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Rechte Verlage auf der BuchmesseDeutsches Traditionsbewusstsein

Mit der Buchmesse ist die Diskussion über die Präsenz rechter Verlage zurück. Völlig unnötig ist diese Tradition, denn es ist möglich sie auszuladen.

Jasmina Kuhnke hat ihre Teilnahme an der Buchmesse abgesagt Foto: Marvin Ruppert

O bwohl die Zahl der Corona-Infektionen wieder steigt und es immer wieder zu Impfdurchbrüchen kommt, kehrt langsam die prä-pandemische Normalität zurück. Für die Literaturbranche bedeutet dies konkret: Nach anderthalb Jahren gibt es wieder eine richtige Buchmesse – nicht online, nicht in abgespeckter Form, sondern fast so wie früher. Buchmessen sind für Leute aus Verlagen, Literaturagenturen und viele Autor_innen so etwas wie Klassentreffen, zwar mit Stress verbunden, aber eben auch ein schönes Wiedersehen.

Unter den Traditionen der Frankfurter Buchmesse ist auch die unnötigste zurück: die Diskussion über die Präsenz rechter Verlage. Unnötig daran ist nicht etwa, dass das Thema endlich normalisiert werden sollte, denn es wird auch in zehn Jahren nicht hinnehmbar sein, dass antisemitische, rassistische, antifeministische Propaganda locker zwischen Krimis und Liebesromanen beworben wird. Trotz Halle, trotz Hanau, trotz des Mordes an Walter Lübcke und zig Polizeiskandalen made in Hessen. Als ob die geistige Brandstiftung nichts mit dem rechten Terror zu tun hätte, der auch im Bundesland Frankfurts stattgefunden hat und stattfindet.

Unnötig ist die Tradition deshalb, weil die Möglichkeit existiert, rechte Verlage von der Messe auszuladen. Stattdessen argumentieren die Organisator_innen mit der Meinungsfreiheit und legitimieren Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus als einen Dissens, den man in einer Demokratie aushalten muss. Das wichtigere, unausgesprochene Argument ist wahrscheinlich jedoch die teure Standmiete, die auch solche Verlage zahlen.

Schäbiges Nazi-Publikum

Die Anwesenheit eines rechten Verlags bedeutet nicht nur einen schäbigen Nazi-Stand in den Messehallen, sondern ein schäbiges Nazi-Publikum, das dort rumflaniert. Als wären es nicht auch Nazis gewesen, die während des Nationalsozialismus Bücher – Werke jüdischer, kommunistischer und queerer Autor_innen – verbrannt haben.

Für einige wird die Teilnahme an der Buchmesse eine moralische Abwägungsfrage, für manche eine existenzielle, etwa weil sie selbst von Nazis Bedrohungen erfahren. So etwa die Autorin Jasmina Kuhnke. Diese Woche ist ihr Debütroman erschienen, sie war eingeladen, ihn in Frankfurt als Überraschungsgast vorzustellen, aus Sicherheitsgründen unangekündigt also. In ihrem am Dienstag erschienenen Statement sagt sie den Auftritt ab, auch sonst vermeidet sie aufgrund der Gefährdungslage Lesungen mit Publikum. Nikeata Thompson und Annabelle Mandeng haben sich Kuhnkes Messeboykott kurze Zeit später angeschlossen.

Die Messe-Organisator_innen nehmen lieber in Kauf, dass bedrohte Autor_innen fernbleiben und darauf verzichten, ihre Bücher dort vorzustellen. Wessen Meinungsfreiheit (und körperliche Sicherheit) sie schützen, haben sie deutlich gemacht und das bereits vor Kuhnkes Statement. Die Message buchstabieren sie nicht aus und doch ist sie unmissverständlich: Wer sich vor Nazis schützen will, muss sich halt aus der Öffentlichkeit zurückziehen und einbüßen. Noch so eine unnötige deutsche Tradition.

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Hengameh Yaghoobifarah
Mitarbeiter_in
Hengameh Yaghoobifarah studierte Medienkulturwissenschaft und Skandinavistik an der Uni Freiburg und in Linköping. Heute arbeitet Yaghoobifarah als Autor_in, Redakteur_in und Referent_in zu Queerness, Feminismus, Antirassismus, Popkultur und Medienästhetik.
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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Den Ausführungen zur rechtlichen Brisanz im Artikel von Dirk Knipphals kann ich nur zustimmen: es halt alles nicht so einfach - wie sich das ne Kieler Sprotte so gern hätte.



    “Sagen - was fraumanxx denkt & vorher was gedacht haben. Wäre schön.“



    Harry Rowohlt in memoriam.



    taz.de/Boykott-der...uchmesse/!5806078/



    (die Entscheidung im Einzelfall wie hier - geht voll in Ordnung! Gell.



    Bitte Wiglaf sach du mal - in memoriam =>



    “Mit Nazis reden - “ Wiglaf Droste zu Frau Christiansen -



    m.youtube.com/watch?v=nupzSsJ43m8



    “…das Rückgrat einer Salatschnecke…“ die CDU-🐌 - 🙀🤮 -

  • Auch wenn es auf den ersten Blick sympathisch erscheint die Hater, Faschos, Rassisten dort rauszubekommen. Gerade im Print-Bereich soll die Möglichkeit zu veröffentlichen und öffentlich sichtbar zu bleiben so weit möglich offen bleiben und soweit nötig eingeschränkt werden.



    Möglich: z.b. die Buchmesse.



    Nötige Einschränkung: Einzelfallbezogene Bewertung des Buches/Prints, Entscheidung auf dem Rechtsweg. Ansonsten ist Willkür Tür und Tor geöffnet.

    Es gibt Linke, die argumentatorisch Kapitismus und Faschismus gleichsetzen. Muss dann jeder Wirtschaftsverlag, der außerhalb von Sozialismus/Kommunismus veröffentlicht, von der Buchmesse entfernt werden?

  • Von der Buchmesse ausladen - kann man das tatsächlich? Das würde voraussetzen, das der (oder sind es mehrere?) rechte Verlag vorher eingeladen wurde. Glaube ich irgendwie nicht.

  • Ich bin schon sehr enttäuscht, auf so wenig Kritik aus dem Literaturbetrieb an der Entscheidung und vor allem Begründung der Messe gestoßen zu sein. Warum erfahren die drei Frauen so wenig Solidarität bis auf die Unterstützung des Anne-Frank-Hauses. Vielleicht sollte sich wieder einmal die New York Times dieses Problems annehmen.

  • Dieser Kommentar ist mir dann doch zu schlicht. In einem anderen Almans-Land hat man rechte Verlage von Buchmessen selbstverständlich ausgeladen. Und Autorinnen wie Yaghoobifarah und Kuhnke wären gleichfalls getilgt worden. Dieses Land existiert nicht mehr. Unter anderem, weil sehr viele Bürger dieses Landes den meinungsbereinigten Verheißungen der herrschenden Ideologen nicht mehr glaubten. Es ist die Aufgabe des Veranstalters einer Buchmesse Meinungsfreiheit zu wahren und gewaltfreien Meinungsstreit zu ermöglichen. Eine Buchmesse ohne Meinungsfreiheit, und damit auch ohne Meinungsstreit, braucht niemand.

  • Bei Sicherheitsthemen sind Verbotslisten schwierig, weil mensch potentiell nicht alle aufgeführt hat. Deshalb werden wo möglich Erlaubnislisten geführt.



    Wo findet mensch die aktuell gültige Liste für Verlage (egal ob Verbot/Erlaubnis)?



    Wer hat diese Liste erstellt und wodurch ist der/diejenige legitimiert?