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Rechtsextremer SchornsteinfegerNPD-Mann darf nicht mehr kehren

Einem rechtsextremen Schornsteinfeger ist der Kehrbezirk entzogen worden. Nach einem längeren Streit heißt es nun in einem Grundsatzurteil, das sei rechtmäßig.

Kein Job für Neonazis. Bild: dpa

LEIPZIG dpa | Ein öffentlich bestellter Schornsteinfeger darf sich privat keine rechtsextremen Umtriebe erlauben – sonst kann ihm sein Kehrbezirk entzogen werden. Mit diesem Grundsatzurteil bestätigte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Mittwoch einen Widerrufsbescheid des Landes Sachsen-Anhalt. Das Land hatte einem Schornsteinfegermeister wegen seines Engagements für die NPD 2008 sein Amt abgesprochen.

Der 1958 geborene Handwerker ist zwar kein NPD-Mitglied. An seiner rechtsextremen Gesinnung haben Behörden und Justiz aber keinen Zweifel: Er sitzt für die Partei im Stadtrat von Laucha und im Kreistag des Burgenlandkreises. Jahrelang nahm er an sogenannten Totenehrungen für die Mörder des jüdischen Außenministers der Weimarer Republik, Walther Rathenau, teil.

Damit sei er nicht zuverlässig genug, um die Aufgaben eines Bezirkschornsteinfegermeisters zu erfüllen, urteilte der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts.

Der Schornsteinfeger hatte sich gegen den Widerruf seiner Bestellung gewehrt – und in den Vorinstanzen noch Erfolg gehabt. Das Oberverwaltungsgericht Magdeburg war seiner Argumentation gefolgt, er könne private politische Aktivitäten von seinem Beruf trennen.

Die obersten deutschen Verwaltungsrichter beurteilten den Fall nun anders: Zwar bestehe bei Kaminkehrern keine Pflicht zur absoluten Verfassungstreue wie etwa bei Beamten. Aber als sogenannte „Beliehene“ nähmen sie öffentliche Aufgaben wahr – und müssten deswegen die Grundrechte ihrer Kunden achten.

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20 Kommentare

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  • DO
    Der Observer

    Man bedient sich also der gleichen Mittel,wie die Nationalsozialisten damals selbst.Wenn das Demokratie sein soll,lebt man in China sicherlich besser.Dieser Staat sollte sich was schämen.

  • KB
    Karin Bryant

    Diese Geschichte zeigt wie unsicher der Umgang in Deutschland mit der Demokratie

    ist..Eine selbstgewußte Demokratie handelt entschieden Souveräner.

  • V
    viccy

    @ Erasmus

    Ja, Dich interessiert nicht, ob Dein Schornsteinfeger NPD wählt oder in seiner Freizeit Kaninchen opfert. Aber der Staat will solche Menschen nicht in seinen Untergliederungen, und als Beliehener nimmt der Mann eben Aufgaben der öffentlichen (!) Verwaltung wahr.

  • AJ
    Andreas J

    Das Urteil ist richtig!

    Durch die jährlichen Abgasuntersuchungen der Gasthermen, kommt der Stornsteinfeger in fast alle Wohnungen in seinem Bezirk und keiner kann sich dagegen wehren, da diese Gesetzlich vorgeschrieben sind. Ich glaube kaum, dass die meißten Menschen es toll finden einen Nazi in die Wohnung lassen zu müssen. Es geht hier um ein Eindringen in die Privatsphäre.

  • AB
    alles beim Alten

    Ich habe jetzt den Artikel zweimal gelesen, aber ich konnte außer der Teilnahme an einer Ehrung für einen Mörder und einem politschen Mandat für eine zugelassene Partei keine Gründe für das Berufsverbot finden.

     

    Ist die Ehrung von Mördern per se verfassungsfeindlich? Wenn ja, wer ist ein Mörder und wer nicht? Wer bestimmt die Zuordnung?

     

    Oder ist das Engagement im Kreistag oder Landtag verfassungsfeindlich?

     

    Für mich wiegen die beiden genannten Gründe kaum so schwer, dass einer Person quasi Berufsverbot erteilt werden kann.

    Bleibt die Frage: Wofür ist der Schonsteinfeger bereits verurteilt worden, so dass seine Verfassungsfeindlichkeit feststeht und er keine öffentlichen Aufgaben mehr übernehmen kann?

     

    Wenn es keine Urteile gibt, dann kann zukünftig jeder von uns, sofern in Ungnade gefallen, als verfassungsfeindlich diskeditiert und von öffentlichen Aufgaben/Aufträgen ausgeschlossen werden.

     

    Dann sind wir wieder in der Diktatur angekommen.

  • V
    viccy

    Entscheidend ist der letzte Absatz: Der Schornsteinfeger nimmt als "Beliehener" öffentliche Aufgaben war. Wäre er KFZ-Mechaniker oder Verkäufer, wäre die Sache ganz anders gewesen.

     

    @ Fritz

    Wenn schon Präzision, dann aber auch "das Gleiche" im Gegensatz zu "dasselbe" auseinanderschreiben. Ansonsten kann man jemanden, der für die NPD im Kreistag sitzt, wohl schon als "NPD-Mann" bezeichnen. Falsch wäre nur "NPD-Mitglied" gewesen. So, genug kluggeschissen für heute.

  • H
    handwerkerin

    Das Problem mit einem erklärtermaßen rechtsaußen Schornsteinfeger ist, dass jeder und jede in seinem Kehrbezirk ihn in seine/ihre Wohnung/Werkstatt/was auch immer lassen muss. Nicht wie bei anderen HandwerkerInnen, die ich und ihr euch selbst aussuchen könnt und ggf. dann lieber andere kommen lasst (denen ihr auch lieber euer Geld gebt).

    Den Schornsteinfeger kann mensch nicht auswählen - insofern ist es eine richtige Entscheidung, dass jemand mit solcher Gesinnung nicht den "Vertrauensvorschuss" bekommt.

  • E
    Erasmus

    Das Urteil ist erschreckend und ein weiterer Baustein hin zur Errichtung einer 68er-Gesinnungsdikatatur. Wer einen rechtsradikalen Kaminfeger nicht verkraftet, ist ein antiliberaler Spießer. Ratheanau würde sich im Grabe herumdrehen. Mich interessiert der weltanschauliche Hintergrund meines Handwerkers nicht, ein gewerkschaftlicher allenfalls dann, wenn damit konkrete Aufsässigkeit und überzogene Forderungen verbunden sind. In der angelsächsischen Rechtstradition wäre ein solches Urteil undenkbar gewesen.

  • M
    manfred (60)

    Welche Partei ist die nächste, zu der man sich nicht mehr bekennen darf? Im dritten Schritt muß man das Parteibuch der jeweils regierenden Partei in der Tasche haben, um noch einen Kehrbezirk zu bekommen? Geschichte wiederholt sich eben doch, und Meinungsfreiheit gilt nur für die Meinung der jeweiligen Machthaber. Wie im Tausendjährigen und wie später in der verblichenen.

  • FK
    Fritz Katzfusz, Preußen

    Irreführende Überschrift.Dachte schon, wie geht das denn? NPD noch nicht verboten, schon Schornsteinfegerlizenz weg? Lesen, nee, ist natürlich nicht deswegen. Der Schornsteinfeger ist kein NPD Mann, sondern ein Neonnazi. Okay, wirtd jetzt der Tazler sagen,das ist für mich dasselbe, ich sage: dasselbe nicht, nur dasgleiche.Versucht mal etwas präziser zu werden.

  • F
    Frank

    Eine absurde Einstellung, den Mörder von Rathenau zu verehren. Es gibt keinen Zweifel an der rechtsextremen Einstellung des Schornsteinfegers.

    Dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob ein historisches Ereignis, das 90 Jahre her ist und dem Mann, dem Rathenau wahrscheinlich herzlich egal ist, offensichtlich nur dazu dient, seine Gesinnung nach außen darzustellen, Grundlage für ein solches Urteil sein kann.

    Gilt gleiches für alle politischen Morde, deren Mordtaten jemand indirekt befürwortet?

    In Russland ehren Millionen den "großen Stalin".

    Werde ich jetzt ebenfalls als rechtsextrem eingeordnet?

  • C
    Carsten

    Wie war das nochmal mit dem Radikalenerlass und dem linken Protest dagegen, damals?

  • K
    Kimme

    Generell möchte ich sicherlich auch keine Rechtsextremen in meinem Umfeld wissen, aber ich bin mir nicht sicher ob solch ein Beschluss wirklich durch das Grundgesetz gedeckt ist. Solange die NPD nicht verboten ist, kann man jemandem der, sich für sie engagiert, eigentlich schwerlich eine der Verfassung entgegenlaufende Gesinnung vorwerfen.

    Ich denke solch ein Urteil ist der falsche Weg, hat es doch frapierende Ähnlichkeiten der Rechtssprechung während des 3. Reiches und erinnert an die politische Verfolgung auf Grund Parteizugehörigkeit, wie sie Kommunisten unter den Nazis erdulden mussten.

  • S
    super

    Was denn, es gibt ein gutes und ein böses Berufsverbot?

  • TM
    this machine

    Richtig so! Während der NS-Zeit erhielten die Schornsteinfeger das Kehrmonopol. Sie betätigten sich als Erfüllungsgehilfen, Spitzel und Denunzianten. Bezirksschonsteinfeger mussten Träger des Goldenen Parteiabzeichens, des Blutordens oder verdiente Parteigenossen sein. Bereits 1902 wurde Émile Zola, der sich in der Affäre Dreyfus engagiert hatte, vermutlich von einem nationalistischen Schornsteinfeger ermordet, der ihm den Kamin verstopfte.

  • K
    KFR

    interessant, dass Tätigkeiten in Land- Kreistag die "Zuverlässigkeit" gewerblicher Tätigkeit in Frage stellen könnten.

     

    offenbar ist 1933 ff schon lange vergessen ? gibts schon wieder Sortier-listen einschlägiger Programmanbieter ( damals "I"nternational "B"usiness "M"aschines für die öffentlichen Melde-register ) zwecks Zwangs-Urlaub-Verschickung in ausgesuchten Lokalitäten ?

  • N
    Normalo

    Jetzt nochmal für Doofe: Im Stadtrat und Kreistag darf er sitzen, aber SCHORNSTEINFEGEN soll ein zu sensibler Bereich sein, um dort Einen mit seiner politischen Einstellung dulden zu können??

     

    Das muss man wohl als eine Stilblüte unserer immer noch unvollkommenen Vergangenheitsbewältigung werten. Mir wär's auch lieber, wenn es solche Rechtsaußen gar nicht gäbe, aber wenn man sich schon mal einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung verschreibt, die - zumindest bislang - die Existenz einer NPD ausdrücklich duldet, sollte schon ein schwereres Geschütz auffahren, um die verfassungsfeindliche Gesinnung eines öffentlich Beliehenen zu beweisen. Und dann gehört er auch aus allen politischen Entscheidungsgremien entfernt. Aber das hier ist irgendwie absurd.

     

    Weiterer (leiserer) Einwand: Man stelle sich vor, der Mann wäre stattdessen DKP-Aktivist, Mauer-Apologet und beim Feiern von Stalins Geburtstag erwischt worden. Wie groß wäre da der Aufschrei nach diesem Urteil - das einem Berufsverbot gleichkommt - gewesen? Radikalenerlass lässt grüßen.

  • F
    Fisch

    So schön es ist, dass ein Rechtsextremer nicht mal als Bezirksschornsteinfeger als Repräsentant des Staates tätig sein darf, könnte dieses Urteil nach hinten losgehen. Auch Linke, die die Verfassung ablehnen und Gewalt gegen politische Gegner gutheißen, können nach diesem Urteil ihre öffentlichen Ämter verlieren oder gar nicht erst zugelassen werden.

  • E
    eksom

    In Dortmund versuchen Sie in einem ähnlich gelagerten Fall seit Jahren eine "Nazi-Chef" der dortmunder Feuerwehr "loszuwerden". Aber was wollen die dann mit all den rechtsorientierten Polizisten, Staatsanwälten, Lehrer, Politiker, Richter, Verfassungschützer, V-Leute, Kripo-Chefs, Minister machen? Vor allem die, die mit der Maske eine Demokraten herumlaufen!

    Kann mann die auch entlassen?

  • M
    menschenfreund

    Der Volksmund hat Recht:

    "Jeder kehre vor "SEINER" Tür!"

    In diesem Sinn: Nazis first!