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Recht Behinderter auf BildungBruch der UN-Konvention

Deutschland hat sich verpflichtet, behinderte Kinder in Regelschulen zu unterrichten. Trotzdem werden weiter Sonderschulen gebaut.

Bis zu 90 Prozent der Kinder mit Behinderung sollen nach UN-Vorstellungen eine ganz normale Schule besuchen. Bild: dpa

KÖLN taz Cordula Müller ist wütend. Seit knapp einem Jahr setzt sich die Mutter dafür ein, dass behinderte Kinder in Bornheim mit nicht behinderten Schülern gemeinsam in den Unterricht gehen können. Und nun das: In der Stadt nahe Köln soll eine neue Förderschule entstehen. "Das ist ein Skandal", protestiert Müller.

Für die Bornheimer Elterninitiative ist klar: Der Neubau zementiert ein System, das Bildungsexperten als gescheitert betrachten. Und: Deutschland hat sich international zur Kehrtwende verpflichtet. Eine UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen fordert ein integratives Schulsystem auf allen Ebenen: Bis zu 90 Prozent der Kinder mit Behinderung sollen nach UN-Vorstellungen eine ganz normale Schule besuchen. Separate Lehranstalten sollten demnach die Ausnahme sein. Der Landschaftsverband Rheinland will nun sogar eine nagelneue Förderschule bauen - Aufbau statt Abbau, wie die UN es will. Der Zusammenschluss der Städte und Gemeinden der Region hat es sogar eilig mit dem Bau. Denn die Behörden wissen angeblich nicht mehr, wohin mit all den vermeintlichen Sonderschülern. Die Zahl der Kinder, denen die Schulämter einen "sonderpädagogischen Förderbedarf" attestieren, steige rasant: Die Kölner Heinrich-Welsch-Sprachförderschule behilft sich seit 2002 mit Containern. Nun expandiert sie nach Bornheim.

Allein im Förderbereich Sprache ist die Zahl der Förderschüler in den vergangenen neun Jahren im Rheinland um 69 Prozent gestiegen - trotz insgesamt stagnierender Schülerzahlen. Der Grund? Defizite werden heute besser erkannt, meint der Landschaftsverband. Cordula Müller und ihre Mitstreiter sehen es ganz anders. Die Schulämter bremsen den gemeinsamen Unterricht aus und werben oft einseitig für Förderschulen.

Einen zweistelligen Millionenbetrag will der Landschaftsverband Bornheim in die Schulform investieren, die es nach den Vereinten Nationen eigentlich bald nicht mehr geben soll. Bis zum Schuljahr 2012/2013 soll die neue Sonderschule für insgesamt 180 Schüler bezugsfertig sein. Die ersten Förderschüler sollen schon nach den Sommerferien kommen. Der Einzugsbereich der neuen Schule ist riesig: Manche Kinder müssen morgens bis zu einer Stunde im Bus sitzen.

Diese Karrerei grenzt in den Augen der Bornheimer Elterninitiative an Wahnsinn. "Warum werden die Schüler, die jetzt nach Bornheim sollen, nicht in ihrem Heimatort in ganz normalen Schulen gefördert?", fragt Cordula Müller. "Man sollte die Sonderpädagogen in die Regelschulen schicken. Dann spart man sich gleich die lange Fahrt." Viele Eltern müssen immer noch dafür kämpfen, dass ihr Kind trotz Behinderung eine Regelschule besuchen darf. Cordula Müller weiß das aus eigener Erfahrung. Vor Ort in Bornheim bietet nur eine Grundschule integrative Unterrichtsplätze an, zehn Stück insgesamt. Sind die belegt, sieht es schlecht aus für die Eltern. An den weiterführenden Schulen der Stadt fehlen die Integrationsangebote bisher gänzlich. Müller befürchtet: Wenn es erst eine nagelneue Sonderschule in Bornheim gibt, kommt der gemeinsame Unterricht ganz zum Erliegen.

Die Stadtverwaltung sieht gerade in der neuen Förderschule einen Beitrag zu mehr Integration. Schuldezernent Markus Schnapka bezeichnet den umstrittenen Bau als Gewinn für die Stadt: Mit der neuen Sonderschule kämen schließlich auch Sonderpädagogen nach Bornheim - und die könnten dann in die Regelschulen ausschwärmen.

Beim Landschaftsverband selbst ist man da skeptisch. "Ich kann mir in der jetzigen Lage nicht vorstellen, dass die Sonderschullehrer gleichzeitig noch woanders unterrichten können", bekundet Sprecher Christoph Göller gegenüber der taz.

Fragt man weiter nach, wird klar, was so oft gilt in Bildungsfragen: Der Landschaftsverband sieht sich für die Integration behinderter Kinder ins reguläre Schulsystem gar nicht zuständig. Man baue Schulen, die das Land bestellt. "Wir können höchstens inhaltliche Impulse geben", drückt es LVR-Sprecher Göller aus. "Aber ein anderes Schulsystem können wir nicht machen."

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3 Kommentare

 / 
  • CM
    Cordula Müller

    Artikel 24

    Bildung

     

    (1) Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel,

     

    a) die menschlichen Möglichkeiten sowie das Bewusstsein der Würde und das Selbstwertgefühl des Menschen voll zur Entfaltung zu bringen und die Achtung vor den Menschenrechten, den Grundfreiheiten und der menschlichen Vielfalt zu stärken;

     

    b) Menschen mit Behinderungen ihre Persönlichkeit, ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen zu lassen;

     

    c) Menschen mit Behinderungen zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen.

     

    (2) Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass

     

    a) Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden und dass Kinder mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden;

     

    b) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen in der Gemeinschaft, in der sie leben, Zugang zu einem integrativen, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben;

     

    c) angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden;

     

    d) Menschen mit Behinderungen innerhalb des allgemeinen Bildungssystems die notwendige Unterstützung geleistet wird, um ihre erfolgreiche Bildung zu erleichtern;

     

    e) in Übereinstimmung mit dem Ziel der vollständigen Integration wirksame individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden.

     

    (3) Die Vertragsstaaten ermöglichen Menschen mit Behinderungen, lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kompetenzen zu erwerben, um ihre volle und gleichberechtigte Teilhabe an der Bildung und als Mitglieder der Gemeinschaft zu erleichtern. Zu diesem Zweck ergreifen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen; unter anderem

     

    a) erleichtern sie das Erlernen von Brailleschrift, alternativer Schrift, ergänzenden und alternativen Formen, Mitteln und Formaten der Kommunikation, den Erwerb von Orientierungs- und Mobilitätsfertigkeiten sowie die Unterstützung durch andere Menschen mit Behinderungen und das Mentoring;

     

    b) erleichtern sie das Erlernen der Gebärdensprache und die Förderung der sprachlichen Identität der Gehörlosen;

     

    c) stellen sie sicher, dass blinden, gehörlosen oder taubblinden Menschen, insbesondere Kindern, Bildung in den Sprachen und Kommunikationsformen und mit den Kommunikationsmitteln, die für den Einzelnen am besten geeignet sind, sowie in einem Umfeld vermittelt wird, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet.

     

    (4) Um zur Verwirklichung dieses Rechts beizutragen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen zur Einstellung von Lehrkräften, einschließlich solcher mit Behinderungen, die in Gebärdensprache oder Brailleschrift ausgebildet sind, und zur Schulung von Fachkräften sowie Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen auf allen Ebenen des Bildungswesens. Diese Schulung schließt die Schärfung des Bewusstseins für Behinderungen und die Verwendung geeigneter ergänzender und alternativer Formen, Mittel und Formate der Kommunikation sowie pädagogische Verfahren und Materialien zur Unterstützung von Menschen mit Behinderungen ein.

     

    (5) Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichberechtigt mit anderen Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben. Zu diesem Zweck stellen die Vertragsstaaten sicher, dass für Menschen mit Behinderungen angemessene Vorkehrungen getroffen werden.

     

    Nochmal zum Lesen-wir können da nichts finden von EINRICHTUNG spezieller SCHULEN.Aber vielleicht verstehen wir die Konvention ja verkehrt??? Wie etliche andere auch (Herr Munoz z.B.)

    Übrigens nochmal, gerade die SPRACHFörderschulen sind die, die als erste abgeschafft werden sollten, hier sind keine mehrfachstschwerbehinderten Kinder, denen wir die Therapien nicht gönnen....

    Zu guter Letzt sollte das Wahlrecht bei Eltern und Schülern liegen!!

  • IN
    Ihr NameWolfgang Banse

    Menschen zweiter Klasse

    Trotz Diskriminierungsverbot und der Behinder UN Behinderten Konvention werden menschen mit einem Handicap in der Bundesrepublik -Deutschland tagtäglich diskriminiert und ausgegrenzt. Schulpflichtige Kinder werden in Sonderschulen abgeschoben und haben damit quasi kaum eine Chance auf dem Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft integriert zu werden.Nichtbehinderte bestimmen über das Leben von Gehandicapten.Dies ist fatal und Menschenunwürdig.,Menschenverachtend.Wie soll Integration geschehen,wenn man dies nicht zuläßt.Gehandicapte sind zur matriellen Armut verurteilt,weil man ihnen nicht die Chance gibt,ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu erzielen.Bildung bezieht sich auf alle Menschen.ohne Ansehen der Person,der Nationalität,der Religionszugehörigkeit,des Geschlechts und der Gesundheit. Was die behindertenpolitik im Standort Deutschland anbetrifft, befindet der Standort Deutschland noch auf eine Entwicklungsstufe.Die skandinavischen und südländischen Länder,vor allem auch die Vereinigten Staaten von Amerika setzen Beispiele im Umgang mit Gehandicapten.Deutschland kann noch viel lernen,was den Umgang mit Gehandicapten anbetrifft.Deutschland ist nicht das Land für Gehandicapte. Die jüngste deutsche Geschichte zeigt,was Menschen mit einem Handicap ertragen mußten.Immer wieder muss die Geschichte aufgerollt werden bis Deutschland ein behindertenfreundliches und nicht wie es gegenwärtig der Fall ist,ein behindertenfeindliches Land ist. Wolfgang Banse

  • G
    grafinger

    Einmal vorab: Es wird keine UN-Konvention gebrochen, auch wenn diese BILD-Schlagzeile den Artikel interessanter machen soll.

    Ganz so, wie es der Artikel suggeriert ist es auch nicht.

    Da war doch schon einmal ein Interview am 11. Mai über dieses Thema.

    Der "...gemeinsame Unterricht aller, wie ihn die UN-Behindertenkonvention verlangt" wird nicht gefordert.

    Dem Artikel 24 Absatz 2 Satz a und Satz b folgen noch die Sätze c, d und e, welche sehr wohl die Einrichung spezieller Schulen oder Klassen zur Pflicht machen. (aus meinem Kommentar vom 11. Mai)