Rechtsmediziner kritisieren Ausbilder: Rekrut starb nach Regelbruch
Vor sieben Monaten brach ein Offiziersanwärter mit einem Hitzeschlag zusammen. Jetzt drohen seinen Vorgesetzen Konsequenzen.
Vor allem aber haben Vorgesetzte „die körperliche Verfassung“ aller zu beobachten. Soldaten mit Hitzeschlag dürfen „keinen Schritt mehr gehen“ und der „erste Marschausfall ist für die Führer bzw. Führerinnen das Zeichen zu erhöhter Vorsicht“.
Über sieben Monate nach dem Tod eines Rekruten im niedersächsischen Munster will die Bundeswehr diese und andere Vorschriften jetzt genauer in den Blick nehmen. Im Juli 2017 waren mehrere Offiziersanwärter während eines Eingewöhnungsmarsches kollabiert; ein 21-Jähriger starb anschließend an den Folgen eines Hitzeschlags. Wie der Spiegel am Wochenende berichtete, liegt dem Verteidigungsministerium und der zuständigen Staatsanwaltschaft seit wenigen Tagen ein rechtsmedizinisches Gutachten des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf vor.
Die Experten sollen darin zwei Ausbildern vorwerfen, die Vorschriften für Übungsmärsche und die Fürsorgepflicht gegenüber den Rekruten nicht eingehalten zu haben. Den Ausbildern drohe jetzt ein Strafverfahren, unter Umständen wegen fahrlässiger Tötung.
Ministerium prüft Ausbildungsstruktur
Infolge der Veröffentlichung teilte das Ministerium der dpa mit, dass die Bundeswehr derzeit die Ausbildungsstrukturen in allen Teilstreitkräften überprüfe. Im Anschluss werde Mitte März der Verteidigungsausschuss des Bundestags informiert.
Auch nach dem Todesfall in Munster erlitten Bundeswehrsoldaten mehrfach Gesundheitsschäden nach starker körperlicher Anstrengung. Im Januar brachen in der Pfullendorfer Staufer-Kaserne mehrere Soldaten nach einem Geländelauf zusammen. Am gleichen Standort kam kurz darauf eine Soldatin ins Krankenhaus: Sie hatte nach der Einnahme von Antibiotika bei Minustemperaturen an einer mehrtägigen Übung teilgenommen.
Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, hatte vor zwei Wochen in seinem Jahresbericht den Umgang des Ministeriums mit dem Todesfall in Munster kritisiert. In einem vorläufigen Untersuchungsbericht werden von „unzweckmäßigen Entscheidungen der Ausbilder“ gesprochen. Das klinge „euphemistisch“ und lasse offen, „ob überhaupt irgendetwas falsch gemacht wurde“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin