Reaktionen zum Tod Ströbeles: „Leidenschaft­licher Demokrat“

Viele würdigen den verstorbenen Grünen-Mitbegründer Christian Ströbele. „Solche Parlamentarier stärken die Demokratie“, sagt Wolfgang Schäuble.

Porträt Christian Ströbele

Christian Ströbele auf der Mitgliederversammlung der Alter­nativen Liste AL­MVV am 20. Juni 1986 Foto: Paul Langrock

BERLIN taz | Klaus Eschen ist gerade zufällig in der Fasanenstraße in Berlin- Charlottenburg, als er ans Telefon geht. Ganz in der Nähe hatte das Sozialistische Anwaltskollektiv seinen Sitz, das Eschen 1969 mit Christian Ströbele und Horst Mahler gegründet hat, das Kollektiv verteidigte Mitglieder der RAF. Eschen ist sichtlich getroffen von Ströbeles Tod, die beiden standen sich immer noch nahe. „Er war ein wichtiger Dialogpartner“, sagt Eschen. Mit Ströbele habe man kontroverse Meinungen austauschen und trotzdem eng befreundet sein können. Der Grüne sei „absolut kein Opportunist“ gewesen. „Er stand zu seinen Irrtümern und konnte sie dann auch verwerfen.“ Das habe er an Ströbele sehr geschätzt.

Tief getroffen ist auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die wie Ströbele zum linken Flügel der Grünen zählt. Sie nennt ihn ein Vorbild, nicht nur für sich selbst – „mit seiner starken Haltung, dem klaren Kompass in unterschiedlichsten politischen Debatten und der persönlichen Integrität“. Ströbele, so Roth, sei ein unermüdlicher Streiter für den Rechtsstaat, ein Anwalt für Schwächere und ein so engagierter wie hartnäckiger Parlamentarier gewesen. „Sein Wirken für eine lebendige Demokratie, geprägt von einem kritischen, fundierten und fairen Diskurs, ist ein wichtiges Vermächtnis, das verpflichtet.“

Ganz ähnlich sieht das auch ein Mann vom anderen Ende des demokratischen Spektrums. Wolfgang Schäuble, ehemaliger Innenminister und Ex-Bundestagspräsident von der CDU, ist jetzt einfach nur Abgeordneter. Jahrzehntelang saß Schäuble gemeinsam mit Ströbele im Bundestag, anfangs hat der Konservative die Grünen im Bundestag äußert kritisch beäugt. Inhaltlich waren die beiden Männer selten einer Meinung. „Christian Ströbele war als politischer Gegner nicht angenehm“, sagt Schäuble am Telefon voller Respekt. „Er war ein starker Parlamentarier, der seiner Überzeugung gefolgt ist und anderen zugesetzt hat.“ Auch sei der Grüne äußerst glaubwürdig gewesen. „Solche Parlamentarier stärken die parlamentarische Demokratie.“

Etwas von der „Grünen-Ursubstanz“ geht verloren

Otto Schily, der einst ebenfalls Teil des Sozialistischen Anwaltskollektivs und RAF-Verteidiger war und später Law-and-Order-Minister der SPD wurde, bezeichnet Ströbele als „Legende“. Er sei ein „hervorragender Anwalt“ gewesen, „der sich intensiv in die Fälle und Akten eingearbeitet hat“, sagte Schily der Zeit. „Mit meiner Politik als Bundesinnenminister war er nicht so einverstanden, aber wir haben uns immer respektiert.“ Ströbele habe politisch für ein „eigenständiges Profil“ gestanden, „bevor es so etwas wie politische Marken gab“. Mit ihm gehe nicht nur etwas von der „Grünen-Ursubstanz“ verloren, sondern eine „herausragende Persönlichkeit der Republik“.

Ströbele mit Edward Snowden.

2013: Ströbele empfängt den Whistleblower Edward Snowden Foto: Hans-Christian Ströbele Office/dpa

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz würdigte den verstorbenen Grünen. „Sein Antrieb war, Politik zu machen und die Gesellschaft zu verändern“, schrieb Scholz auf Twitter. „Mit Christian Ströbele verliert Deutschland einen streitbaren Politiker, der die politische Debatte über Jahrzehnte mitgeprägt hat.“ Robert Habeck, grüner Wirtschaftsminister und Vizekanzler, sagte bei der Kabinettsklausur in Meseberg, Ströbele sei ein Politiker, „der vielen Menschen imponiert hat, mir auch. Wegen seiner Geradlinigkeit, seinem unverrücklichen Einsatz für Bürgerrechte und für soziale Politik.“

„Hans-Christian war ein leidenschaftlicher Demokrat, ein Mann, der seinem Gewissen folgte – ein Politiker für die Menschen“, schreiben Ricarda Lang und Omid Nouripour, die beiden Par­tei­che­f:in­nen der Grünen, und die Fraktionschefinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge in einer gemeinsamen Mitteilung. „Wegen Ströbi bin ich zu den Grünen gekommen“ – diesen Satz hätten sie oft gehört. Sein Leitmotiv sei gewesen, den Rechtsstaat mit Leben zu füllen. „Im Bundestag vermissen wir seine Stimme bis heute. Oft rang er mit uns und wir mit ihm, und doch war es immer klar, wo er hingehörte: zu Bündnis 90/die Grünen.“

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