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Reaktionen auf Venezuela-KriseBundesregierung fordert Neuwahl

In Deutschland hält nur die Linkspartei am venezolanischen Staatschef Maduro fest. Gemischte Aussagen gibt es von den Grünen.

Massen gegen den Präsidenten: Anti-Maduro-Protest in Caracas Foto: dpa

BERLIN taz | Die Bundesregierung hat bisher nicht den selbsternannten Präsidenten Juan Guaidó als neues Staatsoberhaupt Venezuelas anerkannt – anders als die USA oder etliche lateinamerikanische Staaten. Regierungssprecher Stefan Seibert twitterte am Donnerstag: „Die Bevölkerung Venezuelas setzt sich mutig für eine freie Zukunft des Landes ein. Dafür braucht es nun einen politischen Prozess, der in freie und glaubwürdige Wahlen mündet.“

Stefan Liebich und Heike Hänsel von der Linken haben dagegen eine eindeutigere Haltung. Sie sprachen sich gegenüber der taz klar gegen eine Anerkennung Guaidós aus. „Auch wenn die Proteste gegen Maduro angesichts der katastrophalen Lage nachvollziehbar sind. Die Anerkennung des selbsternannten Präsidenten Guaidó durch Trump, Bolsonaro und Co. löst kein Problem, im Gegenteil. Die Bundesregierung sollte da nicht mitmachen“, sagte Liebich der taz.

Heike Hänsel zeigte sich indessen sogar weniger kritisch gegenüber der Regierung Maduros. Sie forderte von Außenminister Heiko Maas (SPD), die Anerkennung von Guaidó im UN-Sicherheitsrat strikt zurückzuweisen. „Deutschland darf sich nicht zum schweigenden Komplizen der rücksichtslosen und brandgefährlichen Regime-Change-Politik der USA in Lateinamerika machen“, sagte Hänsel.

„Fragwürdige Umstände“

Gemischte Aussagen gibt es von den Grünen. Cem Özdemir plädierte gegenüber der Bild für eine sofortige Anerkennung Guaidós als Präsidenten Venezuelas. Der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Omid Nouripour, zeigte sich dagegen neutral. „Die Staatskrise in Venezuela kann nur durch rasche Neuwahlen auf Grundlage der bestehenden Verfassung gelöst werden“, so Nouripour. Eine Anerkennung Guaidós als Übergangspräsident sei nur sinnvoll, wenn er „einen schnellen und demokratischen Wechsel“ durch „fair und freie Wahlen“ gewährleiste.

Jürgen Trittin kritisierte eine eventuelle Anerkennung des selbsternannten Präsidenten. „Einen unter fragwürdigen Umständen gewählten Präsidenten auf einem Weg zu ersetzen, der ebenfalls außerhalb des dort noch geltenden Rechts steht, führt zu einem rechtsfreien Raum“, sagte er der taz.

Anders sieht es aber Alexander Graf Lambsdorff von der FDP. „Europa muss die Regierung Juan Guaidós anerkennen. Die internationale Gemeinschaft sollte jetzt ein geschlossenes Signal senden, dass der legitime Präsident Venezuelas Guaidó und nicht Maduro heißt“, sagte er ebenfalls der taz. Ähnlich sieht es Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. „Der Präsident der venezolanischen Nationalversammlung, Juan Guaidó, ist der einzige legitime Vertreter des venezolanischen Volkes. Er verfügt über die volle demokratische Legitimation“, erklärte Hardt.

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11 Kommentare

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  • Komisch, wenn die EU mit Autokraten von Nord Korea, Iran, Russland oder China "agiert" wird das als "Dialog" ausgelegt. nur fehlt jetzt eine schlüssige Erklärung, warum sich Merkel, Maas und Co im gleichen Grundtenor eingemischt haben, wo sie bisher doch keine Probleme im Umgang mit den Despoten Afrikas und der arabischen Welt haben.Warum mischt sich der Westen immer in andere Länder ein? Überall diese Regie Changes. Man muss die Regierungen nicht mögen, aber man kann doch nicht gegen den Willen oder gegen das Wahlergebnis eines Landes einfach einen Putsch unterstützen! Und sogar unser (SPD!) Aussenminister unterstützt den rechtsradikalen Kandidaten! Die SPD demontiert sich damit immer weiter. Man sieht hier die abartige Hörigkeit zu den USA! Das Merkel und Co den Rechten in Amerika, Brasilien und anderswo.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...von Demokratie zu sprechen, wenn sich ein Mensch selber zum Präsidenten eines Landes ernennt, ist einfach nur grotesk und zeigt deutlich, wohin die Reise geht, in Südamerika: Imperialismus 2.0.

  • "Wir" fordern also Neuwahlen. Und wer soll da kandidieren? Vielleicht Pompeo, oder Maas? Vielleicht hat ja Herr Özdemir Lust, die Deals mit Bolivien, Kuba, Iran, China, Russland und Türkei aufzulösen, den Brasilianern den Urwald zu überlassen und den Amis das Öl. Er sieht mir schon fast so aus. Haarsträubend!

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Gerade wollte ich meine verbalen Giftpfeile abschießen. Dann las ich den Artikel ein zweites Mal und stellte fest: fast schon eine differenzierte Haltung der deutschen Regierung. Da habe ich schon Schlimmeres erlebt.

    Sie erkennt den selbsternannten Präsidenten NICHT an und fordert Neuwahlen. (Die verbalen Auswürfe der Herren Lambsdorff und Hardt, nicht in der Regierung, zeugen von umfassenden Realitätsverlust aufgrund selektiver Wahrnehmung.)

    Ob Neuwahlen wirklich etwas verändern, sei noch dahingestellt. Als VERSUCH einer Befriedung sind sie unabdingbar. Eine Initiative anderer lateinamerikanischer Staaten wäre eine zusätzliche flankierende Maßnahme.

  • Dann soll sich Wolfgang Schäuble mal zum Kanzler erklären. Er hat mehr Zustimmung als Merkel (im Moment). Solche Putsche können nicht demokratisch genannt werden.

  • Seit langem sind die USA bestrebt, das Völkerrecht durch ihre geopolitischen Interessen und Werte zu ersetzen, um ihre Einmischung zu legalisieren. Washington verwechselt Recht mit Unrecht und die deutsche Regierung neigt wie Teile der Grünen und liberalen dazu, dieses verbrecherische Ansinnen zu unterstützen.



    Was ich nicht verstehe, ist die Bemerkung, Heike Hänsel sei "indessen noch weniger kritisch gegenüber der Regierung Maduro"



    M.E. erfordert Solidarität mit einem Opfer imperialistischer Politik nicht kritische Distanz mit dem Opfer, sondern mit dem Täter. Die vermisse ich leider in der taz.

  • Jetzt stellen wir uns mal vor, es hätte sich in der Ukraine nach der nicht verfassungskonformen und nicht unbedingt demokratisch legitimierten Übergangssituation Janaukowitsch im Exil als Gegenpräsident erklärt.

  • Grassierender Wahnsinn???



    Es gab mal einen Grundsatz der Nicht-Einmischung in innerstaatliche Angelegenheiten anderer Staaten.



    Da gehört sicher auch die Findung des Staatsoberhaupts dazu.



    Hier gibt es wohl Zweifel an der Legitimation der Wahl, aber die gibt es auch bei zahlreichen anderen Staaten.



    Offensichtlich ist der "Ersatzpräsident" überhaupt nicht in diese Funktion gewählt worden - er hat sich selbst ernannt.



    Wenn also innerstaatlich zwei Leute mit eingeschränkter Legitimation um die Führung ringen - dann geht dieser Machtkampf die anderen Staaten nun wirklich nichts an.



    Es besteht der Eindruck, hier will man international nur einen Machthaber loswerden, weil der auf irgendwie linken Wurzeln groß geworden ist. Oder ist der andere einfach bequemer für wirtschaftliche Interessen ?

    • @mensch meier:

      So wie es aussieht stehen die Menschen da enger als bei der Love-Parade. Das machen die nicht auf Geheiß eines anderen Staates, sondern weil es ihnen schlecht geht.

    • @mensch meier:

      Erinnert irgendwie an Reichsbürger - nur dass die Reichsbürger die Ordnung nur im eigenen Land in Frage stellen während die B-Regierung genau weiß, wie andere Länder ihre Regierung zu bilden haben.

    • @mensch meier:

      Wer die innere Ordnung im eigenen Land nicht mehr geregelt kriegt, wendet sich der Regelung außerhalb zu. Also der Regelung der Machtverhältnisse in Venezuela oder der Regelung des Klimas, also den Ablauf von Frühling, Sommer, Herbst und Winter.