Rechtsextremer Kampfsport: Trainieren für den Umsturz
Rechtsextremer Kampfsport breitet sich immer selbstbewusster aus. Die Bundesregierung befürchtet Angriffe auf Linke und die Polizei.
Mal wieder also scheint es gut gelaufen zu sein für die Neonazi-Kämpfer. Schon zuletzt feierte die rechtsextreme Kampfsportszene Erfolge: Zu Turnieren von „Kampf der Nibelungen“ oder „Tiwaz“ kommen inzwischen hunderte Neonazis. Zuletzt, im sächsischen Ostritz, feuerten rund 700 Rechtsextreme Gleichgesinnte an, die sich im Ring prügelten. Und die Behörden konnten nur zuschauen.
Aus ihrer Haltung machen die Kampfsportler keinen Hehl: Man verstehe sich „nicht als Teil eines faulenden politischen Systems“, erklären die „Nibelungen“-Organisatoren. Es gehe darum, dem „System der Versager, der Heuchler und der Schwächlinge den Rücken zu kehren“.
Die Bundesregierung blickt inzwischen mit Sorge auf die Szene. Insbesondere in den vergangenen zwei Jahren habe sich der Trend zu Kampfsport „zunehmend verstärkt“, heißt es in einer aktuellen Antwort auf eine Grünen-Anfrage, die der taz vorliegt. Verfolgt werde eine „explizite Strategie, Kampfsport politisch zu nutzen“ – unter den Aspekten der Wehrhaftigkeit und des angeblichen Schutzes von Familie und Heimat. Damit sei es gelungen, eine „weitere ‚rechte‘ Erlebniswelt“ zu schaffen, vergleichbar mit großen Rechtsrockkonzerten, warnt die Regierung.
„Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner“
Die rechtsextreme Szene verschafft sich damit neuen Zulauf. Ein „nicht unerheblicher Teil der Teilnehmer“ 2018 sei bisher nicht als rechtsextremistisch bekannt gewesen, konstatiert das zuständige Bundesinnenministerium. Vor allem junge, rechtsaffine Männer unter 25 Jahren würden angezogen. Auch das NRW-Innenministerium spricht von einer „Attraktivität der Szene für hypermaskuline Zielgruppen“, insbesondere Rocker und Hooligans. Die Veranstaltungen würden „immer offener beworben und professioneller durchgeführt“.
Das Bundesinnenministerium konstatiert hier bereits Folgen. Die Kampfsport-Besucher stünden zumindest „anlassbezogen als Mobilisierungspotential für rechtsextremistische Demonstrationen zur Verfügung“. Auch sei zu befürchten, dass „die Professionalisierung von Rechtsextremisten im Kampfsport für Auseinandersetzungen auf der Straße mit dem politischen Gegner oder der Polizei genutzt wird“.
Auch das „Selbstverteidigungsseminar“ in Nordrhein-Westfalen ordnet das Ministerium entsprechend ein. Dass dieses schon im Vorfeld offen angekündigt wurde, zeuge vom „zunehmenden Selbstbewusstsein“ der Kampfsport-Organisatoren – auch weil diese bisher „kaum Einschränkungen bei der Durchführung ihrer Veranstaltungen erfahren haben“.
Tatsächlich finden die Behörden keinen Weg gegen die rechten Kampfsportevents. Bisher, so schreibt es auch die Bundesregierung, hätten die Veranstalter stets „sämtliche Auflagen“ eingehalten. Auch das Innenministerium NRW räumt ein, dass die Organisatoren inzwischen „viel Kompetenz erlangt“ hätten und den Behörden so „kaum Angriffspunkte lassen, die Veranstaltungen zu unterbinden“.
Polizei und Verfassungsschutz schauen inzwischen aber genauer hin: Allein 26 Mal beschäftigte sich das gemeinsame Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum in den vergangenen zwei Jahren mit der rechtsextremen Kampfsportszene. Zudem führte die Polizei gerade erst eine Großrazzia durch, mit Fokus auf das brandenburgische Cottbus: 29 Rechtsextremen und Hooligans wird hier vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung gebildet und rund 50 Straftaten begangen zu haben, darunter Körperverletzungen oder Verstöße gegen das Waffengesetz. Die Ermittler fanden bei den Durchsuchungen Messer, Schlagstöcke oder Elektroschocker. Unter den Beschuldigten mit dabei: rechtsextreme Kampfsportler.
Trainieren für den Umsturz
Die Grünen-Innenexpertin Monika Lazar spricht von einer „brandgefährlichen Entwicklung“. Es gehe hier bei Weitem nicht nur um rechte Erlebniswelten. „Hier wird für Angriffe auf den politischen Gegner und letztlich für den politischen Umsturz trainiert.“ Die Behörden hätten hier teils noch „deutliche Erkenntnisdefizite“.
Die Kampfsportler sind dagegen längst gut organisiert. Schon 2013 wurde das erste „Nibelungen“-Turnier ausgetragen, anfangs noch konspirativ. Inzwischen werden die Wettkämpfe öffentlich beworben. Für 2019 suchen die Veranstalter noch eine Halle, nach eigener Auskunft für nun 1.000 Besucher. Die zuletzt schon „professionelle Durchführung“ habe „die rechtsextremistische Szene nachhaltig beeindruckt“, gesteht die Bundesregierung ein.
Die Organisatoren sind dabei langjährige Neonazis. Die „Nibelungen“-Wettkämpfe werden von dem Dortmunder Alexander Deptolla veranstaltet, aktiv auch bei der rechtsextremen Kleinpartei „Die Rechte“. Zuletzt kam der umtriebige, deutschrussische Hooligan und Kampfsportler Denis Kapustin dazu. Seit Beginn sind laut Bundesregierung auch die straff organisierten, rechtsextremen Hammerskins in die Veranstaltungen eingebunden.
Die nächsten Wettkämpfe sind längst in Planung: Ende Juni wollen „Nibelungen“-Kämpfer erneut in Ostritz auftreten, im Rahmen des „Schild & Schwert“-Festivals, veranstaltet von NPD-Mann Thorsten Heise. Dann würden laut Ankündigung auch in „Teamfights“ mehrere Kämpfer gegeneinander antreten. Und auch das ebenfalls rechtsextreme „Tiwaz“-Label plant ein weiteres Turnier: am 6. Juni in „Mitteldeutschland“.
Die Organisatoren sind dabei bis ins Ausland vernetzt. So zeigte sich „Nibelungen“-Veranstalter Deptolla Anfang April mit einem Kämpfer bei einem Turnier in Athen. Rechtsextreme aus Tschechien, Russland oder Frankreich traten wiederum zuletzt bei Kämpfen in Deutschland auf. Und der Deutschrusse Kapustin ist ohnehin europaweit aktiv.
Geld für militante Netzwerke?
Grünen-Politikerin Lazar spricht von einem „europaweiten Netzwerk“ der Kampfsportler, das bis nach Russland reiche. Die Bundesregierung müsse aufklären, „inwieweit auch russische Behörden in diesem Sumpf aktiv sind“. Auch müssten die Sicherheitsbehörden den Finanzströmen der Turniere und ihrer angeschlossenen Modelabels nachgehen. „Werden damit auch militante Netzwerke im Untergrund finanziert?“, fragt Lazar.
Wohin die Reise gehen könnte, deutete sich zuletzt schon in einem Video der „Nibelungen“-Crew an: Dort hantierte ein vermummter Kämpfer auch mit Messern und Äxten.
In Nordrhein-Westfalen will man die Szene im Blick behalten. Die rechtsextremen Kampfsportler würden „intensiv beobachtet“, insbesondere die Akteure um den „Kampf der Nibelungen“, versichert der dortige Verfassungsschutz der taz. Das NRW-Innenministerium erklärte zudem zuletzt, dass grundsätzlich auch bei rechtsextremen Kampfsportevents Verbote geprüft würden. Wo ein Verbot nicht möglich sei, sichere die Polizei die Veranstaltung ab – und schreite „bei Rechtsverstößen konsequent ein“.
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