Rechtsextreme in der Bundeswehr: Neonazis in Uniform gesucht
Die Bundeswehr muss sich mit mutmaßlichen Terroristen in ihren Reihen beschäftigen. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Franco A.
Dort war bis zu seiner Verhaftung Franco A. stationiert. Der mutmaßlich rechtsextremistische Bundeswehroffizier steht unter Terrorverdacht. „Für die Ministerin steht die Aufklärung der aktuellen Vorgänge um den Oberleutnant A. aus Illkirch im Vordergrund“, teilte das Verteidigungsministerium mit.
Der aus Offenbach stammende Franco A. war am vergangenen Mittwoch unter dem Verdacht festgenommen worden, einen Anschlag geplant zu haben. Wohl zur Tarnung hatte sich der 28-Jährige monatelang unter falschem Namen als syrischer Flüchtling ausgegeben. Seine Doppelidentität flog auf, als eine von ihm auf dem Wiener Flughafen versteckte Pistole entdeckt wurde. Was er genau geplant hat, ist bislang unklar.
Allerdings soll er eine Liste mit möglichen Anschlagsopfern geführt haben, auf der nach ihren eigenen Angaben auch die Berliner Abgeordnete Anne Helm (Linkspartei) stand. Franco A., der ebenso wie ein 24-jähriger mutmaßlicher Komplize in Untersuchungshaft sitzt, schweigt zu den Vorwürfen.
Am Dienstag hat die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe die Ermittlungen übernommen. Es bestehe der Anfangsverdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, sagte ein Sprecher. Nach Angaben von Generalinspekteur Wieker hat Franco A. möglicherweise Munition aus Bundeswehrbeständen gestohlen. „Wir haben Unstimmigkeiten festgestellt“, sagte Wieker. Dabei soll es um Munition für eine Schießübung gehen, die Franco A. geleitet hatte.
Ein „Haltungsproblem“?
Nach Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland hat das Verteidigungsministerium inzwischen überdies Hinweise auf ein kleines rechtsextremistisches Netzwerk in der Truppe mit bis zu fünf Mitgliedern gefunden. Inspekteure des Heeres und der Streitkräftebasis fanden zudem bei einem Besuch am Standort in Illkirch Hakenkreuz-Kritzeleien auf Wänden und auf einem Sturmgewehr. An den Wänden hingen Landser-Bilder und andere „Wehrmachts-Souvenirs“.
Ursula von der Leyen
Ausdrücklich nahm der Generalinspekteur Verteidigungsministerin von der Leyen in Schutz, die in den vergangenen Tagen heftig in die Kritik geraten ist. Sie hatte am Wochenende der Bundeswehr bescheinigt, ein „Haltungsproblem“ und „offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen“ zu haben – was zu Empörung beim Bundeswehrverband geführt hatte. Er selbst sei auch „verblüfft“ gewesen über die Art und Weise, in der die Vorgesetzten mit Franco A. umgegangen seien, sagte Wieker.
Tatsächlich hatte es bereits 2014 Hinweise auf die rechtsextremistische Gesinnung des Soldaten gegeben – die allerdings folgenlos blieben. Deshalb teile er auch die Sorge der Ministerin, „dass die Selbstreinigungskräfte innerhalb der Bundeswehr in diesem Fall auf allen Ebenen nicht so funktioniert haben, wie sie es tun sollten“, so Wieker.
Keine Einzelfälle mehr
Der Bundeswehrverband hatte von der Leyen zuvor heftig angegriffen. „Der allgemeine Vorwurf, der Bundeswehr fehle es an Haltung und Führung, wird den Soldatinnen und Soldaten sowie zivilen Beschäftigten nicht gerecht“, sagte deren Chef André Wüstner. Sollte sie das wirklich ernst gemeint haben, beschädige die Ministerin damit die Bundeswehr „massiv“, so der Verband, der sich als die Interessenvertretung aller Bundeswehrangehörigen versteht.
Am Montag präzisierte von der Leyen in einem offenen Brief an die Angehörigen der Bundeswehr ihre Kritik. Nach den in der jüngsten Vergangenheit bekannt gewordenen Misshandlungen, sexuellen Übergriffen, demütigenden Ritualen und Mobbing in Pfullendorf, Sondershausen oder Bad Reichenhall sowie dem Fall von Franco A. könne nicht mehr von Einzelfällen gesprochen werden. Für Donnerstag hat sie 100 hohe militärische Führungskräfte nach Berlin gebeten, „um Aufklärung und Konsequenzen der angehäuften Fälle in der Bundeswehr zu besprechen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier