Rechtspopulistischer Hamburger Verleger: Privatier und Wutbürger
Wolfgang E. Buss gehören das „Alster-“ und „Alstertal-Magazin“. Darin hetzt er immer wieder gegen Linke, Migrant:innen und „die da oben“.
Im vorigen August kam Wolfgang E. Buss zur Erkenntnis, dass die von Politik und Behörden „geschürte Angst vor einer Pandemie mit Tod und Leichenbergen“ für schwerere Schäden sorge, als das Virus selbst. Querdenker verteidigte er als die „vorverurteilten Bösen“.
Den „Mainstream“ wiederum, der für die Coronamaßnahmen verantwortlich sei, setzt er mal eben in eine Reihe mit der deutschen Politik, die zum 1. Weltkrieg geführt hatte, mit dem NS- und mit dem DDR-Regime – für Buss gibt es da eine klare Kontinuität.
Seine Wut und Verachtung, die er in diesen Texten ausbreitet, zielen auf viele: Geflüchtete sind für ihn „Wirtschaftsmigranten, die illegal nach Deutschland hineinliefen“. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete er jüngst als „in schwierigen brandenburgischen Stasi-Milieus aufgewachsene FDJ-Aktivistin“.
In bester Gesellschaft
Bei ARD und ZDF ist sich Buss sicher, dass sie ebenso wie verschwörungsideologische Plattformen wie Ken-FM oder Russia Today „Klientel-Journalismus“ betreiben. Und ohnehin: Diese Gesellschaft ist doch unregierbar geworden, einfach weil „zu viele gesellschaftliche Gruppen mitreden wollen“.
Ist Buss ein Ausgestoßener, der kaum ernst genommen wird? Sicher nicht. Wer das Internet nach ihm durchsucht, findet immer wieder dieselbe Sorte von Bildern: Buss bei Empfängen neben Herrschaften wie Wolfgang Kubicki (FDP), Österreichs heutigem Bundeskanzler Sebastian Kurz, Hamburgs ehemaligem Bürgermeister Ole von Beust (CDU) oder neben dem Hamburger Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer. Einige der Empfänge, auf denen diese Fotos entstanden, hat Buss selbst ausgerichtet in schicken Hamburger Hotels.
Hinzu: In mehr als 80.000 gedruckten Exemplaren sind Buss’ Gedanken allmonatlich im Editorial zu bestaunen. Und Politiker:innen, deren Wahlkreise im Verbreitungsgebiet der Magazine liegen, sagen, dass sie Post von Bürger:innen zu Themen bekommen, wenn Buss diese Themen in seinen Vorworten setzt.
Tim Stoberock ist SPD-Abgeordneter in der Bürgerschaft für den Wahlkreis Alstertal-Walddörfer, wo die Magazine von Buss ausliegen. „Er hat sich immer mehr radikalisiert“, sagt Stoberock über Buss. Nach einem Text, den Stoberock für Hetze hält, schrieb er Buss einen Brief und warf ihm vor, mit seinen Äußerungen einen „Humus für Rechtsradikalismus“ zu bilden. „Im Laufe der Zeit lässt sich da eine Wutbürgerisierung erkennen“, sagt Stoberock.
Wer mit dem 69-jährigen Buss am Telefon spricht, erlebt einen freundlich-redseligen älteren Herrn. Immer wieder kommt er im Laufe des Gesprächs aufs Gendern – da scheint er die größte Gefahr von links zu vermuten. Das deckt sich gut mit dem Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß, der derzeit auch aus allen Rohren gegen das Gendern schießt.
Ploß kam in den vergangenen Monaten dann auch gleich mehrfach vor in diesen Heften, wo sonst Lifestyle-Themen dominierten. Kritisches ist über ihn nicht zu lesen. Mal rezensiert Buss höchstpersönlich ein Buch von Ploß, mal darf der CDU-Politiker seine Gedanken über Gleichberechtigung in einem Gastbeitrag ausführen.
„Meine Worte werden von vielen, die es lesen, goutiert“, sagt Buss. Auf der Straße werde er dankbar auf seine Worte angesprochen. Dass seine Tiraden von einem rechten oder rechtspopulistischen Duktus gefüllt seien, das bestreitet er. „Die Einschätzung kann ich nicht mittragen – das ist Unfug, den ich von mir weise“, sagt Buss.
Vom Tenor wie Thilo Sarrazin
Florian Hartleb ist Politikwissenschaftler und forscht zu Rechtspopulismus und -extremismus. Er hat sich einige von Buss’ Vorworten angeschaut. „Sie sind nach einer populistischen Logik aufgebaut, die die Wut auf ‚die da oben‘ kultivieren will“, sagt Hartleb. Er sei vom Tenor ganz bei Thilo Sarrazin und seiner „Deutschland schafft sich ab“-Ansicht. Und: „Es mischt sich in den Texten auch die Sehnsucht nach dem Autoritärem“, sagt Hartleb. „Generell baut Herr Buss auf düsteren Katastrophenszenarien auf.“
Buss selbst gibt sich als einer, der das ausspricht, was viele sich nicht zu sagen trauen. „Ich bin ein freier Geist, der sich das leisten kann“, sagt Buss. Leisten kann er es sich, weil die Anzeigenkunden sich daran nicht stören: Die Haspa, die Volksbank, der Klinikbetreiber Asklepios und viele weitere Hamburger Unternehmen werben in den Magazinen.
„Als regional verankertes Unternehmen ist es uns wichtig, nah bei den Menschen im Stadtteil zu sein“, begründet die Haspa das Anzeigenschalten in den Magazinen. Mit Buss’ Ansichten stehe das aber nicht in Zusammenhang. Ähnlich antwortet auch Asklepios, betont aber, dass der Konzern „grundsätzlich und ganz offensiv für Vielfalt“ steht. Die Frage, ob sie weiterhin in Buss’ Magazinen werben, verneinen sie nicht. Weitere Werbekunden, die die taz anfragte, äußern sich nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los