Rechtsextreme in Spanien: Vox macht Druck gegen LGBTQ
Geht es nach den Rechtsextremen, sollen Eltern ihre Kinder aus dem Unterricht nehmen können. Zumindest, wenn es um sexuelle Minderheiten geht.
S eit Wochen kennen viele Eltern und Lehrer in Madrid nur noch ein Thema: die „Eltern-PIN“. So nennt die Partei Vox ihr Ansinnen, den Eltern das Recht einzuräumen, ihre Kinder aus dem Unterricht zu nehmen, wenn dort Themen wie Gleichstellung oder Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten behandelt werden.
PIN – ein Code also, durch den Eltern ihre Kinder abziehen können. „Wenn ich so was schon höre. Es sind doch diese Leute, die versuchen, die Kinder zu beeinflussen“, beschwert sich Yolanda Sáez, Mutter eines 13-Jährigen am ältesten Gymnasium der spanischen Hauptstadt, der San-Isidro-Schule.
Das San Isidro steht auf einer Liste, mit der ultrakatholische Verbände im Internet auf Schulen aufmerksam machen, die sich ganz besonders um Themen wie Gleichstellung und LGBTQ kümmern. Vox und ultrakatholische Organisationen propagieren die Eltern-PIN seit Jahren. Doch jetzt ist die Partei damit in der Politik angekommen. In den Regionen Murcia, Andalusien und Madrid regieren der konservative Partido Popular und die rechtsliberalen Ciudadanos dank der Unterstützung von Vox.
Die Rechtsextremen nutzen dies. Die Formel ist einfach: Ohne Eltern-PIN kein öffentlicher Haushalt und ohne Haushalt keine Regierung. In Murcia hat die Regionalregierung die PIN zum Gesetz gemacht. In Andalusien und Madrid drängt Vox mit aller Kraft.
Statt von der Eltern-PIN redet der Mathelehrer Javier Arróspide lieber von „elterlicher Zensur“. „Sollte die Landesregierung das in das Bildungsgesetz aufnehmen, wird dies zweifelsohne die Durchführung von Gesprächen oder Aktivitäten, die Gegenstand eines Vetos sein könnten, erschweren“, sagt Arróspide. Er gehört zu der erst kürzlich entstandenen Gruppe namens Lehrer für emotionale, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt (@Dlgtbi).
Dani vom LGBTQ-Verband Cogam gehört zu denen, die Schulen besuchen, um in der Mittel- und Oberstufe über LGBTQ-Themen zu referieren. Seinen Nachnamen möchte er nicht nennen – er sei Lehrer mit Zeitvertrag. „Die sogenannte Eltern-PIN wird vor allem den Schülern schaden“, ist er sich sicher. „Es gibt Schüler, die sind auf solche Workshops angewiesen, um zu sehen, dass sie keine Sonderlinge sind, und um zu erreichen, dass sie von ihre Mitschülern akzeptiert werden“, erklärt Dani.

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
„Was soll das mit der Eltern-PIN? An den Schulen werden alle Aktivitäten vom Schulrat, in dem Lehrer, Eltern und Schüler sitzen, beschlossen“, sagt Marian González, Direktorin der Juan-de-Mairena-Schule, welche ebenfalls auf der Liste der Ultrakatholiken steht. „Der Verfassungsauftrag an die Bildung lautet, dass Werte wie Toleranz vermittelt werden sollen. Die Kinder haben ein Recht auf Wissen. Das Recht auf Unwissenheit gibt es nicht“, erklärt González. Vox und den Religiösen gehe es darum, „die öffentlichen Schulen in Misskredit zu bringen“ – an kirchlichen Schulen würden solche Aktivitäten natürlich nicht durchgeführt.
Inzwischen geht die spanische Zentralregierung richterlich gegen die Eltern-PIN in Murcia vor.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Alles zur Bundestagswahl
Oma gegen rechts hat Opa gegen links noch nicht gratuliert
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Wahlniederlage von Olaf Scholz
Kein sozialdemokratisches Wunder