Rechtmäßigkeit von Abschiebungen: Flüchtling klagt Innensenator an
Darf die Polizei ohne Durchsuchungsbeschluss Türen öffnen, um abzuschieben?
Im Streit über die Rechtmäßigkeit von Abschiebungen ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss gibt es die erste Klage gegen Innensenator Andreas Geisel (SPD) als oberstem Dienstherren der Berliner Polizei. Es geht um einen jungen Mann aus Guinea, der am 10. September aus seinem Wohnheim in Köpenick nach Italien abgeschoben werden sollte. Nach Berichten von Heimmitarbeitern kam die Polizei ohne Durchsuchungsbeschluss, verschaffte sich mittels Rammbock Zutritt zu seinem Zimmer, nahm ihn mit nach Tegel. Am Ende wurde er freigelassen – offenbar weil er sich weigerte, freiwillig das Flugzeug zu besteigen. Nur deshalb kommt es überhaupt zu dieser Klage.
„Das Gericht hat nun zu klären, ob es sich hier nur um ein Betreten oder um eine Durchsuchung handelt. Im zweiten Fall ist die Rechtslage klar: Ohne Durchsuchungsbeschluss geht es nicht. Doch auch das bloße Betreten ist nicht unbegrenzt möglich“, erklärt Rechtsanwalt Christoph Tometten. Er habe beim Verwaltungsgericht Berlin zudem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz für seinen Mandanten gestellt.
Seit Monaten streiten zwei SenatorInnen über die Frage, welche Befugnisse PolizistInnen bei Abschiebungen haben. Brauchen Sie – wegen der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 Grundgesetz – einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss, um Menschen zur Abschiebung aus ihren Wohnungen beziehungsweise Zimmern in Heimen zu holen?
Ja, sagt Integrationssenatorin Elke Breitenbach – nein, der Innensenator. Bestärkt fühlt sich Letzterer durch das sogenannte Geordnete-Rückkehr-Gesetz (GRG) von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), das Ende August in Kraft trat. Danach wird nun unterschieden zwischen bloßem „Betreten“ einer Wohnung/eines Zimmers und der „Durchsuchung“ – und nur Letzteres benötige den Richterbeschluss.
Rechtsprechung ist eindeutig
Juristen halten diese Unterscheidung für fragwürdig, auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat in einem Gutachten Zweifel angemeldet. Die teilt auch Tometten: „Die ständige Rechtsprechung ist eindeutig: Wenn Behörden zielgerichtet jemanden suchen und finden wollen, liegt eine Durchsuchung vor, die eines Richterbeschlusses bedarf.“
In seinem Fall kommt noch hinzu: Der Betroffene lebt nicht alleine in dem Zimmer, die Privatsphäre seines Zimmernachbarn war von der Aktion ebenfalls betroffen. Auch der Rammbock-Einsatz spricht laut Tometten für eine Durchsuchung. „Bloßes Betreten durch Gewaltanwendung? Das widerspricht ja schon unserem Sprachgefühl“, so der Anwalt.
Peter Hermanns, der Leiter des Wohnheims, das vom Internationalen Bund (IB) betrieben wird, zeigt sich ebenfalls empört. Die Aktion mit dem Rammbock habe viele BewohnerInnen zusätzlich verängstigt. „Bisher hatten wir eine Art Übereinkunft mit der Polizei“, erklärt er. Wenn die Beamten ohne Durchsuchungsbeschluss kamen, was bisher immer der Fall gewesen sei, hätten die Mitarbeiter vom IB am Zimmer geklopft und den Sachverhalt erklärt. „Wenn der Betreffende freiwillig mitging, wurde er abgeschoben, wenn nicht, ging die Polizei wieder.“ Rund 20 Mal sei dies in diesem Jahr vorgekommen, die meisten Abschiebeversuche seien gescheitert.
Die Polizei ließ eine Anfrage de taz bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
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