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Rechtsextreme GewaltTod auf dem Tänzelfest

Auf einem Fest in Kaufbeuren im Allgäu hat ein bekannter Neonazi aus Thüringen einen Kasachen erschlagen. Zuvor hatte es rassistische Sprüche gegeben.

Jedes Jahr wird in Kaufbeuren das Tänzelfest gefeiert. Diesmal ist ein Festbesucher von einem Neonazi erschlagen worden Bild: dpa

HAMBURG taz | Er starb durch einen Schlag auf den Kopf, so das Obduktionsergebnis. In der Nacht zum Donnerstag verlor der 34-jährige Mann aus Kasachstan auf einem Volksfest in Kaufbeuren sein Leben. Er war dort von einem aktenkundigen Neonazi aus Thüringen ohne Ankündigung so heftig geschlagen worden, dass er am nächsten Tag im Krankenhaus verstarb. Die Polizei nahm den Angreifer noch auf dem Volksfest fest, er sitzt nun wegen des dringenden Verdachts auf Totschlag in Haft.

Kaufbeurens traditionelles Tänzelfest wurde am nächsten Tag ungehindert fortgeführt. Nur das alljährliche Tänzelfest-Boxen sagte Oberbürgermeister Stefan Bosse (CSU) ab. Doch in der südbayrischen Stadt im Allgäu zeigen sich viele erschüttert. Rund 500 Menschen nahmen am Samstag an einen Schweigemarsch teil.

Vom Festplatz zogen sie durch die Altstadt und zündeten Kerzen für den jungen Familienvater an, der eine Frau und zwei Kinder hinterlässt. Oberbürgermeister Bosse versprach eine Spendenaktion für die Familie. Bereits am Vormittag hatten der Tänzelfestverein und die Stadt mit einem Gottesdienst im Tänzelfest-Rondell des Opfers gedacht.

Die Tragödie hatte sich hinter dem Festzelt abgespielt, als drinnen noch die „Harmonie Oberbeuren“ spielte. Sieben Männer aus Thüringen, die auf Baustellen in der Region arbeiten sollen, hatten Streit mit drei Spätaussiedlern gesucht. Dabei sollen die zwischen 22 und 53 Jahre alten Männer rassistische Sprüche geäußert haben. Als die so Beleidigten sich wehrten, kam es zur Schlägerei, bei der die Gruppe aus Thüringen unterlegen gewesen sein soll.

Schlag gegen den Kopf

Als wenig später Security-Kräfte zum Ort der Schlägerei vordrangen, folgten ihnen „aus bloßem Interesse“ weitere Menschen, darunter auch das spätere Opfer. Die stark alkoholisierten Thüringer legten sich dann mit dieser Gruppe an, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West, der taz. Dabei streckte der 36-jährige Falk H. den Kasachen mit einem Schlag gegen den Kopf nieder.

Dass die Polizei in ihrer ersten Pressemitteilung nicht erwähnte, dass rassistische Sprüche gefallen waren, stieß bei Antifa-Gruppen wie der Münchner Initiative Aida auf Kritik. Dabei habe die Polizei schon bei der Festnahme des Täters am gleichen Abend gewusst, dass dieser wegen „rechtsmotivierter Taten“ polizeibekannt sei, schreibt die Initiative auf ihre Website.

Im vergangenen Jahr sei Falk H. während eines Volksfests in einem Bierzelt mit einem DJ aneinandergeraten, nachdem er „Heil Hitler“ gerufen und den Arm zum Hitlergruß gereckt hatte. Ein weiterer Angreifer aus der Thüringer Gruppe, der 22-jährige Markus V., der ebenfalls kurzzeitig festgenommen wurde, kokettiert auf seiner Facebook-Seite mit der Mordserie des NSU: Auf der Seite prangt eine „Pink Panther“-Figur mit Maschinengewehr. Zu Markus V.s Onlinefreunden gehört auch der aus Bayern stammende frühere Bundesvorsitzende der NPD, Udo Voigt.

Die Polizei verteidigt ihre Informationspolitik: „In der Nacht waren noch nicht alle Informationen gesichert, um sie auch schon zu veröffentlichen“, sagte ein Polizeisprecher zur taz. Später habe man diese Information denn nachgereicht.

Auch in München war die Polizei nach dem Fund einer Nagelbombe im Juni zurückhaltend. Die rechten Verstrickungen des Bombenbauers ließ sie unerwähnt.

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15 Kommentare

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  • S
    Sabine

    Hallo hallo taz,

     

    einerseits Rassismus anprangern und andererseits überheblich und abwertend von einem "Tänzelfest" zu sprechen - das geht nicht zusammen.

    • @Sabine:

      Das kann man der Taz nicht anlasten, denn das heißt in Kaufbeuren nunmal so ...

  • A
    asdd

    nur zur klärung, die rassistischen sprüche sind nicht gegen das opfer gerichtet gewesen?

     

    es gab vorher eine verbale und körperliche auseinandersetzung mit einer gruppe,

     

    der getötete kam später und wurde quasi im handgemenge mit security erschlagen?

     

     

     

    der täter ist aktenkundig als rechtsradikaler - aber die tat an sich scheint damit ja nicht rassistisch motiviert zu sein, oder?

  • Warum eigentlich nur Totschlag und nicht Mord?

    • P
      Peet
      @Anton Gorodezky:

      Ich vermute (und das ist tatsächlich nur eien Vermutung), dass es nur Totschalg ist, da nur ein Schlag ausgeteilt wurde, der dann zum Sturz führte. Da kann man dann nicht von Vorsatz bzw. von Mord sprechen. Es wird ja nichtmal von Mord gesprochen, wenn Jugendliche wiederholt auf den Kopf eines am Bodenliegenden eintreten. Also warum dann hier. Wird vermutlich auf Körperverletzung mit Todesfolge hinauslaufen.

    • K
      Kilian
      @Anton Gorodezky:

      Danke! Genau das habe ich beim Lesen auch gedacht. Fuer Mord reicht doch bereits, dass der Tod des Opfers zur Tatzeit fuer moeglich gehalten wurde.

  • Ich lese ja wirklich gerne die Taz, aber solche Formulierungen wie "Als die so Beleidigten sich wehrten ...", wo man in 6 Worten seine ganze einseitige Gesinnung schreibt, gab es früher nur im ND und bei Eduard.

     

     

     

    Tatsache ist: Im schönen Kaufbeuren leben überproportional viele Spätaussiedler, besonders in Neugablonz und die arbeitssuchenden Thüringer dürfen ihre Heimat verlassen, um auf Baustellen im Westen zu hausen, ebenso wie die Polen. Daraus könnte man einen Artikel machen; der Autor macht aber nix draus.

    • JI
      jk ink
      @Claudia Cometh:

      Ach ja, und im Westen werden diese Thüringer dann auf Dorffesten erschlagen, oder was?

      • @jk ink:

        Ich glaube, dass die Thüringer im Zweifel gerne woanders wären, als auf einer Baustelle in Kaufbeuren, denn so nett es auch ist, ist doch die eigene Heimat schöner. Bei den Polen gilt das Gleiche.

  • G
    GastGastGastGast

    Müssen die Facebook-Informationen sein? Das Bild dieser Männer ist schon so sehr gut gezeichnet, ohne das ein Junior-NSA-Mitarbeiter böse Details von Facebook sammelt. Seid nicht wie die Bild! Lasst Privates privat, egal wie eklig es ist!

  • M
    Malinchen

    Hallo taz, vielen Dank für diesen Artikel & dafür, dass Ihr auf diesen widerlichen Fall von rechtsextremer Gewalt aufmerksam gemacht habt!

     

    Nur eine (dennoch wichtige) Sache: Wenn das Opfer Spätaussiedler war, dann war er gewiß kein Kasache, sondern Russlanddeutscher aus Kasachstan!

     

    Diese Differenzierung ist sehr wichtig, aus vielen Gründen!

     

    Ich verstehe auch nicht, wieso es so viel Unwissenheit über die größte Einwanderergruppe in diesem Land gibt? Ist es nicht der Job von Journalisten, sich mit dem Land, in dem man lebt, intensiv zu beschäftigen? Wenn man nur "Kasache" liest (wissen Sie überhaupt, wie ethnische Kasachen aussehen?) könnten sich doch schlichte Gemüter wieder die Frage stellen, "was diese Leute denn in diesem Land suchen". Sie sind aber Deutsche! Ethnisch & kulturell, was auch sehr schön im sowjetischen Pass vermerkt war, für jedermann zu sehen, und weshalb sie in der damaligen UdSSR massiven Repressalien ausgesetzt waren.

    • J
      John
      @Malinchen:

      Öhm... so wie ich den Text gelesen habe, kam es erst zum Streit der Thüringer mit einer Gruppe von Spätaussiedlern und anschließend zu einer Auseinandersetzung mit den "Interessierten", zu denen auch der nun tote Kasache gehörte. Ich kann dem Text jedenfalls nicht entnehmen, dass das Opfer Spätaussiedler war.

  • L
    Lhandi

    Es ist ja auch durchaus sinnvoll, nicht alle Optionen als Tatsachen herauszuposaunen. Ich finde es unpassend, das Verhalten der Ermittler zu diskreditieren, zumal diese die (durchaus nicht unwichtigen) Informationen laut Artikel nachgereicht haben.