Reaktionen auf von Triers Hitlersympathien: Stolze persona non grata
Von Triers Film "Melancholia" darf trotz Hitler-Sympathien des Regisseurs im Rennen um die Palme bleiben. Israel bestellt ihn ab, "Jyllands-Posten" findet von Trier dämlich und er selbst ist "stolz".
CANNES afp | Nach seiner Sympathiebekundung für Adolf Hitler ist der dänische Regisseur Lars von Trier beim Filmfestival in Cannes zur unerwünschten Person erklärt worden. Von Triers Film "Melancholia" dürfe aber im Rennen um die Goldene Palme bleiben, erklärten die Organisatoren am Donnerstag. Der 55-jährige Däne sagte, er sei "stolz, zur persona non grata erklärt worden zu sein".
"Es ist vielleicht das erste Mal in der Filmgeschichte, dass so etwas passiert", sagte von Trier laut der Online-Ausgabe der dänischen Zeitung Ekstra Bladet. Er habe sich bereits für seine Äußerungen entschuldigt. "Aber ich bin ich, ich kann meine Art nicht ändern", sagte er dem Sender TV2 News. "Was soll man machen?" Er fühle sich "von der Nazi-Ästhetik angezogen".
"Ich hab eben irgendwas gesagt und mich verstrickt"
In der hannoverschen Zeitung Neue Presse bedauerte der Regisseur den von ihm ausgelösten Eklat. "Es war dumm und hat Menschen verletzt, die ich nicht verletzen wollte", sagte er. Er habe den Saal bei der Pressekonferenz zu seinem Film unterhalten wollen. "Mir ist einfach nichts wichtiges eingefallen, deshalb habe ich eben irgendetwas gesagt und mich in diesen Satz verstrickt." Er gebe aber zu, "ein bisschen stolz" auf die Verbannung zu sein, fügte er hinzu.
Der Chef des dänischen Filminstituts, Henrik Bo Nielsen, sagte, von Triers Äußerungen seien "idiotisch" und "abstoßend", hätten aber keine Auswirkungen auf weitere Projekte.
Der Leiter des Cannes-Festivals, Thierry Frémaux, betonte, für die Äußerungen solle der Regisseur bestraft werden, nicht sein Film. Daher bleibe "Melancholia" im Rennen. Sollte der Filmemacher einen Preis erhalten, könne er diesen aber am Sonntag abend nicht selbst in Empfang nehmen. Lars von Trier habe "dieses Forum zu nicht hinnehmbaren, unerträglichen Kommentaren genutzt hat, die gegen die Ideale der Menschlichkeit und Großzügigkeit verstoßen, die seit Beginn an für das Filmfest gelten", erklärte die Festivalleitung.
Der Filmemacher hatte Mittwoch bei der Vorstellung seines Films "Melancholia" über Hitler gesagt: "Er ist nicht das, was man einen guten Kerl nennen würde, aber ich verstehe vieles von ihm". "Ich sympathisiere ein bisschen mit ihm, ja." Er sei aber deshalb nicht gegen Juden. Gleichzeitig kritisierte er Israel als "Plage" und fügte hinzu: "Okay, ich bin ein Nazi."
Argentinien und Israel bestellen Film ab
In einer später verbreiteten Entschuldigung schrieb von Trier: "Ich bin nicht antisemitisch oder in irgendeiner Weise rassistisch, noch bin ich ein Nazi". Wenn er mit seinen Ausführungen jemanden verletzt habe, entschuldige er sich aufrichtig. Trotzdem haben Israel und Argentinien "Melancholia" bereits abbestellt. Von Triers Geschäftspartner in der Filmgesellschaft Zentropa, Peter Albæk Jensen, bestätigte der Nachrichtenagentur Ritzau in Kopenhagen, dass der zuständige israelische Filmverleih einen schon geschlossenen Vertrag wieder auflösen wolle. Nach Angaben der Zeitung Politiken ging bei Zentropa auch eine Abbestellung aus Argentinien ein. Man könne nicht den Film eines Mannes zeigen, der "mit seiner klaren Nazi-Erklärung das jüdische Volk und die ganze Menschheit gekränkt hat", hieß es in der Erklärung des Verleihs.
Die rechtsliberale dänische Tageszeitung Jyllands-Posten meint zum Rauswurf für den dänischen Filmregisseur Lars von Trier beim Cannes-Festival wegen seiner Äußerungen über Sympathien für Hitler: "Mit der Erklärung des Filmfestivals in Cannes, Lars von Trier zur unerwünschten Person zu erklären, ist eine befreiende Grenze gezogen worden. Sie signalisiert, dass es selbst für sogenannte Genies eine Grenze für das gibt, was an stupiden und beleidigenden Äußerungen durchgehen kann. (...) Man kann nur raten, ob er seinen dämlichen Nazi-Unsinn für gute Filmreklame gehalten hat. Hoffentlich war es das am Ende nicht, obwohl man hoffen muss, dass Triers neuer Film ausschließlich unter künstlerischen Gesichtspunkten bewertet wird. Unabhängig von seinem Schöpfer, der eindeutig in der Vorstellung lebt, dass er mit allem irgendwie durchkommt."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett