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Redefreiheit an Hamburger UniHeimspiel für Lindner

Der FDP-Bundesvorsitzende durfte nicht in der Uni Hamburg sprechen und wirbt jetzt vor der Tür für eine bessere Debattenkultur.

Politiker mit Fangemeinde: Christian Lindner spricht vor den Toren der Uni Hamburg Foto: dpa

Hamburg taz | Christian Lindner scheint keine Hassfigur zu sein. Als der FDP-Bundesvorsitzende am Montag vor der Hamburger Universität spricht, um die Freiheit der Rede zu retten, regt sich weit und breit kein Protest gegen den Repräsentanten der „Partei der Besserverdienenden“.

Lediglich ein junger Mann im schenkellangen groben Wollpullover sticht aus der Menge heraus und stellt sachlich eine Frage. Ein Streifenwagen mit zwei Polizisten ist für die Rede abgestellt. Einer findet die Zeit, eine Frau zu belehren, die ihm auf dem Bürgersteig entgegenradelt.

Mit seiner Rede auf der Schlüterstraße hinter dem Philturm protestiert Lindner gegen ein Auftrittsverbot an der Hochschule selbst. Die Univerwaltung hatte eine Diskussion mit Lindner untersagt, zu der die Liberale Hochschulgruppe (LHG) eingeladen hatte. Sie tat das unter Verweis auf ihre Raumvergabebestimmungen, die Veranstaltungen mit „parteipolitischer Ausrichtung“ ausschlössen.

Dabei hatte Juso-Chef Kevin Kühnert im Januar an der Uni gesprochen und Sarah Wagenknecht von der Bundestagsfraktion der Linken Mitte Oktober. Lindner sieht eine ungerechte Behandlung seiner selbst und seiner Liberalen und befürchtet, dass die politische Mitte zwischen den Hasstiraden der extremen Rechten und den Korrektheitsansprüchen der radikalen Linken zerrieben werde.

Lindner verteidigt Luckes Meinungsfreiheit

Und er sorgt sich um das Meinungsklima an der Universität. Den AfD-Gründer und Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, der zuletzt unter Polizeischutz las, habe er als Politiker stets bekämpft. Andere Meinungen auszuhalten, gehöre aber zum demokratischen Prozess. „Als Liberaler würde ich meine gesamte politische Existenz einsetzen, damit dieser Mensch seine falsche Meinung sagen darf“, beteuert Lindner.

Womit er ein Problem habe, sei das Mundtotmachen – sei es durch hasserfüllte Shitstorms im Internet, sei es durch das bewusste Missverstehen von Äußerungen, wie es etwa den Grünen-Vorsitzenden zum Rückzug von Twitter bewogen habe. Der FDP-Vorsitzende plädiert für „das Bemühen um ein interpretatorisches Wohlwollen“, um sich anschließend aber auch dagegen zu wenden, dass die Grenzen des Sagbaren immer weiter ausgedehnt würden, wie es das Geschäftsmodell etwa der AfD sei.

Lindner sieht sich nach seiner Rede vor etwa 200 bis 300 Leuten von Fans umringt, hauptsächlich jungen Männern, die sich Arm in Arm mit ihm fotografieren lassen. „Eine inspirierende Rede, vielen Dank, dass Sie hier sind“, sagt einer.

Lindner spricht Angesicht zu Angesicht über den Klimawandel und neue Technologien und schlägt vor, mit Lucke wissenschaftlich zu diskutieren. Dabei bekennt der FDP-Bundesvorsitzende: „Ich würde seine makroökonomischen Vorstellungen nicht teilen.“

Mandatsträger sollen sprechen dürfen

Wie zuvor ihr Bundesvorsitzender empfiehlt die ebenfalls anwesende Fraktionsvorsitzende der FDP in der Bürgerschaft, Anna von Treuenfels-Frowein, der Universität, ihre Richtlinien für die Raumvergabe zu verändern. Es müsse möglich sein, dass politische Mandatsträger, also gewählte Volksvertreter, mit den Studierenden über ihre politischen Vorstellungen diskutieren. Dabei müsse für alle Parteien das Gleiche gelten.

Jonas Bayer von der Liberalen Hochschulgruppe sagt, schon vor zwei Jahren habe die Univerwaltung eine Veranstaltung mit Lindner untersagt, als noch eine liberalere Raumvergaberichtlinie galt. Er warte noch auf die Einsicht der Hochschulverwaltung.

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4 Kommentare

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  • Roland Schaeffer , Autor*in ,

    Das ist schon schade, dass die Taz mit mehreren Wochen Verspätung eine parteipolitische Aktion aus parteipolitischer Sicht kommentiert, ohne die Hintergründe darzustellen und die Argumente der anderen Seite zu benenen. Denn natürlich verbieten die Richtlinien der Uni Hamburg nicht den Auftritt von Parteipolitikern im Rahmen von wissenschaftlichen Veranstaltungen, sondern die Nutzung der Räume für die Durchführung von Parteiveranstaltungen. Das ist der Grund, aus dem Kühnert oder Wagenknecht sprechen durften - der FDP-Wunsch nach kostenloser Raumnutzung aber abgelehnt wurde..Im übrigen wurde das Thema in Rahmen einer Bundestagsdebatte über Meinungsfreiheit behandelt, der FDP-Sprecher, Herr Kubicki, verzichtet dabei darauf, den Vorgang in Hamburg auch nur zu erwähnen. Wenn alle Parteien alle Uniräume künftig kostenlos für ihre Parteiveranstaltungen nutzen könnten, wie Herr Lindner (und nicht einmal die FDP) das offenbar fordert, sparen sie viel Geld. Nur haben wir dann eine andere Universität.

  • 0G
    08088 (Profil gelöscht)

    Sinnvoller als, dass alle Mandatsträger sprechen dürfen wäre es, wenn keiner zu politisichen Themen sprechen dürfte. Dies sollte auch für keine Mandatsträger gelten.

    Leider schafft es die Uni Hamburg nicht dies umzusetzen und lädt den Enteignungsbefürworter (politisches Thema) dazu ein, Wahlkampf für seine Ideen zu machen.

    • @08088 (Profil gelöscht):

      Den politischen Wettstreit aus der Uni zu verbannen ist eine Utopie, auf deren Umsetzung man keine Sekunde verschwenden sollte. Die Verlockung, die unvermeidliche eigene Meinung auch aktiv und effektiv zu vertreten, ist viel zu stark, um sie mit Verboten bekämpfen zu wollen. Und Verbote, die eh keine durchgreifende Wirkung haben, wirken meist unfair. Denn am Ende ist es eine Machtfrage, zu wessen Gunsten sie umgangen werden.

      Insoweit hilft wohl Offenheit am Ehesten.

  • Die Antidemokratische Uni in Hamburg sollte SOFORT geschlossen werden. Alle Excellenzgelder ersatzlos streichen.