Rechtsterroristische „Gruppe S.“: Großgermanen bekommen Haftstrafen
Die rechtsextreme „Gruppe S.“ sinnierte über Anschläge und wollte einen Bürgerkrieg. Nur Gerede, sagen die Verteidiger. Das Gericht sieht es anders.
Seit April 2021 – 173 Prozesstage lang – war über diesen Vorwurf verhandelt worden. Das Verfahren hatte sich wegen der Coronapandemie und der breiten Tatvorwürfe gezogen: 132 Zeugen wurden befragt, gut 210 Mitschnitte von überwachten Telefonaten angehört, 600 Anträge abgearbeitet.
Schon im Februar 2020 hatte die Bundesanwaltschaft die „Gruppe S.“ festnehmen lassen, benannt nach ihrem Anführer Werner S., einem Trödelhändler aus einem Dorf bei Augsburg. Mit Gleichgesinnten hatte sich der 57-Jährige zunächst über Chatgruppen vernetzt, die für Germanen schwärmten und die Aufnahme von Geflüchteten und Muslimen stoppen wollten. Auf Treffen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen wurde dann über Attentate auf Moscheen, Geflüchtete oder Grünen-Politiker wie Robert Habeck sinniert – um damit einen Bürgerkrieg auszulösen. Bis zu sieben Jahre Haft hatten die Ankläger dafür gefordert.
Die mehr als 25 Verteidiger dagegen hielten die Angeklagten für „Sprüche klopfende Wichtigtuer“ und hatten beklagt, dass ihnen Akten vorenthalten würden. Sie forderten, bis auf eine Ausnahme, Freisprüche.
Waffen wurden schon bestellt
Die „Sprücheklopfer“ aber waren in der rechtsextremen Szene gut vernetzt, wie das Gericht betonte: Sie bewegten sich in der Bürgerwehr- und Kameradschaftsszene, in Gruppen wie „Freikorps Heimatschutz“ und „Vikings Security Germania“, hatten teils Führungspositionen inne. Und die Gruppe war bereits auf der Suche nach Waffen, hatte über Kontakte eine Kalaschnikow und drei „Slamguns“, selbstgebaute Gewehre, bestellt. Bei den Festnahmen wurden eine halbautomatische Schusswaffe und eine „Slamgun“ gefunden.
Das Gericht verwies auch auf ein Treffen in Minden, wo über Angriffe auf konkrete Moscheen und Waffenbestellungen gesprochen wurde und wer sich an Aktionen beteiligen werde. Dies zeige, wie ernst es den Angeklagten mit ihren Anschlagsplänen gewesen sei. Die höchste Strafe, sechs Jahre Haft, erhielt Anführer Werner S.
Unter den Verurteilten ist auch ein Polizeiverwaltungsmitarbeiter, der wegen Unterstützung der Gruppe nun eine Strafe von zwei Jahren und neun Monaten erhielt. Bei seiner Festnahme war die Polizei auf NS-Devotionalien gestoßen. Er und vier weitere Angeklagte waren bereits zuletzt haftverschont worden. Ein weiterer Beschuldigter war bereits in Haft verstorben, ein zweiter im Laufe des Prozesses.
Ein Informant verriet die Gruppe
Aufgeflogen war die Gruppe durch einen Mann aus den eigenen Reihen, Paul-Ludwig U., ein Mann mit Gefängnis- und Drogenerfahrung, der beständig das LKA Baden-Württemberg informierte. Er war von Beginn an haftverschont und erhielt nun einen Freispruch. Seine Aussagen seien „entscheidend“ für die Festnahmen gewesen, so das Gericht. Die Verteidiger hatten Paul-Ludwig U. dagegen vorgeworfen, unglaubwürdig zu sein und die anderen angestachelt zu haben. Das Gericht betonte, dass dieser aus freiem Antrieb handelte und nicht von der Polizei gesteuert worden sei. Auch wies es zurück, dass den Verteidigern Akten vorenthalten wurden.
Und die „Gruppe S.“ ist nicht allein. In Koblenz stehen momentan vier Männer und eine Frau aus der Reichsbürgerszene vor Gericht, die als „Vereinte Patrioten“ ebenfalls einen Umsturz und eine Entführung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben sollen. Erst zuletzt hatte es hier Razzien und Festnahmen von fünf weiteren Beschuldigten gegeben.
Zudem stehen die Anklagen gegen die Reichsbürger um den Frankfurter Heinrich XIII. Prinz Reuß bevor. Auch sie sollen einen Umsturz und die Gründung von „Heimatschutzkompanien“ geplant haben. 27 Beschuldigte wurden vor einem Jahr festgenommen, fast 400 Schusswaffen wurden gefunden. Wegen der Größe der Gruppe wird es hier wohl gleich mehrere Prozesse geben. Im Gespräch ist neben den Oberlandesgerichten Frankfurt/Main und München auch erneut das Gericht in Stuttgart.
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