Rechtsradikale in der Ukraine: Klare Kampfansage

Nach dem Überfall auf eine Bar in Kiew protestieren Jugendliche gegen rechte Gewalt. Der Angriff ist nur einer von vielen.

Ein angekokeltes Regenbogenfähnchen liegt auf de rStraße.

Die LGBTQ-Community in Kiew wird regelmäßig von Rechten angegriffen, hier bei der Gay Pride 2019 Foto: Sergei Chuzavkov/Zuma Press/imago

KIEW taz | Mit Plakaten wie „Stoppt den rechten Terror“ und „we dance together, we fight together“ haben über 200 Menschen am Montag Abend in der ukrainischen Hauptstadt Kiew gegen zunehmende rechte Gewalt protestiert. Die vorwiegend jugendlichen Demonstrierenden forderten eine Aufklärung des Überfalls auf die Bar „Chwyljovyj“ im Kiewer Stadtteil Podil.

Am vergangenen Freitag Abend hatten zwanzig Rechtsradikale versucht, in die Bar einzudringen, weil diese angeblich ein Treffpunkt von Drogensüchtigen und Angehörigen der LGBTQ-Community sei. Dank einer beherzten Verteidigung des Wachpersonals konnte das Eindringen verhindert werden.

Die anschließende Belagerung der Bar durch die Rechtsradikalen wurde für die Bar­be­su­che­r:in­nen indes zu einem traumatisierenden Erlebnis, als diese mit Steinen und Brandsätzen auf die Fenster warfen. Nach Angaben des ukrainischen Dienstes von BBC seien unter den knapp 20 Gästen auch drei DJs aus Berlin gewesen. Die Belagerer hätten auch Sätze wie „White Power“ und „Tod den Päderasten“ gebrüllt.

Die meisten Be­su­che­r:in­nen hatten sich auf die Toiletten zurückgezogen, um dem Gas, das Angreifer wie Verteidiger eingesetzt hatten, zu entkommen. Als die Polizei 15 Minuten nach dem Anruf am Ort des Geschehens eintraf, waren die Angreifer verschwunden. Trotzdem wurden an diesem Abend 12 Verdächtige vorübergehend festgenommen. Gegen sie wird jetzt wegen „Rowdytums“ ermittelt.

Konkrete Taten

Bei der Demonstration am Montag Abend berichtete der Besitzer der Bar „Chwyljovyj“, die Polizei habe mit ihm Kontakt aufgenommen und ihrer Besorgnis Ausdruck verliehen. „Aber uns reicht ihre Besorgnis nicht“ erklärte er auf der Versammlung. „Wir wollen konkrete Taten sehen.“

Der Überfall am Freitag, so berichtet das ukrainische Portal graty.me, reihe sich ein in eine Serie von Angriffen und Beschimpfungen, die einige Bars, in denen sich die LGBT-Szene gerne trifft, seit Monaten ertragen müssten. Mit einem „Kreuzzug gegen Drogennester“ wollten rechtsradikale Gruppierungen den Kiewer Stadtteil Podil „säubern“.

Auf Twitter verurteilte die deutsche Botschafterin in Kiew, Anka Feldhusen, am Dienstag Abend den Überfall „der rechten Extremisten“ auf die Bar. Nun sei es an den Behörden, so Feldhusen, den Fall unverzüglich aufzuklären.

Einer, der die rechte Szene schon seit geraumer Zeit beobachtet, ist Sergey Movchan, Koordinator des Projektes violence-marker.org.ua. Für ihn ist die Reaktion der staatlichen Behörden auf diese Gewalt völlig unzureichend. „Offiziell spricht man nicht von rechter Gewalt, weil man ja nicht der russischen Propaganda in die Hände spielen will.“ Leite die Polizei ein Verfahren ein, werde kaum ermittelt. Wenn Rechtsradikale, was selten der Fall sei, verurteilt würden, erhielten sie meist Bewährungsstrafen wegen weniger schwerer Vorwürfen wie Rodwdytums. Eine ähnliche Tendenz sieht Movchan auch in der ukrainischen Gesellschaft. „Sogar die Vertreter der Bar Chwyljovyj sprechen von ´Unbekannten´ oder ´Banditen´ und entpolitisieren somit diese Gewalt.“

Chanuka-Leuchter umgeworfen

Unterdessen berichtet das jüdische Portal jewishnews.com.ua von Übergriffen gegen jüdische Symbolik. So seien auf dem Kreschtschatik, der zentralen Einkaufsmeile Kiews, und im Zentrum der ostukrainischen Stadt Dnipro Chanuka-Leuchter umgeworfen worden.

Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtet am vergangenen Montag von Übergriffen Rechtsradikaler gegen Roma in dem Kiewer Vorort Irpin. Dort hätten, so HRW, Mitte Oktober 50 Rechtsradikale gezielt Wohnungen von Roma aufgesucht, die Be­woh­ne­r:in­nen beschimpft und Wände beschmiert. Roma seien in der Ukraine häufig Opfer von Gewalt, so HRW. Nur selten würden die Täter bestraft. Noch immer gebe es kein Urteil zu dem Tod des Roma-Sprechers Nikolaj Kaspizkij 2017 in der Ortschaft Wilschany, beklagt HRW.

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