Real und Demeter kooperieren: Biomarke bald beim Preisdrücker
„Einmal hin, alles drin“ – so wirbt die umstrittene Einzelhandelskette Real. Demnächst bietet sie auch das Qualitäts-Öko-Label Demeter an.
Die Liaison der beiden Partner ist heikel. Demeter, ältester Bioverband Deutschlands, sieht sich als Qualitätsmarktführer in der ökologischen Lebensmittelherstellung. Die Einzelhandelskette Real mit rund 280 Filialen hat einen schlechten Ruf, etwa wegen eines Gammelfleischskandals. Gerade erst machte die Kette Schlagzeilen, weil neue MitarbeiterInnen schlechter bezahlt werden sollen als länger Beschäftigte. Die Gewerkschaft Verdi wirft Real Tarifflucht vor.
Gleichzeitig arbeitet die Supermarktkette an einem Imagewechsel. Real-Chef Patrick Müller-Sarmiento will mittelfristig das gesamte Angebot auf nachhaltige Produkte umstellen. Es gehe darum, ein „vielfältiges Sortiment an nachhaltigen Artikeln zu fairen Preisen anzubieten“, so kündigte er bei einer Unternehmensveranstaltung den Plan an, auch im Biobereich zum Billiganbieter zu werden.
Schon heute hat Real Produkte von Demeter im Angebot. Allerdings kooperiert Real nur mit einzelnen Herstellern. Jetzt geht es um einen Vertrag mit dem Demeter-Verband. Der hat sich 2016 eine neue Vertriebsstrategie gegeben, um den Absatz anzukurbeln. Unternehmen, die Demeter-Produkte verkaufen wollen, müssen unter anderem einen Mindestumsatz mit Bioartikeln von 6 Prozent haben, davon muss ein Demeter-Umsatzanteil von 10 Prozent erreicht werden. Auch müssen das Verkaufspersonal geschult, Infomaterial für Verbraucher bereitgestellt und biodynamische Entwicklungsprojekte unterstützt werden.
Wie diese Grundsätze von Real eingehalten und umgesetzt werden, sei Gegenstand der Vertragsverhandlungen, sagt Gerber. „Der Vertrag wird dann unterzeichnet, wenn die Gespräche abgeschlossen sind.“ Bereits im Frühjahr hat Demeter eine – bei Lieferanten umstrittene – Kooperationsvereinbarung mit der Drogeriemarktkette dm geschlossen. „Es gibt Anfragen weiterer Einzelhandelsketten“, so Gerber.
Alexander Gerber
Im deutschen Lebensmittelhandel herrscht ein extremer Konkurrenzkampf, der über die Preise ausgetragen wird. Die Kooperation könnte einen weiteren Preisdruck auch auf die Ökobranche ausüben. Dem Fachhandel schadet es, wenn seine exklusiven Produkte auch im konventionellen Einzelhandel zu haben sind. „Der Naturkostfachhandel ist nach wie vor unser wichtigster Partner“, erklärt Gerber. Der Verband arbeite an einem Konzept, um die Zusammenarbeit mit dem Naturkostfachhandel zu stärken.
Der kritisiert die neue Verbindung harsch. „Die Naturkost- und Naturwarenbranche hält diese Kooperation für falsch“, sagte Elke Röder, Geschäftsführerin des Bundesverbands Naturkost Naturwaren. Real selbst schätze, dass der Umsatz mit Bioartikeln bei 4 bis 5 Prozent und nicht, wie von Demeter verlangt, bei 6 Prozent liege. „Der Mindestanteil wird demnach erst in Zukunft erreicht werden. Es gilt also das Prinzip Hoffnung“, sagte sie.
Röder kritisiert, dass sich Demeter in einem Umfeld hauseigener Real-Siegel bewegen wird – denn darauf setzt die Kette, um sich von agrarindustriellen Produkten abzugrenzen. „Wer hauseigene Siegel für ‚state of the art‘ hält, sollte seinen Hut als Marketing-Experte an den Nagel hängen.“ Ihr Vorschlag für Real: „Wie wäre es, den Bauern, die die konventionellen Agrarrohstoffe liefern, faire Preise zu zahlen. Und dann schrittweise auf biologische Landwirtschaft umzustellen?“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bildungsforscher über Zukunft der Kinder
„Bitte nicht länger ignorieren“