piwik no script img

Rechte Bildungspolitik in Sachsen-AnhaltSchulleiter für AfD im Kreistag

Im sachsen-anhaltischen Köthen wächst der Widerstand gegen einen Schulleiter. Der betreibt für die extrem Rechten Bildungspolitik.

Die Petition „Ludwigsgymnasium: Raus mit dem AfD Direktor“ fordert eine sofortige Absetzung von Bodo Kreutzmann als Schuldirektor Foto: dts Nachrichtenagentur/imago

Berlin taz | Ein Schulleiter aus Sachsen-Anhalt hat mit seinem lokalpolitischen Engagement eine Debatte ausgelöst. Bodo Kreutzmann ist seit dem Schuljahr 2017/18 Direktor des Ludwigsgymnasiums in Köthen. Wie nun bekannt wurde, sitzt Kreutzmann seit vergangenen Donnerstag als „sachkundiger Einwohner“ im Bildungs- und Sportausschuss des Kreistags Anhalt-Bitterfeld – und zwar im Auftrag der AfD. Zuerst hatte die „Mitteldeutsche Zeitung“ darüber berichtet.

Die Entscheidung des Schulleiters stößt teils auf großes Unverständnis. Nach Köthens Oberbürgermeisterin Christina Buchheim (Linkspartei) zeigte sich auch die Bildungsgewerkschaft GEW irritiert: „Dass ein angesehener Schulleiter wie Kreutzmann gemeinsame Sache mit der AfD macht, verstehe ich nicht“, sagte die Landesvorsitzende Eva Gerth der taz.

Noch deutlicher äußerten sich ehemalige Schü­le­r:in­nen des Ludwigs­gym­na­siums: „Eine Person, die eine Zusammenarbeit mit Nazis und Klimawandel­leug­ner_in­nen in ihrer Freizeit für eine gute Idee hält, darf im Beruf nicht verantwortlich sein für die Bildung von hunderten von Schüler_innen“, schreiben sie in einer Petition auf einer Website der Kampagnen-Organisation Campact. Darin fordern sie die „sofortige Absetzung“ Kreutzmanns als Schuldirektor. Bis Redaktionsschluss der taz haben mehr als 1.400 Personen die Petition unterschrieben.

„Es geht auch darum, der schleichenden Normalisierung der AfD öffentlich zu widersprechen“, sagte der Initiator Moritz Deißner der taz. Das Ludwigsgymnasium sei in seiner Schulzeit – den Baseballschlägerjahren in den 1990ern – immer ein Schutzraum für alle möglichen Gruppen gewesen. Dass der aktuelle Schulleiter diesen Konsens nun „von oben“ infrage stelle, sei für ihn erschreckend. Die GEW-Landesvorsitzende Gerth spricht von einem „fatalen Signal“ der Normalisierung der AfD.

Schulleiter sieht kein Problem

Die Kritik an Kreutzmann fällt auch deshalb so harsch aus, weil der AfD-Landesverband in Sachsen-Anhalt vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wird und Kreutzmann damit kein Problem zu haben scheint. Für ein Gespräch mit der taz stand der Schulleiter am Mittwoch nicht zur Verfügung. Der Mitteldeutschen Zeitung aber sagte er, er könne seinen Beruf und seine Aktivitäten in der Freizeit „sehr gut voneinander trennen“.

Ob dem tatsächlich so ist, beschäftigt mittlerweile auch das Bildungsministerium in Magdeburg. Verbeamtete Lehrkräfte müssten jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten, heißt es dort auf Anfrage. Entsprechend äußerte sich Sachsen-Anhalts Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) zu der Personalie: „Ich gehe davon aus, dass sich Herr Kreutzmann bewusst ist, dass er einen Amtseid abgelegt hat und die damit einhergehende Verpflichtung auch bei seinem kommunalpolitischen Engagement daran orientieren wird“, sagte Feußner der taz.

Das Ministerium spricht sich dabei aber klar gegen eine Vorverurteilung aus. Aus der Tatsache, dass sich ein Schulleiter von der AfD für eine Tätigkeit im Kreistag nominieren lässt, könne noch kein Verstoß abgeleitet werden. „Verhalten sich Lehrkräfte in ihrer dienstlichen Tätigkeit politisch neutral und erfüllen ihre Dienstpflichten gewissenhaft, dürfte auch ihrer Verwendung im öffentlichen Dienst zunächst nichts entgegenstehen.“

Ähnlich positioniert sich der Landesschülerrat. „Solange die AfD nicht verboten ist und der Schulleiter sich in der Schule überparteilich verhält, sehen wir kein Problem“, sagte Vorstandsmitglied Samy Eiserich der taz. Solange die AfD nur unter Beobachtung stehe, müssten für sie die gleichen Rechte gelten wie für die übrigen Parteien.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Wieso braucht es für die Berufung als "Sachkundige Bürger" eigentlich ein Placet von einer Partei? Und wie bestimmt die Ausrichtung, vulgo Ideologie, einer Partei die Arbeit eines Sachkundigen Bürgers? Parteimitglieder müssen die SB ja wohl nicht sein, oder?



    Wenn doch, muß der Beamte rausfliegen. Das muß auch ohne Parteiverbot möglich sein. Sonst ist der besondere Status von Beamten komplett witzlos.

  • „Ich gehe davon aus, dass sich Herr Kreutzmann bewusst ist, dass er einen Amtseid abgelegt hat und die damit einhergehende Verpflichtung auch bei seinem kommunalpolitischen Engagement daran orientieren wird“, sagte Feußner der taz.

    Mittlerweile wissen wir doch alle, dass weder die AfD noch irgendein rechter wirklich für Ehre und Vertrauen stehen. Alles wird so verdreht, dass es passt. So wird es auch mit dem vermeintlichen Amtseid sein. Das hat keinen Wert für diese Art Mensch. Das sollte doch klar sein.

  • Wer für eine gesichert rechtsextreme Gruppierung arbeitet, hat bereits seinen Amtseid gebrochen. Dienstrecht hat nichts mit Parteirecht zu tun:

    Im Dienstrecht hat ein Angestellter des Staates und Beamte auch in seiner 'Freizeit' für die FDGO einzustehen und Schaden für das Ansehen der Bundesrepublik abzuwenden. Beides wird durch rechtsextreme Freizeitbeschäftigungen verletzt!

    Insofern sind die Aussagen des Ministeriums und des Schülerbeirats reinster Quark. Es ist ja auch keine Vorverurteilung, sondern bereits Fakt, dass sich dieser Schulleiter für Rechtsextremisten einsetzt.



    'Politisch neutral' darf sich übrigens kein Beamter verhalten: Er muss immer für die FDGO eintreten !!! Also auch dieses Argument der politischen Neutralität ist reinster Quark. Unvorstellbar, wenn jmd unter den Deckmantel der politischen Neutralität den Holocaust nicht verurteilt oder sogar verharmlost, so wie es im Parteiprogramm der AfD festgelegt ist !

    Fazit: Dieser Mann gehört sofort vom Dienst suspendiert!

    • @Unvernunft:

      Das ist nicht richtig, den die Einschätzung des Verfassungsschutzes hat keine Außenwirkung, ist für die dienstrechtliche Einordnung ohne Belang.

      Es kommt also darauf an, ob eine Partei oder ein Verein verboten ist (bzw. wird) oder ob die jeweilige Person rechtswidrige Äußerungen von sich gibt. Erst dann ist die freiheitliche demokratische Grundordnung verletzt.

      Die von Ihnen vorgenommene Differenzierung ist haarestreubend, den das würde im Ergebnis zu unterschiedlichen Bewertungskriterien im Parteienwesen führen. Entweder eine Partei ist verboten oder ebend nicht.

      • @DiMa:

        Nein. Rechtsextreme Parteien sind nicht verfassungskonform. Das verletzt den Amtseid. Sonst ist die Unterscheidung in Beamten, mit Amtseid, und anderen, ohne Eid komplett sinnlos. Denn gesichert Rechtsextreme können vom Verfassungsschutz ganz anders mit weiter gehenden Rechten beobachtet werden. Wenn das dienstrechtlich "ohne Belang" sein soll, dann macht da jemand seinen Job nicht.

        • @Monomi:

          Denn dann müsste ja die dienstliche Kommunikation ebenfalls abgehört und abgefangen werden - um festzustellen, ob ein etwaiger Rechtsextremismus in der Amtsführung, Berufsausübung zB bei Baugenehmigungen oder Steuerbescheiden Auswirkungen hat.



          Oder eben auch bei der Arbeit als Schulleiter...

        • @Monomi:

          Mit genau dieser Argumentation sind in den Anfangszeiten der Bundesrepublik reihenweise Beamte aus dem Staatsdienst entfernt worden, weil sie linken Parteien zu Nahe standen. Das gilt heute als Fehler.

          Solange eine Partei wählbar ist, solange ist Mitgliedschaft unschädlich. Wenn eine Partei rechtsextrem ist, dann muss sie halt verboten werden. Erst dann kann die Mitgliedschaft Folgen haben.

  • Gefährlich Lage und eine Strategie wie in den frühen 70ern. Jeder der für SPD war, wurde für die Alten zum Kommunist. Heute machen die Alten die Jungen zu "Nazis", mindestens aber "Rechten". Kann man machen, wäre aber blöd …

  • Wo ist das Problem? Wenn er wirklich sachkundig ist, kann er als Bürger ja keine AfD Politik machen. Bin mal gespannt.

    • @vieldenker:

      "Sachkundige Bürger" werden meistens in kommunale Unternehmen, quasi so eine Art Aufsichtsrat geschickt. Dort sitzen Vertreter der Parten, der Arbeitnehmer, die Geschäftsführung, der Dezernent oder gleich der Oberbürgermeister usw. Und dann gibt es eben noch die sachkundigen Bürger, die von den Parteien benannt und gewählt werden. Man muss noch nicht einmal Mitglied einer Partei sein. Erwartet wird aber, dass man der politischen Linie derer folgt, auf dessen Ticket man fährt. Aber selbst das, ist nicht zwingend, sondern der Sachkundige sollte sich an den Interessen des Unternehmen orientieren.

      • @Ernie:

        Die demokratische Praxis ist mir bekannt.

  • "Rechtsextremismus an Schulen ist ein ernstzunehmendes Problem, das in den letzten Jahren verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist. Schulen als Bildungsinstitutionen haben die Aufgabe, demokratische Werte zu vermitteln und Toleranz zu fördern. Doch auch sie bleiben nicht von extremistischen Strömungen verschont. Rechtsextreme Ideologien finden oftmals subtil Eingang in den Schulalltag, sei es durch diskriminierende Äußerungen, rassistische Symbole oder das Verbreiten von Hasspropaganda. Diese Entwicklung stellt eine erhebliche Gefahr für das schulische Miteinander dar und kann das soziale Klima nachhaltig vergiften." schreibt der Landesschülerrat auf seiner Website und unterstützt gleichzeitig eine von Faschisten in einen öffentlichen Ausschuss entsandte Person.

  • Hat die taz geklärt, ob dies eine offizielle Stellungnahme des Landesschülerrates ist? Laut Website ist der Zitierte weder Vorsitzender, noch stellvertretender Vorsitzender, sondern 'nur' Beisitzer.

  • Die hier zitierten Kritiker übersehen alle insgesamt, dass die AFD nicht verboten ist. Daher kann und darf alleine die Mitgliedschaft in der Partei und die Benennung durch die Partei keine beamtenrechtlichen Folgen haben. Dies gilt solange, bis die Partei rechtswirksam verboten ist oder der Betroffene durch eigene rechtswidrige Aussagen auffällt.

    Soweit also Privat Privatmeinungen äußern ist das vollkommen okay, jedoch ohne Relevanz. Sie befragten Ministerien bleiben zu Recht neutral.

    • @DiMa:

      Ja, das übersehen die Kritiker, einzig weil Sie es ihnen noch nicht gesagt haben.

      Auffällig ist doch, wie gerade Afd'ler nicht in der Lage sind, zwischen Beruf und Partei zu trennen. Diese Menschen sind in der afd, gerade weil sie ihre unreifen Privatvorstellungen in der Öffentlichkeit nicht mehr zügeln können. Kein Zufall, dass die Partei zu erheblichen Teilen aus (Fast-)Rentnern, Erfolglosen und Kriminellen besteht. Am gesellschaftlichen Leben wollen oder können einige gar nicht mehr teilnehmen. Die funktionelle Trennung zwischen Privatinteresse und Gesellschaftsanforderung belastet diese Menschen zutiefst. Interessant in diesem Zusammenhang: die marx'sche Maskentheorie und ihre bürgerliche Entsprechung von der Charaktermaske. Beide beschreiben dasselbe Phänomen mit anderem Vorzeichen.



      .



      Glauben Sie Krah wäre in der Cdu was geworden? Das glaubte vermutlich nichtmal jemand die CDU.

      • @THu:

        Wenn die Afd'ler sich entsprechend verhalten, dann kann das selbstverständlich dienstrechtliche Folgen nach sich ziehen (so ja auch schon von mir geschrieben).

        Nur erlaubt das noch lange keine Generalisierung.

        Im Artikel fehlt übrigens jeder Hinweis auf ein persönliches Fehlverhalten.

        Übrigens hatten wir in der Bundesrepublik bereits schon mal eine Zeit, in welcher eine Parteizugehörigkeit bzw. Nähe ausreichte um Laufbahnen und Karrieren zu beenden. Damals ging es um Linke, was in der taz gemeinhin als großer Fehler angesehen wird. Wehren den Anfängen!

  • „Solange die AfD nicht verboten ist und der Schulleiter sich in der Schule überparteilich verhält, sehen wir kein Problem“,



    So ist es.