piwik no script img

Rechtsstreit um Fandaten in HannoverGewaltbereitschaft färbt ab

Niedersachsens Polizei hat ohne Rechtsgrundlage Daten von über tausend Fußballfans gesammelt, die nichts verbrochen haben.

Alles geht vorbei – nur nicht die Datensammelwut der Polizei? Foto: dpa

Bremen taz | Name, Spitzname, Geburtsdatum, Familienstand, Arbeitgeber, Fotos, KFZ-Kennzeichen, Bezugsverein, Fangruppenzugehörigkeit – all dies sind Daten, die die Polizei heimlich über einen weiblichen Fußballfan gesammelt hat. Und das, obwohl die Anhängerin von Hannover 96 nie strafrechtlich in Erscheinung getreten ist.

Die Erhebung dieser Daten ist derzeit Gegenstand eines grundsätzlichen Rechtsstreits vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg. Ursprünglich sollten die Richter bereits am Donnerstag ein Urteil fällen. Nun sollen laut Gericht zu einem konkreten aufgenommenen Vorfall Zeugen gehört werden. Ein Fortsetzungstermin ist noch nicht angesetzt.

Die Frau hatte gegen die Erhebung geklagt und einen Löschungsantrag gestellt. In erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Hannover wurde ihr nur teilweise recht gegeben, einige der Daten musste die Polizei wieder löschen.

Zufällig aufgeflogen

In dem jetzigen Revisionsverfahren geht es grundsätzlich darum, ob die Polizei Daten von Fußballfans speichern darf, nur weil sogenannte szenekundige Beamte (SKB) die Personen dem gewaltbereiten Spek­trum zurechnen. Etwa weil wie im Falle der Klägerin ihre Personalien bei einer Kontrolle festgestellt wurden oder weil sie bei einem Fußballspiel jemanden begleitet haben oder mit einer Person in Kontakt standen, die als Gewalttäter gilt. Fan-Sippenhaft am Würstchenstand quasi.

Laut Andreas Hüttl, dem Rechtsanwalt der 96-Anhängerin, war nur zufällig im Rahmen eines anderes Verfahrens überhaupt bekannt geworden, dass die Polizei Niedersachsen eine solche SKB-Datei führt. Es war unklar, woher die Polizei Informationen über die Angeklagte hatte. Nach einer erfolglosen Anfrage an den Datenschutzbeauftragten in Niedersachsen stellte sich heraus, dass die Polizei in Niedersachsen seit 2005 heimlich und systematisch Daten über mindestens 1.159 Fußballfans gesammelt hatte. Nicht alle waren strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Ein offenes Ohr für Fans

Anfragen in den Parlamenten anderer Länder hatten infolgedessen ergeben, dass auch dort gesammelt wurde. Bundesweit sind Fußballfans aus mindestens elf Ländern betroffen, darunter auch 246 Personen aus Schleswig-Holstein und 2.170 Fans aus Hamburg. Dort wurden mittlerweile die laut dem dortigen Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar rechtswidrig erhobenen Daten von 900 Personen wieder gelöscht – in Niedersachsen nicht.

Michael Gabriel von der Koordinationsstelle für Fanprojekte (KOS), sagt: „Für die Fans ist es eine Bestätigung, dass man der Polizei nicht trauen kann.“ Die szenekundigen Beamten seien innnerhalb der Polizeistrukturen diejenigen, die den Kontakt zur Szene suchten und am ehesten ein Ohr für die Fans hätten – „genau aus dieser Struktur sind im geheimen Daten gesammelt worden“.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Die Folgen derartiger Datensammelei auch über Unschuldige unterliegen den gleichen Mechanismen wie gewisse Methoden bei der Bonitätsbewertung, bei denen die Kreditwürdigkeit von jemandem nur deshalb herabgestuft wird, weil andere Mieter im Haus Besuch vom Gerichtsvollzieher bekamen.

     

    Doch nicht nur mit der Polizei, sondern auch mit so ziemlich allen anderen Bereichen verhält es sich wie mit einem Picknick im Freien: Wenn auch nur ein Vogel etwas in den Kartoffelsalat fallen läßt, dann verlangt niemand mehr nach einem Nachschlag.