Rechtsextremer spricht wieder Recht: AfD-Richter in Dippoldiswalde
Weil sich das Verfahren gegen AfD-Mann Jens Maier zieht, darf er vorerst doch als Richter arbeiten. Hat Sachsen alles getan, um das zu verhindern?
Er werde „im Wesentlichen für allgemeine zivilrechtliche Angelegenheiten und mit einem kleinen Arbeitskraftanteil auch für Nachlasssachen und kleine Nebengebiete zuständig sein“. Noch am Montagvormittag stellte das Amtsgericht seinen neuen Geschäftsverteilungsplan ins Internet.
Nun wird ein Rechtsextremer – so hat ihn der Verfassungsschutz in Sachsen eingestuft – Urteile „im Namen des Volkes“ sprechen. Dass es so gekommen ist, empört den Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV). Er spricht von „eklatanten Fehlern“, die seitens des zuständigen Justizministeriums, der Justiz und den im Landtag vertretenen demokratischen Parteien gemacht worden seien. „Ein Desaster“, sagt die Dresdner Rechtsanwältin Kati Lang namens des RAV.
Maier, der sich selbst zuweilen „kleiner Höcke“ nennt, war bis zur Wahl in den Bundestag 2017 Richter am Landgericht Dresden. Sein Mandat konnte er im September 2021 nicht verteidigen. Grundsätzlich stand dem AfD-Politiker laut Abgeordnetengesetz – wie allen Beamt:innen – das Recht auf Wiederverwendung zu, den entsprechenden Antrag hatte er noch vor Weihnachten gestellt.
Justizministerin will sich keine Vorwürfe machen
Lange wurde im sächsischen Justizministerium argumentiert, es gebe gegen den erneuten Einsatz von Maier als Richter nur die Möglichkeit eines Disziplinarverfahrens der Maier vorgesetzten Behörde – konkret also des Landgerichts Dresden. Dieses leitete ein entsprechendes Verfahren am Montag tatsächlich ein.
„Es besteht der Verdacht, dass Jens Maier die Dienstpflichten zur Verfassungstreue, zur politischen Mäßigung und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verletzt hat“, hieß es zur Begründung. Ein gegen Maier eingeleitetes Disziplinarverfahren 2017 hatte lediglich in einem Verweis geendet.
Ohnehin kann dieses neue Disziplinarverfahren den mindestens vorübergehenden Einsatz von Maier im Richterdienst ebenso wenig verhindern wie die anderen Schritte, die Sachsens Justizministerin Meier nach erheblichem öffentlichen Druck einleitete: Sie stellte im Februar den Antrag auf Versetzung Maiers in den Ruhestand – „zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechtspflege“.
Zudem soll ihm per Eilantrag die Führung der Amtsgeschäfte verboten werden. Seit vergangenem Freitag war klar, dass sich diese Verfahren verzögern. Maier hat den rechten Szeneanwalt Jochen Lober aus Köln beauftragt, der zeitweilig auch Ralf Wohlleben im NSU-Prozess verteidigte. Er soll zunächst Akteneinsicht bekommen. Laut Dienstgericht kann „gegenwärtig noch nicht abgesehen werden, wann die Kammer entscheiden wird“.
Sachsens Justizministerin Meier will sich dennoch keine Vorwürfe machen. Eine Bürgerin aus Dresden hatte im Februar an das Justizministerium geschrieben, „bestürzt“ darüber, dass mit Jens Maier ein Mann wieder Richter werden soll, der „seit Jahren im rechtsextremen völkischen Flügel der AfD aktiv“ sei und „ganz offen menschenverachtende und nicht verfassungskonforme Positionen“ vertrete.
„Demokratische Verantwortungslosigkeit sondergleichen“
In dem vor wenigen Tagen verschickten Antwortschreiben, das der taz vorliegt, schrieb das Ministerium, die Kritik an einer Rückkehr von Beamt:innen in ihr früheres Dienstverhältnis, „ohne dass die von ihnen während der Abgeordnetenzeit vertretenen Ansichten eine Rolle spielen“, lasse sich „gut nachvollziehen“. Aber: „Für den gesetzlichen Rückkehranspruch bleiben die politischen Aktivitäten während der Zeit als Abgeordneter grundsätzlich außer Betracht.“
Unter Hinweis auf das Dienstrecht hieß es, die Handlungsmöglichkeiten im Ministerium seien „eingeschränkt“. Dennoch sei der Rechtsstaat „nicht handlungsunfähig, wenn es darum geht, zum Beispiel mit Feinden der Verfassung umzugehen“.
RAV-Vorständin Kati Lang bezweifelt das. Sie bedauert, dass die parallel mögliche Richteranklage gegen Maier nicht zustande gekommen sei. Mit den Stimmen von CDU, Grünen, Linken und SPD hätte es die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag gegeben.
Lang wirft der Kenia-Regierungskoalition in Sachsen „demokratische Verantwortungslosigkeit sondergleichen“ vor. An die Adresse der sächsischen Justiz sagt sie, diese habe kaum Selbstreinigungskräfte aufzuweisen, anders lasse sich auch das zögerliche Vorgehen des Richterdienstgerichtes nicht erklären. Der wohl größte Fehler sei, „dass die Justiz selbst rechte, rassistische und antisemitische Funktionsträger duldet, keine Haltung zeigt und die Eskalation damit mitverschuldet“.
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