Real und Barça in spanischer Fußballiga: Zeit der Manifeste
Spannung! Der Clásico als der Höhepunkt spanisch-katalanischer Fußballduelle zwischen Barcelona und Real Madrid steht wieder mal an.
Die Ästhetik erinnert an Zeiten des Klassenkampfes. Nur dass Pamphlete heutzutage natürlich nicht mehr abgeworfen oder plakatiert, sondern über Twitter verschickt werden. Und dass es bei dem aktuellen Aufruf des „Komitees zur Verteidigung der Republik“ nicht um die Rolle des Arbeiters geht, sondern um Fußball. „Barcelonista!“, heißt es also vonseiten der katalanischen Hardcore-Separatisten in ihrer Botschaft zum Match am Mittwoch: „Feuere Barça an! Pfeife Real Madrid aus! Fordere durch eine ‚Estelada‘ die Unabhängigkeit ein!“
Ob spontan oder orchestriert: Die Estelada – die katalanische Flagge mit dem Stern lateinamerikanischer Befreiungsbewegungen – dürfte tatsächlich häufig im Bild sein, wenn die Hauptstädter zum Hinspiel des spanischen Pokalhalbfinales im Camp Nou gastieren. Nichts motiviert den katalanischen Stolz mehr als Real, das sie hier seit Zeiten der Franco-Diktatur als Bannerträger des zentralspanischen Machtanspruchs begreifen.
Auch diese politische Kontur macht den Clásico so speziell. Befeuert wird sie diesmal zusätzlich vom anstehenden Prozess gegen katalanische Spitzenpolitiker und Aktivisten, die seit dem heißen Herbst 2017 unter dem Vorwurf von „Landesverrat und Rebellion“ inhaftiert sind. Nächsten Dienstag soll das umstrittene Verfahren in Madrid beginnen, es dürfte das Land die nächsten Monate beschäftigen.
Auf das Hinspiel folgt in drei Wochen das Rückspiel in Madrid und weitere vier Tage später an selber Stelle das Duell in der Liga. Es ist die größte Verdichtung seit der infamen Serie von vier Auseinandersetzungen in Liga, Pokalfinale und Champions-League-Halbfinale binnen zweieinhalb Wochen zu Zeiten der Trainer José Mourinho und Pep Guardiola. Die Feindseligkeiten sollen damals mit einer – von diesem dementierten – Stichelei des Barça-Verteidigers Gerard Piqué zu Real-Kollegen im Kabinengang begonnen haben („Spanierlein, eure Liga haben wir jetzt, nun gewinnen wir den Pokal eures Königs“), endeten in dem Rundumschlag Mourinhos gegen vermeintliche Systemgefälligkeiten für den FC Barcelona („Warum? Ist es die Unicef?“) und hätten auf dem Weg beinahe die spanische Nationalelf ruiniert.
Real verkorkst
Während der momentan arbeitslose Mourinho am Dienstag in seinem Steuerverfahren vor einem Madrider Gericht eine Haftstrafe über ein Jahr auf Bewährung akzeptierte, hoffen viele aktuell Beteiligte insgeheim, dass es diesmal nicht ganz so hoch hergehen möge. Man will sich ja nicht schon im Februar komplett verausgaben.
Real Madrid durchläuft gerade zum ersten Mal in der zuvor so verkorksten Saison eine spielerisch wie physisch überzeugende Phase, sieht nun aber alle Titelchancen in drei harten Auswärtsspielen binnen einer Woche auf dem Prüfstand. Nach Barcelona folgt am Samstag das Stadtderby bei Atlético Madrid, in dem angesichts von acht Punkten Rückstand auf Barça selbst ein Unentschieden zu wenig wäre. Weitere vier Tage später wartet das Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League bei Ajax Amsterdam. Doch trotz allem und wie immer stirbt das Selbstvertrauen in Madrid zuletzt.„Jetzt wird es richtig gut, mich macht das an“, sagt der stets kampfbereite Kapitän Sergio Ramos. „Real Madrid ist immer Favorit“, ergänzt Trainer Santiago Solari, dessen Vorgänger Julen Lopetegui im Herbst just nach einem 1:5 in Barcelona gefeuert wurde.
Das „Komitee zur Verteidigung der Republik“ spricht
Wo Star Lionel Messi damals verletzt fehlte, ist sein Einsatz diesmal wegen Oberschenkelbeschwerden fraglich. Ein vielversprechendes Omen? Kaum, angesichts seiner Glanzform zuletzt. In Katalonien hätte man sich sowieso eine andere Auslosung vorstellen können, denn das kommende Programm ist ähnlich brutal – um das Rückspiel herum setzt es vier Auswärtspartien in zehn Tagen: Lyon (Champions League), Sevilla und zweimal Madrid. Sowieso steht die Saison eher unter dem Ziel, die Dauerherrschaft Reals in der Champions League zu brechen. Der Pokal dagegen galt als lässlich. Den hat Barça nach einer Finalniederlage gegen Madrid 2014 zuletzt viermal am Stück gewonnen. Als es im Achtelfinale gegen Levante einen gesperrten Spieler einsetzte, musste man fast schon an einen freudschen Aufstellungsfehler denken. Doch der Fauxpas fiel dem Gegner erst auf, als die Einspruchsfrist abgelaufen war, und so hat man jetzt also die Bescherung.
Jetzt ist Clásico, und den abzuschenken oder auch nur leichter zu nehmen, das ist außerhalb des Vorstellbaren. Das wäre tatsächlich: Landesverrat.
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