich mehrere Hosts gibt (Gastgeber zu sagen, wäre lame), die sich Gesprächspartner einladen, trotzdem die ganze Zeit von sich selbst reden, und denen ich dann noch beim Essen zuhören soll.

Das finde ich dann „schwänz“ (um es mal in der aktuellen Jugendsprache unserer Tochter auszudrücken). Wie „schwänz“ geschrieben wird und ob es sich dabei um einen „Deutschlicism“ handelt, der vielleicht auch noch männerfeindlich ist, weiß ich übrigens nicht zu sagen. Das wäre dann aber immerhin mal was Neues.

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Geboren 1973 in Hamburg. Seit sie Kinder hat schreibt die Bilderbuchillustratorin hauptsächlich Einkaufszettel und Kolumnen. Unter dem Titel „Die schwer mehrfach normale Familie“ erzählt sie in der taz von Ihrem Alltag mit einem behinderten und einem unbehinderten Kind. Im Verlag Freies Geistesleben erschienen von ihr die Kolumnensammlungen „Willis Welt“ und „Wo ein Willi ist, ist auch ein Weg“. Ihr neuestes Buch ist das Kindersachbuch „Wie krank ist das denn?!“, toll auch für alle Erwachsenen, die gern mal von anderen ätzenden Krankheiten lesen möchten, als immer nur Corona. Birte Müller ist engagierte Netzpassivistin, darum erfahren Sie nur wenig mehr über sie auf ihrer veralteten Website: www.illuland.de

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