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Reaktionen auf Drei-Prozent-Hürde-UrteilEs wird kleinteilig

Während die Regierungskoalition das Urteil aus Karlsruhe grummelnd zur Kennntnis nimmt, freuen sich die kleinen Parteien. Bis auf die FDP.

Das Plakat von 2009 versprach: „Es ist deine Wahl“. 2014 kann diese sehr viel kleinteiliger ausfallen. Bild: imago/Xinhua

BERLIN taz | Das Bundesverfassungsgericht hat die Drei-Prozent-Hürde bei Europawahlen für verfassungswidrig erklärt. Die Reaktion aus dem Thomas-Dehler-Haus auf diese Nachricht ist erstaunlich: „Wir kommentieren das Urteil nicht“, heißt es aus der Pressestelle der FDP. Die Fünfprozenthürde diente den Liberalen bislang als Aktivierungsargument an ihre Wähler: Helft uns da drüber, sonst gewinnen die Populisten. Diese Strategie geht nun nicht mehr auf.

Keineswegs schweigsam sind die Jungen Liberalen. JuLi-Chef Alexander Hahn begrüßt gegenüber der taz die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Nicht, weil er sich um den Einzug der FDP ins Europaparlament sorgt, „sondern weil sie demokratisch richtig ist und den Wahlkampf endlich etwas bunter, lebendiger und politischer macht“. Klar sei aber auch, dass die Verantwortung der Wähler steige: dass jetzt „radikale Splitterparteien am linken und rechten Rand eine reelle Chance haben, sollten wir nicht zulassen“.

Bei den anderen kleinen Parteien ist die Freude ungeteilt. Der Bundesvorsitzende der Piraten Thorsten Wirth erklärt: „Wir sind sehr froh über die Entscheidung.“ Damit sei gewährleitet, „dass bei der kommenden Europawahl nicht wieder – wie vor fünf Jahren – ein erheblicher Teil der Wählerstimmen unter den Tisch fällt“.

Erfreut zeigt sich auch die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP). „Das Urteil der Bundesverfassungsrichter stärkt die Demokratie“, betont ihr Vorsitzender Sebastian Frankenberger.

Zugangshürden als Demokratiehürden

Freude auch bei der Linkspartei. Parteichef Bernd Riexinger twitterte direkt nach dem Urteil: „Zugangshürden für Parlamente sind Demokratiehürden.“

Auch der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der im Gegensatz zu seiner Fraktion im Bundestag gegen die Sperrklausel gestimmt hatte, sieht sich bestätigt. Das Karlsruher Urteil stärke die demokratische Stimmengleichheit, erklärte er.

Leichtes Grummeln ertönt aus den Reihen der Regierungskoalition. Peter Tauber, Generalsekretär der CDU, erklärte am Mittwoch, man bedauere die Karlsruher Entscheidung. „Aus unserer Sicht gibt sehr gute Gründe für eine Sperrklausel. Eine stärkere Zersplitterung der Parteien im Europäischen Parlament wird dessen Arbeitsfähigkeit sicher nicht leichter machen.“ Gleichwohl werde man das Urteil „selbstverständlich umsetzen“.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte, seine Partei werde nun im Europawahlkampf „alles dafür tun, dass extreme und rechte Parteien aus Deutschland keinen Platz im neuen Europäischen Parlament haben“.

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6 Kommentare

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  • Erstsemesteridealismus

    Ich finde das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur 3% Klausel klasse, weil es die Realität widerspiegelt und nicht auf die Wahlversprechen der Parteien zur Europawahl hereinfällt. Es wird angeführt durch die drohende Zersplitterung des EU Parlaments sei dieses nicht Handlungsfähig. Auch wird ins Feld geführt das 80% der Gesetzgebung bereits in Brüssel gemacht wird. Ich nenne sowas arglistige Täuschung. Das BVG ist auch auf dieses Manöver nicht hereingefallen. In der Zulassung zum Anbau von Genmais sind die Strukturen doch mal wieder offenbar geworden. Die EU Kommission gibt in allem den Ton an. Wer ist das eigentlich. Wer wird Millionär: Die eine Millionen Euro Frage: Wieviele EU Kommissare gibt es? – Leider verloren. Weiss das jemand? Aus welchen Ländern kommen die welche funktion. Wie kommen da Entscheidungen zu stande? Alles geheim? In den Meldungen heißt es die EU Kommission hat entschieden, oder konnte sich nicht einigen. Wer hat wie abgestimmt? Alles geheim. Europa wird von einer Geheimgesellschaft regiert. Wahrscheinlich hält Oettinger bei jeder Sitzung seine Wutrede, wie beim Orden wider den tierischen Ernst und alle sind so eingeschüchtert, das sich keiner traut zu widersprechen und Ska Keller lullt das Grüne Publikum mit ihren Erstsemester Politikwissenschaftsidealismus ein. Habe mal eine Debatte aus dem EU Parlament gesehen. Dagegen ist eine Bundestagsdebatte über die Nivelierung der Verpackungsordnung ein Tatortkrimi. Man muss seine (unseriöse) Politik nur besser erklären reicht nicht das Wahlvolk zur Urne zu treiben. Die Leute haben das schon kapiert, wie das läuft und man fraqgt sich, wozu brauchen wir eigentlich ein EU Parlament. Das gehört unter die Rubrik Steuerverschwendung. 80 % der Gesetze werden in Brüssel gemacht? Eine Schande für die Demokratie.

  • Meinen Dank an Ströbele für die klare Aussage, die einen wohltuenden Kontrast zu den Statements der saturierten grünen Nomenklatura (Harms, Bütikofer u.a.) darstellt. CDUCSUSPDGRÜNE bedauern, dass sie jetzt ein paar Mandate weniger bekommen.

  • Mit Blick auf das derzeitige Demokratieverständnis (Sarrazin...) der SPD hat sich Herr Oppermann wohl selbst ins Knie geschossen.

     

    Ströbele wird mir immer noch sympathischer.

  • G
    Gast

    Ganz ehrlich, ich finds schade. Das EU-Parlament erhält zwar langsam aber doch stetig immer mehr Kompetenzen. In meinen Augen ist die Abschaffung einer Hürde Demokratie feindlich, da eine immer größere Zerspitterung droht. Es gibt derzeit schon mehr als 160 Parteien und dies obwohl Dtl. nicht das einzige Land mit einer Begrenzung war.

  • PH
    Peter Haller

    Oppermann: "...alles dafür tun, dass extreme und rechte Parteien aus Deutschland keinen Platz im neuen Europäischen Parlament haben".

    Nun denn Oppermann, dann schmeisst doch endlich den Sarrazin raus, dann nehme ich euch das mit den extremen und rechten Parteien (zu denen ihr euch ja anscheinend nicht zählt) evtl. wieder ab.

    • G
      Gast
      @Peter Haller:

      Ich weiss, Sarazzin ist hier ein rotes Tuch. Er wird ständig in die rechte Ecke gestellt oder als Nazi bezeichnet. Natürlich hat er Sichtweisen, die auch ich nicht richtig finde. Aber auch Linke liegen oft falsch und arbeiten oft mit denselben Methoden wie Rechte. Hier ein sehr gutes Interview von Sarazzin im 'Focus':http://www.focus.de/finanzen/news/sarrazin-im-interview-multikulti-freaks-verdraengen-blutrache-und-christenverfolgung_id_3645443.html