Rechtsextreme Chatgruppen: AfD Bayern träumt vom Bürgerkrieg
Chats belegen den Radikalkurs der AfD Bayern. Landeschef Protschka ist Gruppen-Admin, Boehringer, Anwärter für den Partei-Vorsitz, ist auch dabei.
Besonders drastisch sind die Enthüllungen, weil der bayrische Verband künftig sogar an Bedeutung gewinnen könnte. So entstammt der Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer dem Landesverband, der von nicht wenigen in der Partei als Nachfolger von AfD-Chef Jörg Meuthen gehandelt wird.
In der internen Chatgruppe war die Rede von einer notwendigen „totalen Revolution“ und von „Impfungen als „Genozid an Europäern“. Ebenso kursieren dort laut BR islamfeindliche- und rassistische Nachrichten. Ein Europaparlamentarier soll 2018 sogar vorgeschlagen haben, einen Schweinekopf vor einer Moschee abzulegen.
Vor rund einem Jahr schrieb ein AfD-Kreisvorsitzender laut BR: „Ohne Umsturz und Revolution erreichen wir hier keinen Kurswechsel mehr.“ Wahlen „helfen ohnehin nicht mehr“. Die Landtagsabgeordnete Anne Cyron soll darauf geantwortet haben, dass man „ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen“ werde. Der jetzige Landesvorstand Georg Hock stimmte dem zu. Eine andere Kreisvorsitzende schrieb: „Wir brauchen die totale Revolution. Anzünden müsste man diese ganze Politik.“
Die Schlüsselfiguren der AfD Bayern chatten mit
Einer der Administratoren der Gruppe ist dem Bericht zufolge der Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka, der auch im Bundesvorstand sitzt. Seit Oktober ist er auch Chef der AfD Bayern und verkörpert als Mitglied des offiziell aufgelösten rechtsextremen Flügels auch den völkischen Einfluss innerhalb des Landesverbandes. Auch ansonsten sind viele Schlüsselfiguren der AfD Bayern in der Telegram-Gruppe versammelt: 16 der 18 bayerischen AfD-Landtagsabgeordneten sind Mitglieder, sowie 11 von 12 Bundestagsabgeordneten aus Bayern, 10 von 13 aus dem neuen Landesvorstand.
Einige Teilnehmer sollen einzelnen Aussagen laut BR auch widersprochen haben. Auch gab es in der Gruppe heftige interne Streitigkeiten. Der Umgangston war dabei nicht weniger rau: Die AfDler*innen sollen sich gegenseitig als „Untermensch“ oder „Pavianbande“ beschimpft und sich mit Gewalt bedroht haben.
Zumindest zu den Bürgerkriegs- und Revolutionsfantasien wolle der Landesvorstand aber offenbar jetzt aktiv werden, wie Protschka sagte, als er mit den Recherchen konfrontiert wurde. Auch versuchte Gruppen-Admin Protschka die Chats klein zu reden. Ohnehin habe er die Gruppe auf stumm geschaltet und lese nicht mehr mit. Dabei hat er laut BR auch in diesem Jahr selbst noch dutzende Beiträge verfasst.
Der Bundestagsabgeordnete und Anwärter für den Bundesparteivorsitz, Peter Boehringer, postete auch in der Gruppe: Im März 2021 erhoffte er dort einen Schulterschluss mit „Impfskeptikern“. Inhaltliche Anknüpfungspunkte hätte es dafür jedenfalls genug gegeben: Boehringer ist schon früher mit antisemitischen Verschwörungsideologien aufgefallen und demonstrierte mit selbsternannten Querdenker*innen. Auch ist er bekannt für Neonazi-Sprech etwa bei Warnungen vor einer „Umvolkung“, beschimpfte Bundeskanzlerin Merkel unflätigst und fabulierte vom vergewaltigten „Volkskörper“.
Dass er trotzdem als aussichtsreicher Kandidat auf den Bundesvorsitz neben dem derzeitigem AfD-Chef Tino Chrupalla gilt, spricht Bände über die Lage im Flügelkampf innerhalb der AfD. Zuletzt sagte der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland, dass er mit Boehringer als Parteichef sehr gut leben könne. Der bisherige Co-Chef Chrupalla gilt als gesetzt, wenn es wieder zu einer Doppelspitze kommt. Der Sachse war der Wunschkandidat der ostdeutschen AfD-Verbände sowie der völkischen Strömung.
Der für den Dezember angesetzte Parteitag in Wiesbaden wurde unterdessen wegen der Corona-Lage verschoben. Er soll Anfang des Jahres stattfinden. Der innerhalb der AfD als gemäßigt geltende Jörg Meuthen tritt nicht wieder an. Als Nachfolge werden neben Boehringer auch die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel aus Baden-Württemberg, NRW-Chef Rüdiger Lucassen oder die Hessin Joana Cotar gehandelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg