Recycling: Klopapier lieber blütenweiß
Die Deutschen sind Weltmeister im Sammeln von Altpapier, aber sie kaufen es nicht. Das liegt auch an irreführender Werbung, mahnen Verbraucherschützer.
Das Supermarktregal mit Toilettenpapier verspricht mehr als nur mehrlagige Hygiene. Frösche, Blumen und die verschiedensten Bäume machen umweltbewussten Kunden ein gutes Gewissen. Doch oft wird der Kunde so in die Irre geführt, sagt Michael Söffge von der Initiative Pro Recyclingpapier. Die aggressive Werbung verdecke, dass viele Produkte wichtige ökologische Standards nicht einhielten.
"Gerade Büropapiere werden unter dem Deckmantel 'Recyclingpapier' verkauft, sind aber eigentlich Frischfaserpapiere", sagte Söffge am Freitag vor Journalisten in Berlin. Es würden lediglich die Reste anderer Papierproduktionen verarbeitet, mit Recycling aber habe das nichts zu tun. Daher rät er Verbrauchern, auf den Blauen Engel zu achten: Wo der drauf ist, ist 100 Prozent Altpapier drin.
Das staatliche Umweltlabel stellt die höchsten ökologischen Ansprüche. Allerdings hat der 29 Jahre alte Blaue Engel mittlerweile ein Imageproblem. Vielen Unternehmen, die mit ihm werben könnten, ist das Label offensichtlich zu piefig: "Die bauen sich dann lieber einen Baum", sagt Gerd Billen, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband.
Das ist ein Problem. Denn ohne eindeutige Kennzeichnung können sich die Verbraucher nicht umweltbewusst verhalten. Und das hat Folgen: Die Deutschen, die pro Kopf 200 Kilogramm Papier pro Jahr verbrauchen, nutzen noch immer erstaunlich wenig Recyclingpapier. Beim Büropapier ist der Anteil in den vergangenen sieben Jahren zwar um 4 Prozentpunkte gestiegen, insgesamt liegt die Quote aber nur bei 12 Prozent.
Dabei müsste die aktuelle Klimadebatte dem Recycling von Papier eigentlich Auftrieb geben. Es schützt die tropischen Wälder, denn jeder fünfte Tropenbaum landet in der Papiermühle. Außerdem benötigt die Produktion von Recyclingpapier nur halb so viel Strom wie die von konventionellem Papier. An Wasser werden sogar rund 66 Prozent gespart. Die Qualität des früher grauen Recyclingpapiers steht mittlerweile der von Frischfaserpapier in nichts nach.
Dennoch: Die Deutschen sind zwar Weltmeister im Altpapiersammeln, aber sie kaufen es nicht. Dabei schont das umweltfreundliche Papier sogar den Geldbeutel: Laut Söffge ist es 5 bis 10 Prozent billiger als Frischfaserpapier.
Gerade für Unternehmen und Behörden könnte sich der Umstieg daher auch finanziell lohnen. Die Berliner Verwaltung hat ihren Verbrauch bereits zu 94 Prozent auf recyceltes Papier umgestellt. Das spart 20 Millionen Kilowattstunden pro Jahr ein. Das entspricht einem Jahresverbrauch von 6.000 Vierpersonenhaushalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“