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Reaktionen auf den AnschlagDer Hinterbänkler und das Anschlagsopfer

In Braunschweig macht ein CDU-Ratsherr auf X blöde Witze über Anschlagsopfer. Jetzt will man ihn loswerden.

Muss man wirklich jemandem erklären, dass hier Schluss mit lustig ist? Dem Ex-Ratsherren aus Braunschweig anscheinend schon Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

E s gibt in Braunschweig einen kleinen Skandal, auf den uns eine treue taz-Leserin aufmerksam gemacht hat. Dort hat sich der CDU-Ratsherr Sven-Markus Knurr unmöglich gemacht, indem er sich mit einem – mittlerweile gelöschten – Beitrag auf X über die Opfer von Magdeburg lustig gemacht hat.

Zu den ersten Meldungen von dem Autoanschlag auf dem Weihnachtsmarkt schrieb er: „Ich habe dafür vollstes Verständnis.“ Das bezog sich auf einen Witz, den er vorher schon über die Opfer des Anschlags vom Breitscheidplatz gemacht hatte. Darin beschrieb er, wie schwer man auf einem Weihnachtsmarkt von A nach B kommt, Punchline: „Ich verstehe jeden, der lieber einen LKW nimmt.“

Höhöhö. Man kennt diese Sorte von „Humor“, mit der man vor allem auf X und Reddit Punkte sammelt. Meist männlich, immer toxisch, je schwärzer, desto besser. Das geht dann eben zu Lasten von dem, was man in der Politik eigentlich bräuchte: Die Fähigkeit, nachzudenken zum Beispiel. Die Perspektive von anderen mitzudenken. Empathie zu entwickeln.

Was Knurr da noch nicht wusste: Dass eines der Opfer aus seiner unmittelbaren Umgebung kam. Der kleine André, 9 Jahre, Grundschüler und Nachwuchsfeuerwehrmann aus Warle im Landkreis Wolfenbüttel bei Braunschweig.

Der Ex-Pirat war schon vorher verhaltensauffällig

Nun ist das Entsetzen groß, die CDU-Fraktion will Knurr ganz schnell wieder loswerden, er war ihr sowieso erst Anfang des Jahres beigetreten. Schon da hatten die Grünen auf die Entgleisungen des 39-Jährigen hingewiesen. Er war 2021 auf dem Ticket der Piraten in den Stadtrat eingezogen, wo er mit der Vertreterin der Querdenkerpartei „Die Basis“ zusammenarbeitete.

Er hatte mehrfach mit rechtslastigen Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht, unterzeichnete eine Petition für die Freilassung des Holocaustleugners Horst Mahler, beschimpfte Demonstranten gegen rechts als „linksradikales Populistenpack“, musste deshalb seine Landtagskandidatur für die Piraten zurückziehen. Die Braunschweiger CDU-Ratsfraktion hielt ihn trotzdem für ein geeignetes Mitglied, frei nach dem Motto: Stimmvieh macht auch Mist.

Aber gut, man könnte an dieser Stelle natürlich genauso gut fragen, wer so etwas wohl wählt und warum. Glaubt wirklich jemand, dass einer, der so gestrickt ist, irgendetwas Nützliches beizutragen hat? Probleme lösen kann? Oder zeigt sich hier im Kleinen, was die Demokratie auch auf ganz anderen Ebenen gefährdet: Höhöhö. Hauptsache, unterhaltsam und irgendwie „disruptive“.

Andrerseits muss man Knurr vielleicht dankbar sein. Immerhin bietet er sich jetzt als leichte Beute für ein bisschen selbstgerechte Wut an. Das entlastet ja auch.

Solange man sich über irrlichternde Hinterbänkler aufregen kann, muss man wenigstens nicht mehr auf dieses niedliche Kindergesicht starren, den Schmerz seiner Mutter mitschneiden, sich den Kopf zerbrechen über die brutale Sinnlosigkeit dieser Tat und die Frage, wo und an welcher Stelle eigentlich jemand hätte bemerken müssen, dass Taleb A. die Schwelle vom harmlosen Irren zum gefährlichen Irren überschritten hat.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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7 Kommentare

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  • Die Piraten waren immer schon ein Sammelsurium seltsamer Gestalten.



    Aber daß die CDU nicht gemerkt hat, wer da schon im Rat saß, ist schon erstaunlich

  • Ein Herr Knurr, ist für dieses Land in einem politischen Amt, nicht tragbar.

  • „Ich habe dafür vollstes Verständnis.“ Das bezog sich auf einen Witz, den er vorher schon über die Opfer des Anschlags vom Breitscheidplatz gemacht hatte. Darin beschrieb er, wie schwer man auf einem Weihnachtsmarkt von A nach B kommt, Punchline: „Ich verstehe jeden, der lieber einen LKW nimmt.“

    Was drückt dieser Witz aus.?

    Neben der Verhöhnung der Opfer und dem allgemeinen Frust von Autofahrern, daß sie mit ihren Tonnenschweren Superboliden permanent von diesen:







    ...na..







    ..ach ja: MENSCHEN...







    ...ausgebremst werden..





    Leider beobachte ich diese Haltung des öfteren..wobei gilt: je größer/schwerer das Auto...je "männlicher" der Insasse...je höher die Sitzposition, desto:

    -> unverschämter/ignoranter oder überheblicher..

    Hier besteht zunehmend Handlungsbedarf..und das nicht nur in den sozialen Netzwerken oder bei einzelnen Politikern..

  • Wenn die Piratenpartei nicht jeden Hinz und Kunz und Knurr als Kandidaten aufgestellt hätte, wäre sie jetzt noch eine wählbare Partei. Aber im Überschwang (und auch um alle gewonnenen Mandate ausfüllen zun können) nahm man jeden und jede Person auf die Wahlzettel auf. Damit kamen auch solche Deppen in die Stadt- und Kreisparlamente und die Piratenpartei wurde leider unwählbar.

  • Na ja, als der Beitrag gepostet wurde, war ja noch nicht mal klar, dass da ein Anschlag stattfand. "Auto fährt in Menschenmenge", Rentner hat wieder nicht aufgepasst oder so.

    Ob man längst als solche erkannte und öffentlich bezeichnete Fehltritte von 2010 und 2011 unbedingt nutzen sollte, um sie auch noch bald fünfzehn Jahre später jemandem als "aber früher hat er auch schon..." um die Ohren zu hauen, ist jetzt natürlich auch noch fraglich. Na, wie dem auch sei.

    • @tux0r:

      Fraglich ist da NIX - ein Mensch mit solcher geistigen, empathischen Unreife, darf & kann keine politische, gesellschaftliche Verantwortung übernehmen !



      Es darf nur gehofft werden, in den nächsten folgenden fünfzehn Jahren entwickelt sich im Oberstübchen von Herrn Knurr noch etwas...viel Glück !

  • "Er hatte mehrfach mit rechtslastigen Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht, unterzeichnete eine Petition für die Freilassung des Holocaustleugners Horst Mahler, beschimpfte Demonstranten gegen rechts als „linksradikales Populistenpack“"

    Ok, damit musste die CDU ihn ja als Mitglied akzeptieren. Sie konnten ja nicht wissen, dass er auch dann seine Meinung sagt, wenn sie Stimmen kosten könnte.