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Rechtsextremer Aufmarsch in BielefeldOffener Antisemitismus

Rund 400 Rechtsextremisten und 6.000 Gegendemonstranten: Am Samstag waren weite Teile des Bielfelder Stadtzentrums abgesperrt.

Die Polizei schützte den Naziaufmarsch mit einem Großaufgebot Foto: dpa

Bielefeld dpa/taz | Rund 6.000 Menschen haben nach Polizeiangaben am Samstag in Bielefeld gegen einen Aufzug der Partei Die Rechte demonstriert. Die Proteste richteten sich gegen einen Demonstrationszug der Rechtsextremisten, an dem am Samstag in Bielefeld laut Polizei rund 400 Personen teilnahmen und Freiheit für die inhaftierte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck forderten.

Allein am Bielefelder Bahnhofsvorplatz versammelten sich rund 2.800 Gegendemonstranten und empfingen die Rechtsextremisten mit „Nazis raus“ rufen und einem Pfeifkonzert. „Menschenverachtende Einstellungen sind keine Meinungen sondern Verbrechen!“, war auf einem Plakat zu lesen. Auf anderen Transparenten hieß es: „Keinen Zentimeter den Rassisten“, „Nazi-Mörderbanden“ oder einfach nur „Keiner mag euch“.

Die Rechtsextremen zeigten auf ihrer Demonstration und der Kundgebung offenen Antisemitismus. Redebeiträge erklärten Ursula Haverbeck zur Märtyrerin der Bewegung und griffen Juden und Israel an. Sprechchöre wie „Nie wieder Israel“ und „Wer Deutschland liebt ist Antisemit“ unterstrichen diese Position. Ebenso waren einschlägige verfassungsfeindliche Symbole zu sehen, so der verbotene Kühnengruß.

Sechs Personen aus den Gegenprotesten wurden nach Polizeiangaben in Gewahrsam genommen. Gegen weitere sechs wurden Platzverweise ausgesprochen. Veranstalter und Medien kritisierten den Polizeieinsatz. Die Polizei stelle „sich eher den Demokraten entgegen als den Feinden der Demokratie“, kommentierte die Neue Westfälische Zeitung das Vorgehen der Versammlungsbehörde.

Mehrere Bündnisse, Parteien und Initiativen hatten zu den Gegendemonstrationen aufgerufen und insgesamt zehn Gegenveranstaltungen angemeldet. Wegen der Demonstrationen sperrte die Polizei weite Teile des Stadtzentrums ab.

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10 Kommentare

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  • War gestern auch auf der "Gegendemo" und vier Stunden unterwegs dabei.



    Wenn das 400 Neonazis waren, dann waren die Gegendemonstranten gut 10.000, die an vielen Ecken und Seitenstraßen standen, wo sie immer einen Blick auf den Naziumzug werfen konnten.



    Der Abstand zwischen uns und den Nazis war groß, aber das war wegen der Sicherheit sicher o.k. Was die Neue Westfälische da schreibt, ist eher ein rauskitzeln um sich etwas wichtig zu machen.



    Auch ich hätte gegen mehr Nähe zueinander nichts gehabt, dann hätte ich mich nicht so laut mit Scheiß Nazis usw. äußern müssen. Auch mein gesteckter Mittelfinger, der in die gerundet gehaltenen Finger der anderen Hand steckte, wäre besser zu erkennen gewesen.



    Vielleicht hätte es auch eine Keilerei gegeben, der ich nicht abgeneigt war.



    Die Polizei war eben, man hört ja so viel in den Medien von Demos, gut für den Fall der Fälle vorbereitet incl. Wasserwerfer, Unterstützung aus Bayern (sichtbar an der Uniform) usw.



    Ob das normal ist, kann ich schlecht sagen, da ich zuletzt vor mehr als 30 Jahren auf Demos gegen die Startbahn West, Freiheit für Aretha Franklin usw.

    • @Thomas Sauer:

      "Vielleicht hätte es auch eine Keilerei gegeben, der ich nicht abgeneigt war."

      Setzen sie ihre Meinung immer mit Gewalt durch? Hat das letzte mal die SA so gemacht.

      Warten sie mal ab bis Recep Tayyip Erdoğan seine Anhänger hier mobilisiert, die sind jünger, stärker und Kampferfahrener als sie. Im Kampf mit denen werden sie ganz schnell den Kürzeren ziehen.

      • @Sven S:

        Nicht immer, aber immer öfter. Bei den wirklichen Nazis (im Gegensatz zu den wirren und teils bekloppten Pegidas und AfD lern) wie dieser Meute, die den Massenmord bestreitet, also die Tötung von Millionen Juden damit als was normales darstellt, die sind zu gegebener Zeit wieder dazu bereit, dies wider zu tun, da notwendig. Stehen bei mir auf einer Stufe wie Mörder, Kinderschänder oder Vergewaltiger, denen wohl fast jeder gerne eine in die Fresse hauen würde, wenn möglich.



        Also nicht päpstlicher sein als der Papst.

  • Die Rechtsextremen hatten irritierend viel Raum. Und das Aufgebot der Polizei wirkte eher so, als wollten Sie mal zeigen, was sie so alles an feinem Material in der Garage haben...

    Eine Theorie, die danach diskutiert wurde, ist die, dass die Polizei die Gelegenheit zu einer Übungseinheit 'Koordination und Durchführung eines Großeinsatzes' ausführlich genutzt hat.

    • @Sebas.tian:

      So war auch mein Eindruck. Den Rechten wurde zu viel Raum gelassen, weil zu weiträumig abgesperrt wurde. Man konnte beobachten, wie sie es genossen haben, sich im lauten, aber weit entfernten Protest, und auf exponierter Route die Stadt in Beschlag zu nehmen.

      Gefilmt wurde die ganze Zeit. Nicht etwa der Aufmarsch der Rechten, sondern der zivile Protest. Es wirkte auf mich sehr einschüchternd.

      Zudem war andauernd die Sicht durch Trasporter der Polizei versperrt. Es wurde ein riesiges Aufgebot von 4 Wasserwerfern, min 2 Räumfahrzeugen, Pferdestaffeln und vieles mehr aufgefahren. Es wurden auch Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern angefordert und eingesetzt, was auf nicht auch nicht gerade einen deeskalierenden Eindruck gemacht hat. Und alles in Richtung der Gegendemonstration aufgebaut.

      Die Polizei hat es sich einfach gemacht, indem jeder konstruktive Protest im Keim erstickt wurde. Durch die weiträumigen Absperrung der Innenstadt, konnte man z.B. der Kundgebung am Rathaus nicht zuhören, wenn man auf der anderen Seite stand. Andere Standorte/Kungebungen waren erst gar nicht zu erreichen.

      400 Personen wurde mehr Platz gelassen, als 10.000, die sich gegen Hetze und Propaganda stellten. Sicherlich muss die Polizei eine Gegendemonstration nicht in spuckweite heranlassen, aber ganze Straßenzüge zu sperren und die Leute in Seitenstraßen verbannen und durch Einsatzwagen die Sicht zu versperren, das nehme ich nicht als “zufriedenstellende” Polizeiarbeit hin.

      • @swiesend:

        Diese zweiteilung fand ich auch deutlich übertrieben. Wir wollten an der Kreuzstraße auf die andere Seite, aber da wurde ja auch dicht gemacht...

  • "Sprechchöre wie „Nie wieder Israel“ und „Wer Deutschland liebt ist Antisemit“ unterstrichen diese Position. Ebenso waren einschlägige verfassungsfeindliche Symbole zu sehen, so der verbotene Kühnengruß."

    Darf frauman fragen, warum eine "Demonstration" mit m. E. strafrechtlich relevanten Äußerungen (schriftlich wie mündlich) nicht sofort aufgelöst und verboten wird?



    Wann wird die Polizei endlich m. E. ihren Aufgaben entsprechend eingesetzt?



    Rassismus ist keine Meinungsäußerung, sondern ein Verbrechen.



    Ich wiederhole das auch gerne immer wieder und immer wieder und …



    Es fehlt das Eingreifen (der Polizei), solche Taten zu sanktionieren.



    Aber frauman muss ja "Verständnis" haben für Rassisten… NEIN, muss frauman nicht.

    • @Frau Kirschgrün:

      Gönnen sie den Dumpfbacken nicht die Märtyrerrolle. Die hätte ihre "Demo" noch zum Erfolg gemacht. So ist alles protokolliert und kann ggf. gegen sie verwendet werden. Hoffentlich bald.

      • @Gregor Tobias:

        400 Dumpfbacken stehen vor 6000 Gegendemonstranten – das allein kann schon nicht als "Erfolg" für die Rechten gewertet werden.



        Wie weit und vor allem wie lange soll das Ihrer Meinung nach (noch) gehen?



        Bis zur Hetzjagd?



        Bis zum Totschlagen?



        Hauptsache alles protokolliert?



        Wie viele Menschen hören deren Parolen immer und immer wieder und schlagen sich irgendwann doch auf deren Seite?



        Mir scheint das alles sehr gefährlich zu sein … es kommt – wie jede große Gefahr – schleichend daher.



        M. E. zeigen viel zu wenig Menschen Haltung und deutliche Abgrenzung gegen diese Rechten.



        Von der Politik scheint dieses Wegsehen|Hetze-dulden ja gewünscht zu sein: ·Besser die da unten schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein, als dass sie auf die Idee kommen, uns auf die Finger zu schauen·…



        Finde ich n i c h t ·witzig·, sorry.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @Frau Kirschgrün:

      Ich finde das auch unglaublich. Bei Demonstrationen von Kurden hat die Polizei weniger Probleme, verbotene Symbole zu beschlagnahmen.

      Und in so manche linke Demo wurde und hineingeknüppelt um ein paar Vermummte dingfest zu machen.

      Und dann hatte diese Nazidemo gerade einmal 400 Teilnehmer. Das sollte in den Griff zu kriegen sein.