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Reaktionen auf Papstrücktritt in PolenWetten auf den Nachfolger

In Polen löst der freiwillige Abgang von Papst Benedikt XVI. gemischte Reaktionen aus. Nicht jeder glaubt an Altersmüdigkeit und Krankheit.

Der Papst in Polen, unter dem kritischen Blick des Juniorchefs. Bild: reuters

WARSCHAU taz | Polens Katholiken können es kaum glauben: „Der Papst dankt ab. Warum?“, fragt der Internetnachrichtenservice Onet.pl. Altersmüdigkeit oder Krankheit allein könnten nicht die wahren Gründe für die Entscheidung von Benedikt XVI. sein. Denn Papst Johannes Paul II. sei ein enger Freund des heutigen Pontifex maximus gewesen und habe sicher Vorbildfunktion gehabt. Das Leiden gehöre zum Älterwerden dazu. Der Verfall der Geistes- und Körperkräfte sei gottgewollt und daher vom Menschen zu akzeptieren.

Anders sieht dies Adam Boniecki, Chefredakteur der liberalkatholischen Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny in Krakau. „Ich denke, er wollte keine Wiederholung der dramatischen letzten Monate des Pontifikats von Johannes Paul II.“, sagte er in einer ersten Videostellungnahme auf der Website der Zeitschrift. „Man muss Benedikt dankbar sein, dass er gezeigt hat, wie sich das Problem von Amt, Alter und Schwäche in großem Glauben lösen lässt.“

Priester Kazimierz Sowa, Chef des katholischen Fernsehsenders Religia TV in Warschau, ist hingegen fassungslos. „Wir wissen bereits, dass er sich ins Kloster der Karmeliterinnen zurückziehen will, er also die Isolation von der Außenwelt sucht.“ Die Wahl des Klosters als Alterswohnsitz sei um so paradoxer, wenn man sich vergegenwärtige, dass Papst Benedikt XVI. einer der herausragenden Intellektuellen der katholischen Kirche sei. „Aber jetzt wird er nicht als großer Papst und Denker in die Geschichte eingehen, sondern als derjenige, der abgedankt hat.“ Allerdings stelle sich nun erneut die Frage, ob das Oberhaupt der katholischen Kirche tatsächlich „auf Lebenszeit“ gewählt werden sollte.

Der Sekretär der Katholischen Bischofskonferenz Polens, Bischof Wojciech Polak, bekannte, dass er öfter gehört habe, dass der Papst über schwindende Kräfte klagte und daran zweifelte, das Amt noch ausfüllen zu können. Dennoch sei er über den Schritt Benedikts XVI. erstaunt.

Spekuliert wird auch bereits über den neuen Papst, der schon vor Ostern feststehen könnte. Die meisten Kommentatoren tippen auf einen Kandidaten aus Europa, möglicherweise wieder aus Italien, nachdem erst ein Pole, dann ein Deutscher das hohe Amt innehatte. „Allerdings schlägt das Herz der katholischen Kirche heute längst nicht mehr in Europa, sondern in Südamerika“, gibt Priester Sowa zu bedenken.

Polnische Wettbüros nehmen bereits Tipps auf das Herkunftsland des künftigen Papstes an: Ganz schlecht im Kurs stehen die Kandidaten aus den „Euro“-Länder. Hätten die Wettspieler auf der Konklave in Rom das Wort, würde wohl zum ersten Mal in der Geschichte der katholischen Kirche ein Schwarzer das Rennen machen: Kardinal Peter Turkson aus Ghana.

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4 Kommentare

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  • D
    Deutsch-Pole

    ...und mal wieder tief in die Klischeekiste gegriffen... hier wird mal wieder so getan, als bestünde Polen nur aus erzkatholischen Gläubigen. Auch Polen ist eine Gesellschaft mit modernen und sekularen Strömungen.

  • S
    spiritofbee

    Bin gespannt wer denn jetzt die Entlassungsurkunde unterschreibt, der Senior-oder der Juniorchef.

    Wär doch mal wahrhaftig die Gelegenheit sich zu zeigen und klarzustellen wer der Boss ist.....

  • RB
    Rainer B.

    Die Kirche als weltweit größter Arbeitgeber braucht jetzt einen erfahrenen und möglichst schmerzfreien Manager. Ich denke da an Peter Hartz, der ja bereits von der Wirtschaft, der SPD und auch Peer Steinbrück heiliggesprochen wurde und der - meines Wissens nach - im Moment sowieso arbeitslos ist. Der Tag seiner Pontifixierung dürfte ein schöner Tag für alle Katholiken werden. Alles andere findet sich dann schon. Kopf hoch - ihr Gläubigen!

  • S
    Supi

    ''„Allerdings schlägt das Herz der katholischen Kirche heute längst nicht mehr in Europa, sondern in Südamerika“, gibt Priester Sowa zu bedenken.''

     

    Und weil die Kardinäle auf das Herz der katholischen Kirche hören, wird jetzt ein Befreiungstheologe Papst.