Rechte Gewalt in Schleswig-Holstein: Angriffe vor allem rassistisch
Die meisten Taten finden sich nicht in der Statistik wieder. Entweder werden sie nicht gemeldet oder die Polizei stuft sie nicht als rechts ein.
A n fast an jedem dritten Tag wurden in Schleswig-Holstein im vergangenen Jahr Menschen aus rassistischen, antisemitischen oder anderen rechten Motiven angegriffen – durchschnittlich. Diese Angriffe „gingen zudem mit einen hohen Maß an körperlicher Gewalt einher“, sagt Felix Fischer, Berater beim „Zentrum für Betroffene rechter Angriffe e. V.“ (Zebra).
Am Donnerstag hat das Netzwerk mit Sitz in Kiel sein landesweites Monitoring für 2022 vorgestellt. Im vergangenen Jahr registrierte Zebra insgesamt 104 Fälle mit 146 Betroffenen. 2021 waren es mit 77 erfassten Fällen noch rund ein Drittel weniger gewesen.
Über die Hälfte der Angriffe waren 2022 rassistisch motiviert – 62 Fälle. 32 Angriffe richteten sich gegen politische Gegner*innen. Hier seien vor allem Lokalpolitiker*innen als auch antifaschistische Aktivist*innen angegangen worden. „Über 60 Prozent der Angriffe waren Körperverletzungsdelikte“, hebt Fischer hervor.
Einen starken Anstieg der Gewalttaten stellte Zebra in Flensburg und im Kreis Pinneberg fest. Für 2021 wurden an beiden Orten zusammen fünf Gewalttaten registriert, 2022 waren es schon 14. Sie wurden meist bei Demonstrationen verübt. Diese „regionalen Spezifika“ seien „durch eine aktive verschwörungsideologische Szene geprägt“, sagt Fischer. Diese dürfte die „Handlungsräume extrem rechter Akteur*innen erweitert“ haben, „wodurch es zu einem Anstieg der rechten Gewalttaten kommen kann“.
Dunkelfeld und polizeiliche Ignoranz
Eine ähnliche Zunahme hatte Zebra bereits 2019 im Kreis Segeberg beobachtet, als durch die Aktivitäten einer neonazistischen Gruppe die Anzahl der Gewalttaten angestiegen war.
Das Monitoring zeige die bestehende Gefahr, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Niclas Dürbrook. „Die Zahlen im Zebra-Monitoring sind erschreckend und zeigen, dass wir bei rechter Gewalt nicht aufhören dürfen, genau hinzuschauen.“ 146 Betroffene von rechter Gewalt seien 146 zu viele, so Dürbrook. Er betont, dass die Dunkelziffer „deutlich höher“ seien dürfte.
Diese Annahme teilt Fischer. „Die meisten dieser Angriffe auf politische Gegner*innen finden sich nicht in der polizeilichen Statistik zu politisch motivierter Kriminalität – rechts wieder.“ Einerseits würden viele rechte Angriffe überhaupt nicht bekannt. Andererseits würden einige Angriffe aufgrund bestehender Hemmnisse nicht bei der Polizei angezeigt. Zebra beobachtete zudem, dass die Polizei viele rechte Gewalttaten nicht als „PMK – rechts“ einstuft.
Fischer führt ein Beispiel aus dem Dezember 2022 an: Ein Ehepaar war vor seinen Kindern massiv körperlich angegriffen und rassistisch beleidigt worden. Selbst als die Polizei eingetroffen war und der Vater mit mehreren Gesichtsfrakturen im Krankenwagen behandelt wurde, ließen die Angreifer*innen unter rassistischen Beleidigungen nicht von der Familie ab. Die Polizei habe die Tat dennoch nicht als „PMK – rechts“eingestuft, so Fischer.
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