Rechtspopulisten in Europa: Europas Rechte positioniert sich
Die Mitglieder des rechtspopulistischen Bündnisses MENF laufen sich in Brüssel für den EU-Wahlkampf warm. Mittendrin: Steve Bannon.
Unter anderem Marine Le Pen, Präsidentin des französischen Rassemblement National (RN), und Tom Van Grieken, der Vorsitzende des gastgebenden Vlaams Belang (VB), verurteilten das Migrations-Dokument als Instrument einer globalisierten Elite gegen die arbeitende Bevölkerung Europas. Vor rund 100 Anhängern im flämischen Parlament wurde der „Selbstmord-Pakt“ als Beispiel für den Verlust nationalstaatlicher Souveränität abgelehnt.
Dabei zeigte sich, dass man in der EU-feindlichen Bewegung angesichts der Europawahlen im Mai langsam in den Kampagnenmodus schaltet: „Die Europäisten gegen die wahren Europäer“, gab Le Pen als Parole vor. Gerolf Annemans, Europa-Abgeordneter des Vlaams Belang und Präsident des MENF, kündigte per Video-Schalte an: „Wir stehen an einer historischen Kreuzung: Nach dem Mai werden die europäischen Verhältnisse fundamental anders.“ Die MENF-Bewegung nannte er „das Gesicht europakritischer Bürger“.
Ob das Bündnis, zu dem unter anderem die italienische Lega von Matteo Salvini, die FPÖ und die tschechische SPD gehören, den zahlreichen europakritischen Bürgern bekannt ist, ist fraglich. Zugleich wissen seine Vertreter um das Momentum, das ihnen Rückenwind gibt. „Unsere Freunde in den Straßen von Paris“, nannte Steve Bannon, der ehemalige Berater Donald Trumps, die Gelbwesten-Proteste. „Es sind die gleichen Leute, die Donald Trump gewählt und für den Brexit gestimmt haben.“ Dass man von draußen anlässlich einer Brüsseler Gilets-jaunes-Kundgebung Polizei-Hubschrauber und Sirenen hörte, schien seine Worte zu unterstreichen.
Basis verbreitern
Bannons Teilnahme sorgte nicht nur für erhebliches Medieninteresse. Sie scheint auch ins Bild seines Projekts zu passen, in Europa ein rechtes Bündnis namens „The Movement“ zu schmieden. Darauf angesprochen, sagte Bannon, er sei „kein Puppenspieler“ und nicht gekommen, um irgendjemand zu vereinen. Zugleich ließ er keinen Zweifel daran, man wolle dem „globalistischen Projekt“ ein möglichst breites Bündnis entgegenzustellen.
Wer Europas Rechte verstehen will, muss länderübergreifend recherchieren. Das gilt ganz besonders für die kommenden Monate: Im Mai 2019 wird ein neues EU-Parlament gewählt. Ein Schlüsselmoment für den politischen Kampf um Europa. Ein Europa, das die rechten Parteien lieber heute als morgen abschaffen würden.
Ihre Agenda, Strategien und Netzwerke dokumentiert die taz im Rechercherverbund Europe's Far Right. Mit dabei sind Libération (Paris), Falter (Wien), Gazeta Wyborcza (Warschau), HVG (Budapest), WOZ (Zürich) und Internazionale (Rom).
Die zunächst bis zur EU-Wahl im Mai laufenden Recherchen werden gefördert durch das Kartographen-Stipendium, die Robert-Bosch-Stiftung, die Otto-Brenner-Stiftung und die taz-Panter-Stiftung.
Wahrscheinlich wird das MENF im Hinblick auf die EU-Wahlen seine Basis verbreitern. Das bestätigte auch Generalsekretär Philip Claeys (Vlaams Belang) der taz am Rande des Treffens. Es sei kein Problem, dass ein Teil der Mitglieder einen Exit aus der EU anstrebe und andere nur weniger europäische Integration wollen. Beide Linien sollten in der Bewegung Platz haben. Einen gemeinsamen Spitzenkandidaten werde man für die Europawahlen eher nicht präsentieren – diese Idee sei „zu föderal“.
Einen Vorgeschmack gab es in Brüssel darauf, wie die Wahlkampagne aussehen wird. Im Wissen, dass die belgische Regierung wegen des Konflikts um den Marrakesch-Vertrag in den letzten Zügen liegt, kündigte der Vlaams-Belang-Vorsitzende Tom Van Grieken an: „Wir rufen die Wahlen im Mai schon jetzt zu einem Referendum über die Masseneinwanderung aus. Dann wird abgerechnet mit den Eliten, die uns die Kosten dafür aufbürden.“ Ob er die belgischen oder europäischen Wahlen meinte, ließ Van Grieken offen: Beide finden am 26. Mai statt.
Der UN-Migrationspakt: Der vollständige Vertragstext – kommentiert von ExpertInnen für Migration.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen