Recht auf Reparatur: Keine Ersatzteile fürs Badezimmer
Für nachhaltigeres Wirtschaften ist es nötig, Konsumgüter länger zu nutzen. Doch selbst teure Markenprodukte sind bisher kaum zu reparieren.
Ein Klick beim Onlinehändler und der Gang in den Baumarkt enden mit gurgelnden Geräuschen – die dort gekauften Ringe passen nicht. „Leider ist ein direkter Bezug von Ersatzteilen nicht möglich“, antwortet die Firma auf Nachfrage. Man solle sich an den Installateur wenden, der die Wanne eingebaut hat. Mit diesem allerdings, so hatten wir uns nach Abschluss seiner Arbeiten geschworen, wollen wir nie wieder etwas zu tun haben. Wir könnten uns, schreibt Vigour, „auch gerne an einem anderen Installateur“ in unserer Nähe wenden. „Sollten Sie diesbezüglich Hilfe benötigen, können Ihnen die Kollegen aus der Fach-Ausstellung in Ihrer Nähe gerne behilflich sein.“ Können Sie nicht, sie halten keine Ersatzteile vor. Wir müssen also wirklich einen Installateur beauftragen. Wegen eines Dichtungsrings? Die Lösung ist einfach und ob der Weltlage eh geboten: Künftig wird geduscht, da braucht man keinen Stöpsel.
Geht es nach dem liberalen EU-Verbraucherkommissar Didier Rynders, würden Kunden die Info, dass der Bezug von Ersatzteilen schwierig ist, gleich am Verkaufspunkt erhalten. Auch sollen die Unternehmen verpflichtet werden, ihren Kund:innen für eine längere Zeit – etwa sieben bis zehn Jahre – Ersatzteile anbieten. Jährlich entstünden 35 Millionen Tonnen Abfall, weil Dinge wegen mangelnder Reparierbarkeit vorzeitig weggeworfen würden, klagt die EU-Kommission. Dagegen will sie vorgehen. Das „Recht auf Reparatur“ soll nicht nur für Waren gelten, die in Europa hergestellt, sondern auch für solche, die hier verkauft wurden. Auch beauftragte Unternehmen – wie die Produzenten unserer Badewanne – müssten sich dann also etwas zum Thema Ersatzteile überlegen. „Wir wollen die Verbraucher in die Lage versetzen, Produkte länger zu nutzen, indem sie sie reparieren lassen“, sagt Rynders.
In diese Lage würden wir unbedingt gerne versetzt – zum Beispiel in Bezug auf die Badezimmer-Deckenlampe. Die leuchtet bislang zuverlässig. Doch könnte man die Baumarkt-Leuchte aus dem Toom-Baumarkt reparieren, wenn sie doch kaputt geht? Auf die Frage: „Ich besitze eine LED-Deckenleuchte. Das Leuchtmittel lässt sich nicht entfernen. Könnte ich sie in Ihrem Baumarkt zur Reparatur abgeben? Was würde das geschätzt kosten?“, antwortet der Fachbereich Unternehmenskommunikation, Toom stelle zunehmend fest, „dass es seitens der Industrie immer mehr Angebote gibt, auch Produkte mit fest verbauten LEDs durch einen Fachmann reparieren zu lassen. Wir können derzeit jedoch noch nicht beurteilen, ob dies immer sinnvoll ist.“ Außerdem böte man den Kunden – neben der gesetzlichen Garantieleistung – auch besondere Toom-Garantien.
Defizit bei Reparaturwerkstätten
Die nützen allerdings wenig, wenn die Lampe nach sieben Jahren kaputtgeht. In diesem Falle wären gute Reparaturwerkstätten nützlich – doch die sind rar gesät. „In der Praxis sind das meist ganz kleine Unternehmen“, sagt Henning Wilts, Abteilungsleiter Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut, „es fehlen einheitliche Qualitätsstandards oder Ausbildungen.“ Den größeren Hebel sieht Wilts bei den großen Herstellern und Ketten. „Sie müssten verpflichtet werden, jedem, der kommt, eine Reparaturleistung anzubieten“, fordert er. Das stehe so umfassend zwar so nicht im Vorschlag der EU-Kommission. Trotzdem sei auch diese Initiative wichtig. „Alles, was in dieser Hinsicht passiert, ist gut und wichtig“, sagt Wilts, „weil es einen Impuls setzt, das Produktdesign zu verändern“. Also etwa künftig keine Lampen mehr zu bauen (und zu kaufen), deren Leuchtmittel sich nicht entfernen lässt. Wäre der Handel zu aufwendigen Reparaturen zu günstigen Preisen verpflichtet, würden solche ressourcenintensiven Güter gar nicht mehr hergestellt, so die Hoffnung.
Die EU-Kommission setzt hier auf einen Dreiklang von einem „Recht auf Reparatur“, der Ökodesign-Richtlinie und einer Richtlinie zur „Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“, die bessere Informationsrechte vorsieht. Das Ganze ist Teil des Vorhabens, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Das gehe nur, wenn die Verbraucher:innen aus der Wegwerfgesellschaft ausstiegen. Einen maßgeblichen Grund dafür geht die Kommission in ihrem Vorschlag allerdings nicht an: Häufig ist neu kaufen billiger als reparieren.
Das dürfte etwa bei der elektrischen Zahnbürste so sein. Laut dem Hersteller Procter & Gamble schwankt ihre Lebensdauer je nach Modell zwischen 4 und 6 Jahren. Immerhin nutzen die Konsument:innen ihre Zahnbürste also mindestens doppelt so lang wie ihr Handy. Gibt der Zahnbürsten-Akku auf, kann man ihn tauschen. Wie das geht, zeigen Do-it-yourself-Videos im Internet, doch weil das Elektrogerät in nasser Umgebung genutzt wird, empfiehlt der Hersteller Fachleute, am besten die eigenen. Auf der Website von Procter & Gamble beantwortet die freundliche künstliche Intelligenz im Chat die Frage „Kann ich meine Oral-B-Zahnbürste reparieren lassen?“ allerdings mit dem Link „Wie kann ich Ihnen meine Idee für ein neues Produkt mitteilen?“. Die Suchanfragen „Reparatur Zahnbürste“, „Zahnbürste kaputt“ und „Reparatur“ ergeben ebenfalls keine Treffer. Die Frage, was ein Akkutausch kosten würde, lässt sich also nicht ohne Weiteres ermitteln. Badewanne, Lampe, Zahnbürste – Ersatzteile tauschen und reparieren lassen ist bislang schwierig bis unmöglich. „Ich wünsche mir, dass es eine breite Initiative für die Reparaturbranche gäbe, für Qualitätsstandards, für niedrigere Preise“, sagt Wilts, wer einmal etwas habe reparieren lassen und dabei gute Erfahrungen mache, der komme auch wieder. Bislang bestehe das Geschäftsmodell der Konsumgüterindustrie überwiegend darin, dass ihre Produkte zwei Jahre halten und dann neue gekauft würden. „Es gibt viele Unternehmen, die haben intern klare Vorgaben, nur bei ganz teuren Produkten Reparaturen anzubieten“, so Wilts. Bei billigen bekäme man sofort ein neues. „Man braucht also ein hohes ökologisches Bewusstsein, um trotzdem eine Reparatur zu verlangen.“
Bosch bietet kostenlose Entsorgung an
Die Grünen im EU-Parlament setzen auf eine Ausweitung der gesetzlichen Garantie auf die erwartete Lebensdauer eines Produkts. „So lohnt es sich für Verbraucherinnen und Verbraucher, ein langlebiges Produkt zu kaufen, das im festgelegten Zeitraum kostenfrei repariert werden kann“, sagt die Abgeordnete Anna Cavazzini, Vorsitzende des Verbraucherausschusses im Europaparlament. „Kurzlebige Schrottprodukte verschwinden so vom Markt“, ist sie sich sicher.
Nur: Ich kaufe in der Regel keine kurzlebigen Schrottprodukte – sie reparieren zu lassen ist trotzdem schwer oder unmöglich. Der Bosch Häcksler AXT Rapid 2200 zum Beispiel ist einem zu dicken Rosenstrauch zum Opfer gefallen, ein Bedienfehler, ein Draht ist gerissen, selber schuld. Und jetzt? Information aus dem Baumarkt: Ich kann den Häcksler einschicken, Bosch erstellt mir einen Kostenvoranschlag. Wenn der Techniker vor Ort befindet, der Ersatz des Drahtes sei nicht wirtschaftlich, bietet der Qualitätshersteller an, das Gerät unentgeltlich zu entsorgen. „Als Markenhersteller“ lege „Bosch Power Tools höchsten Wert auf Zuverlässigkeit und Qualität“, antwortet das Unternehmen auf Nachfrage. Man begrüße gesetzliche Bestrebungen, Reparaturen zu fördern, und sichere den Zugang zu Ersatzteilen über einen langen Zeitraum, und so weiter und so weiter. Das Servicecentrum Elektrowerkzeuge von Bosch hingegen teilt auf Kundenanfrage mit: „Der Artikel ist aktuell nicht lieferbar. Wir haben den Liefertermin bei unserem Disponenten angefragt. Wir hoffen auf Ihr Verständnis und wünschen einen schönen Tag.“ EU-Kommission, hilf!
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